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Handwerken als Mobbing-TherapieHürther baut Vogel- und Insektenhäuschen

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In seinem Reich lässt der Hürther Volker Oertel seiner Kreativität freien Lauf. Die Arbeiten mit Holz machen ihm bis heute große Freude.

Hürth – Die Freude am Handwerken begleitet Volker Oertel (69) schon sein ganzes Leben. Doch nie hätte er es für möglich gehalten, dass ihm diese Leidenschaft einmal aus einem gesundheitlichen und seelischen Tief helfen sollte.

Hürther war Projektleiter großer Bauvorhaben

„Der Stress auf meiner Arbeit begann vor etwa neun Jahren“, berichtet er. Oertel, der Ingenieurwesen studiert hatte, arbeitete damals als technischer Sachbearbeiter in einer öffentlichen Verwaltung. Als Projektleiter betreute er mehrere große Bauvorhaben. Ohne einen Grund zu nennen, sei eines dieser Projekte an einen jüngeren Kollegen übertragen worden, so Oertel. Länger habe er damals bereits das Gefühl gehabt, dass man ihn nicht mehr im Team haben wolle. „Das hat mich richtig krank gemacht“, sagt er.

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Für den Kindergarten St. Katharina in Frechen hat Volker Oertel einen Engel gebaut, der Insekten und Bienen eine Heimat geben kann.

Zunehmend habe es in dieser Zeit auch offene Kritik an seiner Arbeit und hintenherum oft auch Sticheleien und teils verletzende Bemerkungen gegeben. Damals begannen auch seine schlaflosen Nächte, das Zittern seiner Händen und die Angstzustände. „Ich konnte keine Nacht mehr durchschlafen“, erinnert sich Oertel. Verstärkt habe er an sich und seinen Fähigkeiten gezweifelt.

Arzt zog ihn wegen Mobbings aus dem Verkehr

„Mein Arzt war es dann, der mich erst einmal aus dem Verkehr zog und krankschrieb“, so Oertel. Nur sehr langsam sei er zur Ruhe gekommen. Und dann fiel ihm seine Freude am Heimwerken wieder ein. Anfangs noch zögerlich, weil ihm viel zu oft noch die Hände zitterten, startete er sein erstes Projekt – eine Bienenhotelanlage für mehrere Tausend Wildbienen. Bald schon folgten außergewöhnliche Vogelvillen, originelle Nistkästen und Spatzenhotel-Ensembles, in denen sich ganze Kolonien ansiedeln konnten. „Mit dieser Arbeit habe ich zurück ins Leben gefunden“, sagt der Hürther heute.

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Drei bis vier Wochen werkelt der Hürther in der Regel an den Vogel- und Insektenhäuschen.

Es sollte noch gut ein Jahr vergehen, bis er wieder halbwegs durchschlafen konnte, bis die Arbeit im Amt nicht morgens sein erster und abends sein letzter Gedanke war und bis die Angstzustände nachließen.

Als man mir 2016 ein großes Projekt zurückgegeben wollte, fehlte mir einfach die Kraft dazu, weiter zu machen“, sagt er. Statt zurück an seinen Schreibtisch im Amt zu kehren sich Oertel dazu, trotz der Abzüge die Rente zu beantragen. „Die Gesundheit ist einfach viel wichtiger als das Geld“, sagt der Hürther heute zurückblickend.

Gesundheit wichtiger als Geld

Völlig überwunden hat er die Geschehnisse, das Mobbing und den Spießrutenlauf bis heute noch nicht. Immer noch gebe es Nächte, in denen er schweißgebadet aus dem Schlaf schrecke und an die Arbeit denke. „Doch damit komme ich klar“, sagt Oertel weiter. Sein kreatives Reich ist heute eine gerade einmal dreimal drei Meter große Werkstatt im Keller seines Hauses in Efferen. Dort zeichnet er zunächst oft nach Vorlage von Originalbauten die Insekten- und Vogelvillen, -burgen- und -schlösser auf Papier, bevor er zu seinem Handwerkszeug greift.

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Drei bis vier Wochen dauert es meist, bis er aus Holz, Farbe, Dachlatten und Teerpappe die Kunstwerke geschaffen hat. Sogar die Schindeln für die Dachdeckerarbeiten seiner Vogel- und Insektenhäuser schneidet er selbst. Und bisher ist er auch seinem Anspruch, niemals zwei identische Bauten zu schaffen, treu geblieben.