Die Vertreter von 180 Firmen sprechen über die Ansiedlung neuer Unternehmen, die wenig attraktive Innenstadt, fehlenden Wohnraum sowie verpasste Chancen der Stadt.
Montags-InterviewSo sehen der alte und neue IFU-Vorsitzende die Wirtschaft in Frechen
Nach fünf Jahren Amtszeit hat Prof. Jürgen Höser Ende November sein Ehrenamt als Vorsitzender der Interessenvereinigung Frechener Unternehmen (IFU), in der rund 180 Unternehmen zusammen geschlossen sind, an Ingo Arlinghaus übergeben. Der 55-Jährige leitet seit 2012 die Niederlassung der Noweda Apothekergenossenschaft mit 300 Mitarbeitern und 150 Auslieferkräfte von Subunternehmern in Frechen. Mit den neuen und alten IFU-Vorsitzenden sprach Alexa Jansen über die aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen in Frechen, die Zukunftspläne und Wünsche der IFU.
Wie wollen Sie Ihr neues Amt gestalten?
Ingo Arlinghaus: Ich bin bereits seit 2018 im Beirat der IFU tätig. Ich will uns mit Intensität voranbringen, bei uns sind knapp 180 Unternehmen Mitglied - vom jungen Ein-Mann-Start-Up bis hin zu international tätigen Großkonzernen mit mehreren Hundert Mitarbeitern. Ich möchte das Ehrenamt auf die Schultern mehrerer Vorstandskollegen verteilen. Mit meinem Stellvertreter Francesco Calio und Schatzmeister Marc-Steffen Bonte möchte ich mich abstimmen und austauschen.
Welche Ziele verfolgen Sie mit der IFU?
Ingo Arlinghaus: Primär geht es um die Ansiedlung neuer Unternehmen und die Förderung bereits angesiedelter Unternehmen. Man muss auf eine Stadt von oben schauen, sie ganzheitlich sehen, das ist komplex. Wenn sich mehr Unternehmen ansiedeln, werden mehr Steuern gezahlt, das ist wichtig für ein Kommune - das ist ein Zirkelschluss.
Welche Herausforderungen sehen Sie für die Stadt Frechen?
Ingo Arlinghaus: Zunächst muss die Innenstadt wieder attraktiver werden, dafür haben wir den Arbeitskreis Innenstadt innerhalb der IFU. Der Leerstand muss beseitigt werden. Die Herausforderung ist, Menschen hier zu halten und neue Menschen dazuzugewinnen.Zudem muss Wohnraum geschaffen werden, sowohl sozialer Wohnungsbau, aber auch Wohnraum, mit dem Geld verdient werden kann. Wir brauchen Wohnraum, um attraktive Arbeitgeber und -nehmer nach Frechen holen zu können. Besonders Führungskräfte haben heute den Wunsch auf ansprechenden Wohnraum, sonst gehen sie woanders hin, es gibt ja aktuell einen Arbeitnehmermarkt. Zudem sind auch ausreichende, gute und funktionierende Schulen wichtig, um Menschen hierherzuziehen.
Und für die Unternehmen in Frechen?
Ingo Arlinghaus: Die Herausforderungen durch den demografischen Wandel und vor allem auch der Fach- und Arbeitskräftemangel beschäftigt die Unternehmen sehr. Bei Noweda haben wir erfolgreich das Projekt„ Mitarbeiter werben Mitarbeiter“ initiiert. Bei uns kommt es öfters vor, dass drei Generationen einer Familie im Unternehmen arbeiten. Zudem sind viele seit ihrer Ausbildung bei uns geblieben - wie ich ja auch.
Welche Tipps haben Sie für Ihren Nachfolger?
Jürgen Höser: Er soll auf Teamarbeit setzen, aufgrund der Vielzahl der Aufgaben und Herausforderungen ist dies das Gebot der Stunde. Die Akzeptanz der IFU bei Politik, Wirtschaft und bei den Mitgliedern sollte weiter gestärkt werden. Die Aufgaben sind vielfältig, man muss oft präsent sein, beispielsweise bei der IHK, beim Wirtschaftsclub Köln, bei den Parteien. Man braucht vielfältige Kontakte, um unsere Interessen zu vertreten, und um eine Vielzahl wichtiger Informationen für unsere Unternehmen zu sammeln. Das lässt sich nicht vom Schreibtisch aus machen. Man muss immer eine Vielzahl von Gesprächen führen.
Was bewerten Sie im Rückblick auf Ihre Tätigkeit als eine positive Entwicklung?
