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InterviewDas erwartet Ex-Radrennfahrer Ralf Grabsch aus Hürth von der Tour de France

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mann in Trainingsjacke vor einer Wand mit Startnummern.

Ralf Grabsch ist die Tour des France selbst dreimal mitgefahren. Den Startschuss zur diesjährigen Tour verfolgt der in Hürth lebende Radsportler vor dem Fernseher.

Ralf Grabsch, U23-Bundestrainer und Vorsitzender des RC Schmitter in Hürth, freut sich auf die Tour de France, die er dreimal gefahren ist.

Wenn die Radsportler der Tour de France heute zur ersten Etappe rund um Bilbao antreten, wird Ralf Grabsch, U23-Bundestrainer und Vorsitzender des RC Schmitter Köln Gleuel, mit großer Vorfreude den Startschuss zu Hause vor dem eigenen Fernseher verfolgen. Der dreimalige Tour-Teilnehmer erklärt, worauf sich die Fans freuen dürfen, und welche Chancen er dem Hürther Nils Politt und seinem ehemaligen Schützling Emanuel Buchmann einräumt.

Am heutigen Samstag startet die Tour de France im Baskenland, womit sie gleich von Anfang an wie für kletterstarke Fahrer gemacht ist. Wie gefällt Ihnen die Routenplanung?

Ralf Grabsch: Mit der Streckenführung durch das Baskenland wird es eine Vorselektierung, aber sicherlich keine Vorentscheidung geben, weil die Tour dafür zu lang ist. Der ein oder andere Fahrer bekommt hier die Möglichkeit, über eine Ausreißergruppe genug Zeit herauszufahren, um sich für eine gute Platzierung in der Gesamtwertung in Position zu bringen. Für mich ist die Tour de France trotz der Vorteile für die berglastigen Fahrer sehr abwechslungsreich gestaltet und bietet auf jeden Fall Spannung.

Zu den klaren Favoriten auf den Gesamtsieg zählen der dänische Vorjahressieger Jonas Vingegaard vom Team Jumbo-Visma und der zweimalige Tour-Sieger Tadej Pogacar aus Slowenien vom Team UAE Emirates. Welchen Fahrer sehen Sie am Ende vorne?

Ja, Vingegaard und Pogacar sind die klaren Favoriten, und wir werden sie sicherlich ganz weit vorne sehen. Spannung bietet aber auch die Mannschaft Ineos, weil sie von der Teamstärke her nicht zu unterschätzen sein wird. Natürlich ist deren Hoch-Zeit vorüber, aber es wird interessant zu sehen, wie Egan Bernal die Frankreich-Rundfahrt bestreiten wird. Der ehemalige Tour-Sieger wird bestimmt den ein oder anderen Akzent setzen. Das Schöne bei der Tour ist ja, dass wir immer mal wieder den ein oder anderen Underdog sehen, der vorne mitmischen wird. Letztendlich sehe ich aber Tadej Pogacar ganz vorne.

Das deutsche Team Bora-Hansgrohe will mit dem Australier Jay Hindley das Gesamtklassement angreifen. Was trauen Sie dem Sieger der Italien-Rundfahrt 2022 zu?

Bora-hansgrohe ist ein sehr interessantes Team mit dem Giro-Sieger Jai Hindley, der definitiv eine Chance auf das Podium hat. Als ehemaliger Trainer von Bora-Fahrer Emanuel Buchmann habe ich natürlich die Solo-Fahrt zu seinem Sieg bei den Deutschen Meisterschaften am letzten Wochenende genaustens beobachtet. Ich denke, dass auch er in einer sehr guten Verfassung ist, um einen Etappensieg erringen zu können.

Für Bora-hangrohe startet auch der Hürther Nils Politt. Der Etappensieger von 2021 hatte letztes Jahr kein Glück, die richtige Ausreißergruppe um den Tagessieg zu erwischen. Werden wir dennoch wieder eine angriffslustige Fahrweise verfolgen können?

Bei Nils bin ich leider der Meinung, dass er seine Aufgaben als Teamhelfer erhalten wird und sich unterordnen muss, um seinen Kapitän Hindley zu unterstützen. Darunter wird seine angriffslustige Fahrweise leiden. Seine Fans werden ihn höchstens dann vorne sehen, wenn Hindley den Anschluss in der Gesamtwertung verlieren sollte. Ansonsten glaube ich, dass sich Nils aktuell in einer tollen Verfassung befindet, was er mit seinem DM-Titel im Einzelzeitfahren gezeigt hat.

Welche Chancen räumen Sie den weiteren deutschen Radsportlern ein?

Wie ich schon gesagt habe, hoffe ich auf einen Etappengewinn durch Buchmann. Er ist in den letzten Jahren zu einem erfahrenen Fahrer wie Simon Geschke vom Team Cofidis gereift, der im letzten Jahr kurz davor war, das Bergtrikot und eine Etappe zu gewinnen. Insgesamt stehen nur sieben Deutsche am Start, so wenig wie letztmals vor 24 Jahren.

Muss man sich um den Radsport in Deutschland sorgen?

Die Resonanz ist leider sehr gering, fast zu gering für eine Radsport-Nation, wie wir es sind. Ich finde es schade, dass nicht mehr Sportler nominiert sind. Aber Sorgen müssen wir uns nicht machen, weil wir eine sehr hohe Anzahl an deutschen WorldTour-Profis haben. Meine Sorge ist, dass wir keine Siegfahrer mehr haben. Wir haben viele Profis mit einem sehr hohen Niveau, aber uns fehlen die Ausnahmeathleten. Aber solche wachsen eben auch nicht aus der Erde. Deshalb täte Radsport-Deutschland ein Etappensieg im Allgemeinen sehr gut, weil das viel Aufmerksamkeit geben würde.

Der Engländer Mark Cavendish vom Team Astana steht bei seiner letzten Tour vor der Möglichkeit, den Rekord für die meisten Etappensiege zu holen. Trauen Sie ihm den dafür nötigen 35. Erfolg zu?

Ich gehe fest davon aus, dass Cavendish eine Etappe gewinnen und alleiniger Rekord-Sieger in Paris sein wird. Er wurde schon mehrmals abgeschrieben und ist dann wie ein Torpedo hervorgeschossen. Das hat er in diesem Jahr schon gezeigt. Sein Karriereende wird er mit dem alleinigen Rekord verdient bestreiten.