Von den sieben Kreis- und Ratsfraktionen der AfD im Rhein-Erft-Kreis könnten am Jahresende nur noch drei übrig sein.
RechtspopulistenBei der AfD Rhein-Erft zerfallen die Strukturen
Es kriselt schon länger in der AfD im Kreis. Vor etwa einem halben Jahr verlor die Kreistagsfraktion der rechtsgerichteten Partei ihren Fraktionsstatus, weil mit Franz Pesch und Joachim Lorenz gleich die Hälfte der Mitglieder ihren Austritt erklärte – und seitdem bröckelt es auch in den sechs Ratsfraktionen der AfD im Kreis.
Beobachter rechnen damit, dass die AfD zum Jahresende vermutlich nur noch in Kerpen, Bergheim und Pulheim Fraktionen stellen wird. In Brühl, Frechen und Hürth ist von Austritten die Rede, die Auswirkung auf den Fraktionsstatus haben werden, weil die Mindestzahl von Ratsmitgliedern unterschritten wird.
Neue AfD-Konkurrenz: „Bündnis Deutschland“
Der begehrte Fraktionsstatus geht einher mit finanziellen Aufwandsentschädigungen für die Fraktionsarbeit und das Büro im Rathaus. Die würden entfallen. Im Kreistag etwa darf die AfD auch keine Anträge mehr stellen.
Beschleunigt wird die Zersetzung der AfD durch die Gründung des konservativen „Bündnis Deutschland“, das seit November auch einen Ableger im Kreis hat – unter der Leitung des Pulheimers Franz Pesch, des früheren Kreissprechers der AfD. Auch der Bergheimer Joachim Lorenz hat sich dieser Partei angeschlossen und will mit Pesch im Kreistag eine neue Gruppe bilden. Derzeit agieren sie noch als „Freie Bürger Rhein-Erft“.
„Ich will mit diesen Leuten nicht mehr zusammenarbeiten“, sagt Lorenz über einige frühere Mitstreiter in der AfD. „Immer sind die schlimmen bösen Ausländer alles schuld – das ist keine Politik.“ Lorenz hat nicht nur die Kreistagsfraktion, sondern auch die Bergheimer Stadtratsfraktion verlassen, seine Mandate jedoch behalten. Man sei mit weiteren AfD-Mitgliedern im Gespräch über einen Wechsel zum Bündnis Deutschland, „die Auflösung von Fraktionen kann daher sehr schnell gehen“.
AfD-Fraktion in Frechen bereits aufgelöst
Während die jeweils zweiköpfigen AfD-Fraktionen in Bergheim, Pulheim und Kerpen stabil scheinen, wird sich etwa in Frechen die AfD-Fraktion zu Jahresbeginn auflösen. Wie Oliver Selzer, noch AfD-Fraktionsvorsitzender in Frechen, mitteilt, trete er aus der Partei und damit auch aus der Fraktion aus. „Ich habe andere Ziele als die Partei. Ich gehe damit, wie alles gelaufen ist, nicht mehr konform“, sagt Selzer.
Konkret meint er damit zum einen den Austausch des Kreissprechers, mit dem er nicht einverstanden ist, aber auch, dass flüchtende Frauen und ältere Menschen pauschal an den Grenzen abgewiesen werden. „Das sind keine konstruktiven Lösungen.“
Der neuen Bewegung im Kreis will Selzer sich aber nicht anschließen. Er bleibe künftig parteilos, behalte aber sein Mandat: „Ich bleibe dem Rat erhalten.“ Selzer will sich weiterhin für Jugendhilfe und Sport sowie gegen Gewalt gegen Frauen einsetzen.
Die zweiköpfige AfD-Fraktion im Brühler Rat scheint gleichfalls zu wackeln. Deren Vorsitzender Jobst Schmidt sagt: „Bezüglich der jetzigen AfD-Fraktions-Konstellation wird sich bis zum Jahresende keine Veränderung ergeben“. Die Frage, was dies für die Zeit nach dem Jahreswechsel bedeute, blieb unbeantwortet. Neben Schmidt gehört Markus Hausmann der Brühler AfD-Fraktion an. „Die AfD-Fraktion im Stadtrat Pulheim wird auch weiterhin Bestand haben“, sagt Marita Schneider-Krieger, die im Pulheimer Stadtrat Franz Pesch als Fraktionsvorsitzende beerbt hat. Eine Zusammenarbeit mit dem Bündnis Deutschland hält Schneider-Krieger „in Sachfragen für möglich“.
AfD gibt sich gelassen
Bei der AfD selbst hingegen wird der Verlust politischer Mandate als wenig tragisch angesehen. „Das ist nicht zum Nachteil für die Fraktionen, die Leistung verdichtet sich auf Leute, die zur Partei und zum Programm stehen“, sagt Kreissprecher Jeremy Jason. „Wir haben keine Konflikte mehr.“ Es sei allerdings nicht in Ordnung, dass „die Leute ihre Mandate mitnehmen, die sie über unsere Partei erhalten haben“. Konsequent wäre es, die Sitze in Räten und im Kreistag wieder an die AfD zurückzugeben. „Die Bürger haben etwas anderes gewählt.“
Eine Austrittswelle habe die AfD auch im Kreis nach dem Austritt des AfD-Bundessprechers Jörg Meuthen vor knapp einem Jahr erlebt. Die Gründung des Bündnisses Deutschland habe auf die Mitgliederzahl bis jetzt jedoch nicht dieselbe Auswirkung. Vor einem Jahr habe die AfD im Kreis rund 160 Mitglieder gehabt, aktuell seien es etwa 130, Tendenz wieder steigend.
Auch eine Bereinigung um die Mitglieder, die keine Beiträge zahlten, habe für ein Sinken der Zahlen gesorgt. „Es ist auffällig, dass genau jene Fraktionsmitglieder abwandern, die bei uns nichts geworden sind und ihre persönlichen Ziele nicht erreicht haben“, sagt Wolfgang Linke, Vorsitzender der AfD-Fraktion im Bergheimer Stadtrat. „Reisende soll man nicht aufhalten.“