„Lichter gehen nicht aus“So bereitet sich der Chemiepark in Hürth auf Gasmangel vor
Hürth-Knapsack – Die Lage ist angespannt, doch Christoph Kappenhagen, seit Januar Teil der Doppelspitze im Chemiepark Knapsack, verbreitet Zuversicht. „Wir blicken optimistisch auf das Jahr“, sagt der 56-jährige Diplom-Verfahrenstechniker. Die Nachfrage nach den Produkten aus dem Chemiepark sei weiterhin groß, die Anlagen seien gut ausgelastet. „Wir spüren keinen Rückgang.“ Doch die Energiekrise wirft auch Schatten auf den Knapsacker Hügel. Chemieparkbetreiber Yncoris bereitet den Standort auf einen drohenden Gasmangel vor.
Die größte Herausforderung sei die Unsicherheit, sagt Kappenhagen. „Keiner weiß genau, was kommt.“ Gerade bei den Mitarbeitenden – 2400 sind es im Chemiepark, davon 1300 beim Betreiber und Industriedienstleister Yncoris – spüre er große Verunsicherung. Auf die Corona-Krise mit all ihren Belastungen sei der Angriff Russlands auf die Ukraine gefolgt. „Das bleibt nicht am Werkstor hängen“, weiß Kappenhagen.
Chemiepark Knapsack: Standortleiter treffen sich alle zwei Wochen
Auch bei Yncoris weiß man nicht, wie viel Gas demnächst noch im Chemiepark ankommt. „Wir bereiten uns auf verschiedene Szenarien vor“, sagt Kappenhagen. Der Chemiepark werde mit einem abgestimmten Vorgehen auf die drohende Gasknappheit reagieren. „Deswegen sitzen wir alle zwei Wochen mit den Standortleitern zusammen.“ Am Gas hängen fast alle Standortfirmen, die Kunden des Chemieparkbetreibers Yncoris sind. Der Energieträger wird in der Produktion und bei der thermischen Reinigung von Abgasen eingesetzt. „Ohne thermische Nachverbrennung kann man nicht produzieren“, weiß der Ingenieur Kappenhagen.
Christoph Kappenhagen
Zur Person
Christoph Kappenhagen, 56 Jahre alt, wuchs in Rhede im Münsterland auf. Nach Realschulabschluss und Ausbildung zum Chemikanten bei der Hüls AG in Marl holte er berufsbegleitend an der Abendschule das Fachabitur nach. In Essen studierte er Verfahrenstechnik und war anschließend mehr als 20 Jahre lang beim US-Technologiekonzern 3M in Hilden tätig, wo er bis zum Betriebsleiter aufstieg.
2017 wechselte er als Standortleiter des Silikon-Herstellers Momentive in den Chempark nach Leverkusen. Seit 1. Januar gehört Kappenhagen als Nachfolger von Dr. Clemens Mittelviefhaus, der in den Ruhestand getreten ist, neben dem Vorsitzenden Ralf Müller der Geschäftsleitung von Yncoris an. Kappenhagen wohnt in Düsseldorf, ist verheiratet und hat vier Kinder. Sein Hobby ist Rennradfahren. (aen)
Hinzu komme, dass die Betriebe in Knapsack im Stoffverbund miteinander stünden, also voneinander abhängig seien. Deshalb soll frühzeitig geklärt werden, wie reduzierte Gasmengen im Chemiepark verteilt werden. Selbst im schlimmsten Fall werde es weitergehen, sagt Kappenhagen und verweist darauf, dass der größte Teil des Gases nicht aus Russland, sondern aus den Niederlanden, Belgien und Norwegen komme und die Gasspeicher sich füllen würden. Kappenhagen: „Es ist nicht so, dass hier die Lichter ausgehen.“
Im Gegenteil: Der Chemiepark setzt weiter auf Wachstum. Auch räumlich. Auf der 13 Hektar großen Fläche für die Süderweiterung sollen neue Betriebe angesiedelt werden. Großes Zukunftsthema sei die Nachhaltigkeit. Dazu zähle die Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff, die Versorgung des Standorts mit „grüner Energie“ und der Wechsel von rohölbasierten zu nachhaltigen Rohstoffen sowie das Recycling. „Was müssen wir tun, damit die Kreislaufwirtschaft funktionieren kann?“, sei eine Frage für Yncoris. Eine weitere Herausforderung sei der Fachkräftemangel. Weiter verbessern will Kappenhagen darüber hinaus die Kommunikation mit den Nachbarn des Chemieparks.
Das könnte Sie auch interessieren:
Der Geschäftsleiter sieht gute Voraussetzungen für eine positive Entwicklung des Standorts. „Wir haben eine Menge Know how in der Region und viele Leute mit tollen Ideen“, sagt Kappenhagen. „Ich bin sicher, dass wir genug Innovationskraft haben, um die Herausforderungen zu bestehen.“