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Täglich 20 Stunden im EinsatzHürtherin betreut ehrenamtlich 500 Geflüchtete aus der Ukraine

Lesezeit 4 Minuten
Oksana Petrovic.

Die Ukrainerin Oksana Petrovic lebt schon lange in Hürth und betreut derzeit 500 geflüchtete Landsleute.

Die Hürtherin Oksana Petrovic betreut ehrenamtlich 500 Geflüchtete aus der Ukraine. Sie hat sich ein breites Netzwerk aufgebaut.

Früher einmal, da hat Oksana Petrovic ihre Freizeit gern damit verbracht, in ihrem großen Garten die Blumen zu pflegen und Tomaten anzubauen. Doch früher ist sehr weit weg – und das nicht nur, weil der Garten seit der Flutkatastrophe vor fast zwei Jahren noch immer eine Baustelle ist. Vor allem fehlen ihr momentan Zeit, Muße und der Sinn für die Gartenarbeit.

„Ich stehe um 5.15 Uhr auf und komme manchmal erst um 1.30 Uhr nachts nach Hause“, erzählt sie. In den rund 20 Stunden dazwischen ist sie nicht nur in Vollzeit als Verwaltungsmitarbeiterin für die Kölner Uniklinik tätig, sondern arbeitet im Nebenjob als Übersetzerin für die Stadt Hürth und betreut ehrenamtlich 500 Geflüchtete aus der Ukraine. Und dann gibt es da noch die Kerzenaktion ihrer Gemeinde, für die sie sich starkmacht (siehe unten).

Petrovic rechnete schon einige Tage vor Russlands Überfall mit dem Krieg

An den Kriegsbeginn vor einem Jahr erinnert sich die 47-Jährige, die selbst vor 20 Jahren aus der Ukraine nach Deutschland kam, noch genau. „Wir sind eine multikulturelle Familie. Mein Mann kommt aus Serbien, mein Schwiegersohn ist Deutscher: Wir schauen die Nachrichten in allen unseren Sprachen“, berichtet sie.

Deswegen habe sie schon einige Tage vor dem Überfall Russlands auf ihr Land mit einem Krieg gerechnet. Meine ukrainische Familie hat mich damals noch ausgelacht und gesagt: ‚Nein, die Welt lässt das nicht zu!‘ Noch immer lebt ein großer Teil ihrer Verwandten in der Ukraine. Die Stimme von Oksana Petrovic beginnt zu zittern, als sie sagt: „Meine Schwägerin meint, wo sie lebt, sind nur drei Bomben gefallen. Mir wären das drei Bomben zu viel!“

Unermüdlich kümmert sie sich seit Kriegsbeginn um ihre Landsleute, organisiert Hilfslieferungen und unterstützt Geflüchtete, überwiegend in Hürth, aber nicht nur: „Manchmal ruft mich sogar aus Frankfurt jemand an.“ Etwa 50 Anrufe und noch mehr Nachrichten erreichten sie jeden Tag, schätzt sie.

Je nach Situation begleitet Petrovic Neuankömmlinge, etwa zur Bank, um ein Konto zu eröffnen, oder geht im Videotelefonat mit den Ratsuchenden durch, wie sie Anträge ausfüllen, um für die Dauer des Krieges eine neue Existenz aufzubauen. Wenn wieder Frieden ist, wollen die meisten, mit denen sie gesprochen hat, wieder zurück nach Hause.

Petrovic hat vielen Geflüchteten Arbeit verschafft

Wenn die Anforderungen Oksana Petrovics persönliche Kapazitäten übersteigen, helfen ihr manchmal auch aus Russland stammende Freunde, wenn bei Behördengängen übersetzt werden muss. Besonders den Älteren, die in der Ukraine ein geregeltes Leben zurückgelassen haben, falle die Umstellung auf die Anforderungen der deutschen Bürokratie schwer. „Aber es gibt natürlich auch die, die ihre Rechte besser kennen als ihre Pflichten. Die Mischung ist kunterbunt.“

Einigen Geflüchteten konnte sie Arbeit verschaffen: in einer Autowerkstatt, in einer Wäscherei oder als Spülkraft in der Gastronomie. Auch um Unterkünfte kümmert sie sich. Mindestens 50 Wohnungen habe sie im vergangenen Jahr möbliert, unterstützt von Freunden, Nachbarn, Bekannten. „Ich bin dankbar für die Zeit und Mühe, die sie aufbringen“, sagt sie. „Viele Ukrainer sagen, dass sie nicht wissen, ob sie selbst so hilfsbereit zu den Deutschen gewesen wären. Menschen kommen vorbei, bringen Fahrräder oder alte Laptops für die Kinder.“

Zusammenhalt der Familie Petrovic ist gewachsen

Für alle Kinder, mit denen sie zu tun gehabt habe, sei schnell ein Schul- oder Kitaplatz gefunden worden, vielfach auch ehrenamtliche Nachhilfe. Dieser Zusammenhalt sei eine gute Erfahrung in dieser schrecklichen Zeit: „Der Krieg hat die Menschen verändert, sie offener gemacht und ihre Beziehungen zueinander intensiviert. Ich weiß nicht, wie viele Bekanntschaften und Freundschaften ich im letzten Jahr gewonnen habe.“

Auch die Wertschätzung in der Familie sei eine andere. Man sei nicht mehr wegen Kleinigkeiten sauer. Ihre Familie unterstütze sie, sie müsse sich zu Hause um nichts kümmern. Auch Gespräche mit Tochter und Schwiegersohn, beide Psychotherapeuten, seien eine Hilfe. Die Not, mit der Petrovic seit einem Jahr täglich unmittelbar konfrontiert ist, ist schwer zu ertragen.

Mit wackeliger Stimme erinnert sie: „Da war eine Frau, die hatte ein Baby bei sich, das einen Monat alt war, einen Hund und zwei Taschenlampen.“ Die völlig aufgelöste Frau habe auf ihrer Flucht nicht einmal an eine Babyflasche gedacht, aber aus Angst vor der Dunkelheit Taschenlampen eingepackt.


Multifunktionale Lichter

Um Kerzenreste und leere Konserven bittet die ukrainisch-griechisch-katholische Kirchengemeinde, um daraus Lichter als Wärmequellen oder Grablichter für Soldaten herzustellen. Auch warme Herrenunterwäsche und Verbandsmaterial werden benötigt, etwa abgelaufene Auto-Verbandskästen.

Eine Abgabemöglichkeit für die Spenden gibt es im Bürgerhaus Hürth am Infopoint, montags bis freitags 8 bis 16 Uhr, Friedrich-Ebert-Straße 4, 50354 Hürth und sonntags 10 bis 14 Uhr (erster Sonntag im Monat: 15 bis 17 Uhr), An St. Theresien 4, 51067 Köln.