Stevania Colici pflegt ihren 14-jährigen Sohn. Der Hospiz-Verein Erftstadt begleitet Tochter Antonia unter anderem zum Schwimmen.
Tag der KinderhospizarbeitSo wird Mario, Antonia und ihrer Familie in Hürth geholfen

Der Hospiz-Verein Erftstadt begleitet in Hürth die Schwester des erkrankten Mario.
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Mit aller Kraft versucht Stevania Colici, den Rollstuhl ihres Sohnes über die Kante des Teppichs zu schieben. Nach ein paar Versuchen gelingt es ihr. Die Familie wohnt in Hürth zu viert in einer Zweizimmerwohnung, auf 47 Quadratmetern. Sohn Mario ist 14, Tochter Antonia acht.
Stevania Colici pflegt ihren Sohn, der mehrfach behindert ist. In der Schwangerschaft mit Mario sei noch alles gut gewesen, berichtet sie. Die Mutter ist sich sicher, dass er während der Geburt weniger Sauerstoff bekommen hat. „Zweimal im Monat sind wir im Krankenhaus“, berichtet Stevania Colici. Das letzte Mal vor etwa zwei Wochen, weil das Kabel seiner Magensonde kaputt gewesen sei. Ihr Mann, Marin Colici, fahre morgens früh um 4 Uhr zur Arbeit.
Die Familie wird vom Kinder- und Jugendhospizdienst des Hospiz-Vereins Erftstadt begleitet. Stevania Colici war direkt klar, dass sie die Hilfe des Vereins nicht für ihren Sohn, sondern für ihre Tochter in Anspruch nehmen möchte. „Ich möchte, dass jemand für Antonia kommt.“
Erftstädter Hospiz-Verein begleitet Familie aus Hürth
So begleitete seit vergangenem Sommer eine ehrenamtliche Mitarbeiterin des Hospiz-Vereins die achtjährige Antonia. „Das hilft mir viel“, sagt Mutter Stevania Colici. „Wir gehen raus, spielen und Sonntag gehen wir ins Schwimmbad“, erzählt das Mädchen. „Antonia macht einen Schwimmkurs“, erläutert Susanne Leibig. Sie ist Koordinatorin des ambulanten Hospizdienstes für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sowie Krankenschwester.
Ein Erfolg liegt noch gar nicht so lange zurück: „Du bist eine Bahn komplett durchgeschwommen“, so Susanne Leibig. Auch ein Kindercoach verbringt samstags drei Stunden Zeit mit dem Mädchen. Das ist ein Kooperationsprojekt der Diakonie Michaelshoven mit dem Jugendamt der Stadt Hürth. Antonia habe mit ihr bereits Ausflüge ins Kino oder auch auf den Getrudenhof gemacht. Dinge, die ihr sonst nicht hätten ermöglicht werden können.
Ein besonderes Highlight für Antonia: Die Weihnachtsfeier des Erftstädter Hospiz-Vereins, auf der sie mit ihrer Begleiterin war. „Das hat mir am besten gefallen.“ Aber auch an einen Koch-Workshop in Hürth, auf dem sie unter anderem Gummibärchen selbst gemacht hat, erinnert sich die Achtjährige gerne. Oder daran, als sie einmal mit ihrer Begleiterin vom Hospiz-Verein Waffeln gemacht hat. Das will sie auch mal mit ihrer Mutter machen, sagt sie.
Hürth: Familie lebt seit 2013 auf 47 Quadratmetern
2013 kam die Familie aus Rumänien nach Deutschland. Seitdem leben sie in der 47-Quadratmeter-Wohnung mit Küche und Badezimmer. Anfangs zu dritt, später zu viert. Marin Colici war bereits ein paar Jahre früher in Deutschland zum Arbeiten. Sein damaliger Chef wusste um die Situation der Familie, wie seine Frau berichtet, und regte an, seine Familie nach Deutschland zu holen. Hier ging es Mario besser. Seine Epilepsie habe sich verbessert, so seine Mutter. Die Ärzte hätten ihr gesagt, dass die Medikamente, die er in Rumänien bekommen hätte, falsch gewesen seien.
