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InterviewSie arbeiten da, wo in Frechen die Post abgeht

Lesezeit 6 Minuten
Das Bild zeigt Andreas Crott (r.), der 16 Jahre als Abteilungsleiter des XXL-Briefzentrums Frechen gearbeitet hat und nun in den Ruhestand geht. Daniel Hofmann wird sein Nachfolger.

Andreas Crott (r.) hat 16 Jahre lang als Abteilungsleiter des XXL-Briefzentrums Frechen gearbeitet, nach 43 Jahren im Unternehmen verabschiedet er sich in den Ruhestand. Daniel Hofmann wird sein Nachfolger.

Andreas Crott geht nach 16 Jahren als Abteilungsleiter des XXL-Briefzentrums Frechen in den Ruhestand und übergibt an Daniel Hofmann.

Was hat Ihnen an der Arbeit am besten gefallen?

Andreas Crott: Ich habe großes Glück gehabt. Ich habe zur richtigen Zeit angefangen und konnte auch schon in Aachen viel mitgestalten. Die Einführung der Briefzentren in den 90er-Jahren war ein echtes Highlight. Hier konnte ich Prozesse mit Mitarbeitern beeinflussen, es ist der Dreh- und Angelpunkte des ganzen Prozesses. Wir bewegen hier in Frechen rund 750 000 Sendungen pro Tag, die ganze Vielfältigkeit des Briefkonzeptes kommt hier zum Vorschein. Zudem hatte ich immer ein tolles Team, die Kombination aus Mensch und Maschine passt hier super zusammen. Ich konnte immer aus dem Büro in die Halle gehen und mit Menschen reden, diese Betriebsnähe war immer meine Welt. Und ich hatte immer prima Chefs, die viel Vertrauen in mich gesetzt haben. Das Unternehmen hat mich total gefördert, ich hatte am Anfang meiner Tätigkeit nie gedacht, dass ich das alles einmal schaffen und erreichen könnte. Es hat immer alles super gepasst.

Was waren Ihre schlimmsten Erfahrungen?

Andreas Crott: Da gibt es zwei Phasen. Der Entscheid für den Brexit 2016 war das Schlimmste, wir haben jeden Tag gebangt, ob die Engländer nicht doch in der EU bleiben wollen. Uns sind durch den Austritt viele Tausend Sendungen verloren gegangen, die vorher von Großbritannien aus zu uns kamen. Nun mussten wir sie an das Internationale Postzentrum in Frankfurt abgeben, Mitarbeiter sind versetzt oder befristete Arbeitsverträge nicht mehr verlängert worden. Auch die Corona-Zeit war sehr hart und eigentlich die größte Herausforderung. Wir waren tagelang mit den neuesten Vorgaben beschäftigt und mussten vor Ort die Leute motivieren, Homeoffice geht bei uns ja nicht. Alle sind sehr verantwortlich mit dem Thema umgegangen, wir mussten ja alle vor Ort arbeiten. Unsere Leute haben gut mitgemacht. Es hat viel Kraft gekostet, ich war oft sehr viele Stunden im Büro, bin kurz zum Schlafen nach Hause und dann wieder hierhergekommen, um die Mitarbeiter zu unterstützen.

Wie war Ihr Start in Frechen?

Daniel Hofmann: Ich habe bereits hier einmal hospitiert und bin nun schon seit 1. Juli vor Ort. Das ist toll, weil so kann ich noch von Andreas Crotts Erfahrung zehren. Die vier Wochen Einarbeitung sind ein Riesenvorteil, ich habe Zeit, alle und alles in Ruhe kennenzulernen. Ich durchlaufe alle Stationen, manches wie der Schichtbetrieb ist neu für mich. Um 1 Uhr nachts kann man hier in die Halle gehen und trifft Menschen, das ist toll und spannend. Wir arbeiten hier an sieben Tage die Woche, 24 Stunden lang, rund um die Uhr. Das muss ich neu kennenlernen. Und noch ein Vorteil: Früher musste ich nach Aachen pendeln. Jetzt bin ich von Hürth-Efferen in zehn Minuten im Büro, ich habe mich schon nach einem Jobrad umgesehen.

Welche Ziele verfolgen Sie?

Daniel Hofmann: Das Briefzentrum geht den Wandel mit, es wird technisch erweitert, die Digitalisierung schreitet voran. Mein größtes Ziel ist es, im Wandel alle gut mitzunehmen und die Implementierung neuer Maschinen schnellstmöglich umzusetzen. Ich möchte den Status des XXL-Briefzentrums in Frechen als eines der„größten und besten“ innerhalb der Postwelt erhalten. Mitarbeiter mitzunehmen, hat mir schon immer Spaß gemacht.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?

