Viele Kunden, wenig Ware, AufnahmestoppTafeln im Rhein-Erft-Kreis ziehen Konsequenzen
Rhein-Erft-Kreis – Rhein-Erft-Kreis. „Wir machen das nicht gerne, aber auf Dauer ist es für uns nicht mehr tragbar, es ist kein Ende abzusehen.“ Mit Wehmut beschreibt die Vorsitzende der Tafel Kerpen, Kerstin Höfer, die neuen Regeln ihrer Initiative: Die Kunden der Einrichtung dürfen ab September nur noch alle 14 Tage und nicht mehr wöchentlich, kommen. Die Ausgabe der Lebensmittel und Hygieneprodukte wird dann nach den Nummern der Kundenausweise geregelt: In den geraden Kalenderwochen sind die geraden Ausweisnummern an der Reihe, in den ungeraden Wochen die entsprechenden Zahlen.
Zu viele Kunden, zu wenige Lebensmittel bei Kerpener Tafel
„Seit dieser Woche informieren wir die Kunden, sie nehmen das noch recht gelassen auf, der September ist für die meisten noch fern“, sagt Höfer, „aber es tut uns auch weh.“Nicht nur, dass die Zahl der Hilfesuchenden spätestens seit dem Ukraine-Krieg stetig gewachsen sei, nun würden auch noch rund 60 Menschen, die auf dem Klostergelände der Ordensgemeinschaft der Salvatorianerinnen untergekommen sind, nicht mehr mit Catering versorgt. „Das ist ein Schritt in die Selbstständigkeit, es wurden Küchen eingerichtet.“
Doch so erhöhe sich die Zahl der Kunden wohl noch einmal. Schon jetzt kommen rund 200 Hilfesuchende wöchentlich zur Tafel. Für die 65 Ehrenamtlichen, die dort in zwei Schichten, rund sechs Stunden pro Woche, arbeiten, würde es einfach zu viel. Auch darum seien neue Helfer jederzeit willkommen.
Tut weh, Menschen mit leeren Händen nach Hause zu schicken
Verschärft wird die Notsituation auch noch durch einen Rückgang der gespendeten Lebensmittel. „Private Spenden fließen dankenswerter Weise“, so Höfer. Aber die Lebensmittelspenden von Supermärkten würden eingeschränkt. „Dort wird enger kalkuliert, die Order dort ist, lieber mal ein leeres Regal am Nachmittag oder Abend zu haben statt Reste.“ Eigentlich entspricht dies dem Grundgedanken der Tafel, die vorrangig der Lebensmittelrettung gewidmet ist. Dennoch tue es weh, Menschen mit leeren Händen nach Hause zu schicken, bedauert Kerstin Höfer.
Mit Respekt blickt sie auf die ersten Tage, an denen die neue Regel gelten wird: „Es wird bestimmt erst einmal schwierig, wir brauchen liebevolle Konsequenz.“ Sollte jemand in der falschen Woche kommen, bekomme er aber eine Chance: „Du bist jetzt hier nicht richtig, du musst Dich hinten anstellen und schauen, ob noch etwas übrig bleibt“, sei dann die Ansprache.
Hürther Tafel zog bereits die Notbremse
Bereits Ende Mai hatte die Tafel in Hürth die Notbremse gezogen und keine neuen Kunden mehr in ihre Kartei aufgenommen: Die Zahl der Kunden war von rund 700 auf 1000 gesprungen. Erst Anfang August hatten Kunden wieder die Chance, sich registrieren zu lassen. Und bereits nach zwei Wochen, am vergangenen Montag, gab es einen erneuten Stopp: „Es spricht sich sofort rum, die Leute standen Schlange. Es ging einfach nicht mehr aufgrund der Menschenmassen, die da dann durch geschleust werden müssen“, analysiert der Vorsitzende der Tafel Hürth, Peter Gaebel.
„Wir hatten in den zwei Wochen 40 neue Kunden, da hängen dann schnell 60 bis 70 Personen dran, auch eine Familie mit elf Mitgliedern. Es erdrückt uns, wir müssen erstmal wieder zu Atem kommen“, so Gaebel. An den drei Öffnungstagen pro Woche kämen jeweils mehr als 100 Personen, es gebe Überstunden, aber: „Wo sollen wir mit den Leuten hin? Wir haben keine Kapazitäten mehr.“ Schuld ist seiner Meinung nach ganz klar der „unsägliche Ukrainekrieg“, Helfer und Spenden wären eigentlich ausreichend vorhanden, aber auch die stießen an ihre Grenzen.
Wenn nun die Gas-, Benzin- und Strompreise stiegen, kämen sicherlich auch die, die es bisher selber schaffen wollten – Menschen mit geringem Einkommen wie beispielsweise Rentner und Alleinerziehende. „Und auch die möchte ich eigentlich gerne aufnehmen können“, hofft Peter Gaebel mit einem etwas bangen Blick auf die Wintermonate.
Auch in Brühl wesentlich mehr Kunden seit dem Ukraine-Krieg
Gelassener kann Mechthild Echternach, Ladenleiterin der Brühler Tafel, die Situation betrachten: „Noch schaffen wir es. Wir sind in der glücklichen Lage, keinen mit einer leeren Tasche nach Hause gehen lassen zu müssen. Es läuft alles, wir haben eine gute Atmosphäre.“ Auch in Brühl kommen seit dem Ukraine-Krieg wesentlich mehr Kunden.
Rund 120 an den Dienstagen, 150 an den Freitagen, jeweils einmal pro Woche. Laut Echternach hauptsächlich junge Frauen mit Kindern oder Großmütter mit Enkeln – fast drei Viertel der Kundschaft sei aus der Ukraine. „Alle sind sehr dankbar und zuvorkommend“, sagt die Ladenleiterin, die seit neun Jahren bei der Tafel Brühl aktiv ist und viele der Stammkunden schon lange kennt. „Manchmal scherzen wir zwar, dass wir am Ende der Ausgabe den Salat nur noch blattweise ausgeben können, aber eigentlich ist alles im Rahmen, wir können jedem etwas mitgeben.“
Auch Pulheimer Tafel erwägt Aufnahmestopp
Die Malteser-Tafel in Pulheim hingegen denkt aktuell auch über einen Aufnahmestopp von Kunden nach: „Wir kommen jetzt an unser Limit, nicht nur die Ukraine-Krise, auch die vielen Preissteigerungen machen sich bemerkbar“, berichtet Gerhard Kunst, Vorsitzender der Tafel. Bereits seit zwei Monaten können die Kunden nur noch einmal pro Woche zu den zwei Ausgabetagen kommen – auch gesplittet nach den Zahlen ihrer Kundennummer. „Pro Tag sind es rund 120 Erwachsene, damit werden zusätzlich auch noch rund 90 Kinder versorgt.“ Die Öffnungszeiten wurden ausgedehnt und reichen nun von 10 bis 16 Uhr, dies sei gerade für viele der älteren Ehrenamtlichen eine zu hohe Belastung, da sie sechs Stunden ohne Pause stehen müssten.
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Die Kapazität und Qualität der Waren stimme aber noch, so Kunst. Neben Super- und Drogeriemärkten sowie den Pulheimer Bürgern unterstützten auch die Landwirte in der Umgebung die Tafel sehr. „So finden zum Beispiel auch ungerade Gurken und Kartoffeln außerhalb der Normgröße eine gute Verwendung.“