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Gerichtsverhandlung nach Todesfahrt„Es sah wie ein Rennen aus“

Lesezeit 4 Minuten

Nach dem Unfall wurde der Beifahrer nach Merheim gebracht. Dort starb er in der folgenden Nacht. ()

Hürth/Brühl – Schon als der 29-jährige Hürther am Dienstagmorgen Saal 11 des Brühler Amtsgerichtes betritt und im Zuschauerraum die Familie seines toten Freundes entdeckt, senkt er den Blick und kämpft mit Tränen. Immer wieder vergräbt er danach das Gesicht in seinen Händen oder blickt zu Boden. „Ich wünschte, ich könnte das alles rückgängig machen“, sagte er immer wieder.

„Er wird nur schwer damit fertig“, sagt sein Verteidiger Wolfgang Wienen und legt ein Attest vor, das dem 29-Jährigen eine durch den Unfall ausgelöste posttraumatische Belastungsstörung bescheinigt. Er sei, so der Anwalt, deshalb auch in psychotherapeutischer Behandlung.

Der Unfall, der das ausgelöst hat, ereignete sich an einem frühen Sonntagabend im April 2013 mitten in Stotzheim. Mit seinem Opel Tigra war der heute 29-Jährige gemeinsam mit dem 27-jährigen Beifahrer auf dem Weg von Frechen nach Hürth. „Wir sind zusammen aufgewachsen. Unsere Familien wohnten auf derselben Straße“, erzählt der Angeklagte dem Schöffengericht unter dem Vorsitz von Amtsrichter Detlef Riemenschneider.

An jenem Tag, so der 29-Jährige weiter, habe er ihm die Fertighausausstellung in Frechen gezeigt, weil der Freund einen Job als Makler suchte. „Ich wollte ihn nach Hause nach Hürth und dann zu meiner Freundin nach Köln fahren“, erinnert er sich. Was dann auf der Horbeller Straße zwischen Marsdorf und der Ortsdurchfahrt Stotzheim geschah, daran, so der Mann, erinnere er sich nur bruchstückhaft.

Umso besser können einige Anwohner erzählen, wie es zu dem Unfall kam. „Es sah aus, als sei das ein Rennen“, sagen vor Gericht gleich drei Zeugen über die Fahrt des 29-Jährigen und eines 24-jährigen Audi-Fahrers nach Stotzheim hinein – ein Vorwurf, den sowohl der Angeklagte als auch der Audi-Fahrer, der als Zeuge gehört wurde, zurückwiesen.

Zwei der Zeugen beobachten sogar, wie der 29-Jährige am Ortseingang von Stotzheim mit hoher Geschwindigkeit auf der Gegenfahrbahn links an der dortigen Verkehrsinsel vorbeifuhr, um den Audi A 3 des 24-Jährigen zu überholen. „Er hatte gar keine Chance, vor der Insel wieder einzuscheren“, sagte einer der Zeugen, der das Geschehen vom Fenster in der ersten Etage aus mit seinem Enkel verfolgte.

Mitten im Ort, wo eigentlich Tempo 50 gilt, kam es zum tragischen Unfall. Kurz vor der Rechtskurve an der Ortsdurchfahrt scherte der 29-Jährige wieder ein. In der anschließenden Linkskurve geriet das Fahrzeug ins Schleudern und stieß gegen einen auf dem Parkstreifen abgestellten Anhänger, der gegen einen weiteren Anhänger geworfen wurde und vor den Häusern weiteren Schaden anrichtete.

„Er stieg aus dem Fahrzeug, war völlig außer sich und sagte immer nur: Mein Freund, mein Freund“, erinnert sich ein Nachbar, der nach dem Knall nach draußen gerannt war, im Zeugenstand.

Der 27-jährige Beifahrer saß da noch regungslos im Fahrzeug. Die Einsatzkräfte brauchten etwa 20 Minuten, um das Dach abzutrennen und den Mann aus dem Auto zu befreien. Mit einem Rettungshubschrauber wurde er in die Uniklinik nach Merheim gebracht, wo er aber in der folgenden Nacht starb. Er habe beim Unfall an der gesamten rechten Körperseite schwere Verletzungen erlitten, berichtet die Rechtsmedizinerin im Gerichtssaal: „Ursache für den Tod war letztlich ein schweres Schädelhirntrauma.“

Ohne das Überholmanöver, stellt der Sachverständige Albert Hülser fest, wäre es nicht zu dem Unfall gekommen. Hülser hatte ausgerechnet, dass der 29-Jährige nach Lage der Spuren zum Zeitpunkt des Unfalls in der Kurve 75 bis 81 km/h schnell gewesen sein muss. „Als das Fahrzeug ausbrach, hat er zu abrupt und zu stark gegengelenkt. Das war ein Fahrfehler“, erklärt Hülser dem Gericht.

Wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilte das Amtsgericht den 29-Jährigen schließlich zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. „Es ist Ihnen anzumerken, dass der Tod ihres Beifahrers ihnen deutlich genug gemacht hat, warum man so nicht Autofahren darf“, sagte Amtsrichter Riemenschneider.