Die Familie sucht nach einer neuen Wohnung. Auch wegen der Schule ihrer Tochter will die Familie in Hürth bleiben. Sie hätten bereits etliche E-Mails geschrieben. Meistens komme keine Antwort, oder die Wohnung sei schon weg oder nicht für einen Rollstuhl geeignet. Auch mit der GWG Rhein-Erft Wohnungsgesellschaft habe die Familie bereits gesprochen. Doch die Gesellschaft habe keine Wohnung für die Familie gehabt. „In Deutschland gibt es nicht genügend Sozialwohnungen“, macht Susanne Leibig deutlich.
Nicht zuletzt für den erkrankten Mario wäre eine größere Wohnung wichtig. Er bräuchte eigentlich ein Pflegebett. Aus Platzmangel könne die Familie in ihrer jetzigen Wohnung keines haben. „Wenn er schläft, hat er große Atemaussetzer.“ Das Problem habe sie selbst auch, sie sei immer sehr müde, habe viele Träume und keinen Tiefschlaf.
Wir haben keine Verwandten, keine Familie, keine Freunde hier
Neben des Platzmangels gibt es noch ein weiteres Problem: Das Haus, in dem die Familie wohnt, hat keinen Aufzug. Die Wohnung liegt in der ersten Etage und so trägt Stevania Colici ihren Sohn täglich runter und wieder hoch, wenn er für die Schule abgeholt wird und nach Hause gebracht wird. Fünf-, sechsmal sei sie dabei auch schon gestürzt.
Aus der Familie kann den Colicis niemand helfen. „Wir haben keine Verwandten, keine Familie, keine Freunde hier.“ Das erste Mal ohne seine Mutter war Mario, als Stevania Colici ihre Tochter bekam. Da habe ausnahmsweise ihre angereiste Schwiegermutter auf ihn aufgepasst. Mittlerweile habe Stevania Colici einen Online-Job als Beraterin für Make-up, Parfums und Cremes angefangen. Das kann sie von zu Hause machen. „Ich versuche, einfach was für mich zu machen.“
Immer wieder gibt Mario Laute von sich. „Was sagst du? Was willst du uns erzählen?“, fragt seine Mutter. „Das sind Momente, da will er was sagen. Da kommt nichts, aber er versucht es.“ Auch Antonia und ihr Bruder verstünden sich gut. Als sie ihm über die Wange streicht, lächelt er.
Tag der Kinderhospizarbeit
Der bundesweite Aktionstag wurde vom Deutschen Kinderhospizverein eingeführt. Seit 2006 findet am 10. Februar jährlich der Tag der Kinderhospizarbeit statt. Mit dem Tag soll unter anderem das Thema „Tod und Sterben von jungen Menschen“ enttabuisierst und Menschen von der Sinnhaftigkeit ehrenamtlichen Engagements überzeugt werden. In ganz Deutschland finden heute zahlreiche Aktionen statt. Weitere Informationen hier.
Der ambulante Kinder- und Jugendhospizdienst Rhein-Erft-Kreis ist beim Hospiz-Verein Erftstadt angesiedelt. Hauptamtliche Kräfte und geschulte Ehrenamtliche begleiten und unterstützen die Familien. Der Hospiz-Verein Erftstadt an der Carl-Schurz-Straße 47-51 ist ein ambulanter Hospizdienst für Erwachsene, Kinder und Jugendliche. Der Vereine begleitet schwerkranke und sterbende Menschen sowie deren Bezugspersonen in vertrauter häuslicher Umgebung seit 1996. Kontakt zum Hospiz-Verein kann man unter 02235/5227 oder per E-Mail aufnehmen. Weitere Informationen zum Hospiz-Verein Erftstadt finden Interessierte hier. (eva)