Jürgen Höser: Wir haben die Ausbildungsbörse im Stadtsaal etablieren können. Zudem haben wir eine sehr erfolgreiche, zweitägige Jobvermittlungsbörse organisiert, als das Kaufhof Zentrallager an der Bonnstraße geschlossen wurde. Auch die Entwicklung des Neobelquartiers sehe ich als sehr positiv an.
Und gibt es auch Negatives?
Jürgen Höser: Die Ablehnung der Ansiedlung der KVB sehe ich als Fehler. Das Argument mangelnder Gewerbesteuer hätte man eventuell durch Subventionen entkräften können. Ich betrachte es als etwas unglücklich, dass nicht versucht wurde, die Ansiedlung zu ermöglichen und die fehlenden Einnahmen von Gewerbesteuern durch einen wie auch immer gearteten Zuschuss zu kompensieren. Auch auf dem Logicor-Gelände (ehemals Kaufhof an der Bonnstraße) sehe ich eine verpasste Chance bei der Ansiedlung des Sanitärgroßunternehmens Richter & Frenzel.
Was wünschen Sie sich für zukünftige Ansiedlungsverhandlungen?
Ingo Arlinghaus: Bei einer Ansiedlung kann man nicht mit dem Kopf durch die Wand. Es muss abgewogen werden, was die Stadt, was das Unternehmen will. Man muss so lange Gespräche führen, bis es für beide Seiten passt. Die Stadt hat die Aufgabe und die Verpflichtung, Gewerbegrundstücke sinnvoll zu entwickeln. Und mit diesem Wissen wäre manchmal etwas mehr Geschwindigkeit wünschenswert. Aufgabe der IFU ist auch, zu erreichen, dass bei Stadt und Unternehmen mehr Kompromissbereitschaft entsteht.
Jürgen Höser: Stadt und Unternehmen sollten da, wo ein Ermessen möglich ist, es auch ausüben. Die Chancen, die bestehen, wie auf dem Logicor-Gelände und beim Rhenania-Quartier sollten zugunsten der Stadt genutzt werden. Sich ergebende Chancen müssen genutzt werden. Kompromisse zwischen wirtschaftlichen Handeln und langfristigen Vorteilen für die Stadt müssen gefunden werden.
Was wünschen Sie sich sonst für Frechen?
Jürgen Höser: Frechen braucht unbedingt den Vollanschluss der Bonnstraße an die Autobahn A4, wenn sich weitere Unternehmen ansiedeln wollen und die Stadt weiter wachsen will. Die Belastung der Verkehrssituation ist heute schon grenzwertig, es ist zwingend, dass das kommt. Seit der Einrichtung des Teilanschlusses aus Anlass der Fußballweltmeisterschaft im Jahr 2006 warten die Unternehmen und viele Pendler in Frechen auf ihn. Für die IFU ist er seit Jahren ein zentrales Anliegen. Aber ich bin optimistisch, dass es klappt.
Wie sieht in Zukunft Ihre Tätigkeit bei der IFU aus?
Jürgen Höser: Ich bleibe weiter aktiv, soweit gewünscht und die Zeit und die Gesundheit es zulassen. Ich bleibe in den Arbeitskreisen Verkehr und Innenstadt. Die Schlagkraft der IFU muss weiter erhöht werden. Man darf nicht aufgeben, man muss sich immer wieder engagieren.
Unter welches Motto stellen Sie Ihre Amtszeit?
Ingo Arlinghaus: Ein ehemaliger Vorstandvorsitzender von mir hat es immer auf den Punkt gebracht: Optimismus ist Pflicht.
Ingo Arlinghaus (55) ist seit 35 Jahren bei dem pharmazeutischen Großhandelsunternehmen Noweda. Nach seiner kaufmännischen Ausbildung in dem Unternehmen, seinem Studium und verschiedenen Stationen im In- und Ausland ist er seit 2012 Niederlassungsleiter in Frechen. Er wurde in Münster geboren, hat zwei Töchter und einen Sohn und wohnt mit seiner Familie in Königsdorf. Als Hobby nennt er Sport, besonders Skifahren, Laufen und Radfahren.
Prof. Dr. Jürgen Höser (71) ist als Honorarprofessor für Arbeits- und Wirtschaftsrecht an der Rheinischen Hochschule Köln und Fachanwalt für Arbeitsrecht auch weiterhin beruflich beratend aktiv. Er vertritt zurzeit im Rahmen einer Gesetzesänderung in mehreren Gremien die Interessen der mehr als 100 privaten (Fach-)Hochschulen, nimmt für die Hochschulen an Ausschuss-Sitzungen im Bundesarbeitsministerium in Berlin oder im Wissenschaftsministerium in Düsseldorf teil. Er wohnt mit seiner Familie in Frechen-Bachem und wurde nach seinem Rücktritt zum Ehren-Vorsitzenden der IFU ernannt.