Daniel Hofmann: Es gibt allgemein weniger Briefe, dafür aber viel mehr kleinere Warensendungen, zum Beispiel bei Käufen und Verkäufen auf Plattformen. Der Wandel ist sehr stark. Vor drei Jahren wurden hier extra neue Sortiermaschinen installiert, die technischen Möglichkeiten sind groß. Auch die KI kann uns unterstützen, in einer Kombination mit den Menschen. Die Automatisierung steht immer mehr im Fokus.

Was geben Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg?

Andreas Crott: Er bekommt ein wirklich gutes Team, das kann und soll er weiter auf- und ausbauen. Ich wünsche ihm dafür ein glückliches Händchen. Er soll den Leuten zuhören, und wird auch einmal Entscheidungen treffen müssen, die nicht leicht sind. Am wichtigsten ist es, offen und ehrlich mit den Menschen umzugehen. Das, was jetzt an Neuerungen kommt, kann er begleiten und mitgestalten. Er wird einen guten Start in eine neue Welt haben. Ich mache auch darum den Platz frei und halte nicht fest. Es ist eine gute Chance und ein Glück für ihn, den Prozess des Wandels mitzugestalten.

Fällt Ihnen der Abschied schwer?

Andreas Crott: Man muss wissen, was wann für die Gesundheit wichtig ist, ich habe jeden Tag viele Stunden gearbeitet. Vieles kann man ja so und so nicht beeinflussen. Bei vielen persönlichen Abschiedsgesprächen bekomme ich momentan viel positives Feedback der Mitarbeiter, viele sagen, es seien gute Jahre mit mir gewesen oder meine Ratschläge seien richtig gewesen. Aber der Abschied tut weh. In stillen Stunden zu Hause muss man sich fragen, wie man das nun hinbekommt.

Was sind Ihre Pläne für den Ruhestand?

Andreas Crott: „Zunächst werde ich von zu Hause aus noch bis Ende des Jahres beratend für das Briefzentrum tätig sein und unterstützen, wo ich gebraucht werde. Man kann mich jederzeit anrufen. Ansonsten bin ich Vorsitzender des Bürgervereins meines Heimatortes und möchte mich in der örtlichen Politik engagieren. Das Aufrechterhalten der Dorfgemeinschaft und der Erhalt vieler schöner alter Gebäude liegt mir am Herzen. Es ärgert mich ungemein, wenn immer nur gemeckert, aber nichts selber angepackt wird. Ich bin auch noch im Lauf- und Schützenverein aktiv. Sicherlich werden meine Frau und ich auch reisen, am liebsten fahren wir nach Brandenburg an die Havel. Den Osten haben wir lieb gewonnen.


Andreas Crott ist seit 1981 bei der Deutschen Post tätig, nach Stationen in Aachen und Köln seit Juni 2008 als Abteilungsleiter des XXL-Briefzentrums Frechen, in dem täglich rund 750 000 Sendungen bearbeitet werden. Der 65-Jährige geht nach 16 Jahren in Frechen und mehr als 43 Jahren bei der Deutschen Post zum 31. Juli in den Ruhestand. Er ist Vater zweier erwachsener Kinder und lebt mit seiner Familie in Langerwehe. Sein Nachfolger Daniel Hofmann ist 33 Jahre alt und seit 2018 im Unternehmen, wo er nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre als Trainee gestartet ist. Der in Köln aufgewachsene Vater eines dreijährigen Sohnes lebt mit seiner Familie in Hürth-Efferen. Er übernimmt zum 1. August die Aufgaben von Andreas Crott.


Das Briefzentrum in Zahlen

Im Frühjahr 1997 ist das Verteilzentrum an der Europaallee in Betreib gegangen. Zum 25-jährigen Bestehen im Juni 2022 teilte die Deutsche Post mit, dass dort bereits rund 17 Milliarden Sendungen bearbeitet worden seien. An Werktagen werden rund 750 000 Sendungen täglich im Briefzentrum Frechen bearbeitet, alle Briefe und Kleinwarensendungen, die aus der Postleitregion 50 versandt werden oder für sie bestimmt sind, passieren den Standort. In Spitzenzeiten wie Weihnachten erhöht sich diese Zahl bis auf rund 1,1 Millionen. Auch Briefwahlen erhöhen das Aufkommen der Sendungen erheblich. Insgesamt 500 Mitarbeitende sind im Briefzentrum Frechen beschäftigt. Gearbeitet wird an sieben Tagen in der Woche, rund um die Uhr im Drei-Schichtbetrieb. Der Standort Frechen ist eines von neun XXL-Briefzentren in Deutschland. Die Halle des Briefzentrums ist 315 Meter lang und 78 Meter breit, sie misst 24 570 Quadratmeter. (aj)