Für unsere Adventserie berichtet die Biersommelierin Julia Trunz vom Alten Bahnhof Frechen über das Handwerk der Braukunst und ihren Familienbetrieb.
Traditionelles HandwerkIm Alten Bahnhof in Frechen werden 90.000 Liter Bier im Jahr gebraut
Jeden Mittwoch um 6 Uhr morgens hat die Familie Trunz, Inhaber und Betreiber des Alten Bahnhof Frechen, einen festen Termin: Ihr Braumeister Rolf Oster startet dann in ihrer betriebseigenen Brauerei die Bier-Produktion. Bis 21 Uhr dreht sich an diesem Tag alles um Malz, Hopfen und Hefe, um die Sud- und Gärtanks, um Temperaturen und Filterung. Heraus kommt der obergärige, naturtrübe „Lokstoff“, das Kölsch-Äquivalent „Finchen“ sowie einmal im Monat ein saisonal passendes Spezialbier. Rund 90.000 Liter werden im Jahr in dem Frechener Betrieb an der Kölner Straße gebraut.
Frechen: Zehn Monate lang den verfallenen Bahnhof kernsaniert
„Wir brauen das Bier für unseren eigenen Ausschank“, berichtet Julia Trunz. Gemeinsam mit ihrem Mann Ralph, dessen Bruder Thomas und Schwägerin Eva hat sie 2011 den heruntergekommenen Bahnhof an der Kölner Straße gekauft und innerhalb von zehn Monaten kernsaniert. 2012 eröffneten die Vier dann die Brauerei, das Restaurant mit rund 170 Plätzen und einen großen Biergarten mit bis zu 200 Plätzen. Zum Angebot gehören auch Bierverkostungen, Brauereiführungen und Brauseminare.
„Eva und ich haben in eine Bierdynastie eingeheiratet“, erklärt die 55-jährige Diplombiologin, die 2019 eine Ausbildung als Biersommeliere absolvierte. Schon ihr Schwiegervater Peter Trunz war Brauer und Gastronom, er verwendete wiederum ein Rezept seines Schwiegervaters, das noch heute die Grundlage der Produktion im Alten Bahnhof ist.
Erinnerungen an die historische Vorstadtbahn „Finchen“
Die zwei Biersorten werden an den je 14 Stunden dauernden Brautagen hergestellt: Der „Lokstoff“, aus dem die Bierhefe nicht heraus gefiltert ist. Wird die Hefe im nächsten Schritt herausgefiltert, entsteht in Anlehnung an das Kölsch das Bier „Finchen“. Der Name ist eine Reminiszenz an die historische Vorstadtbahn Line F, die Frechen mit Köln verband und auch entlang der Hauptstraße fuhr.
Auch Besucher des jährlichen Musikfestivals, das in Grefrath an der Trafostation 61 stattfindet, kommen in den Genuss der Bierkreationen aus dem Hause Trunz. In Fässern wird die Edition „Rokstoff“ geliefert, die exklusiv für die Musikfans gebraut wird.
Aktuell wird als monatliches Spezialbier das Klosterbier angeboten. Für Januar ist wieder ein Winterbier geplant, dessen spezielle Zutaten noch nicht verraten werden sollen. „Im vergangenen Jahr hieß es Polaris und schmeckte nach Gletschereisbonbons“, so Julia Trunz, „wichtig ist, dass es Kehle und Seele wärmt“.
In alten Höhlen suchen Hefejäger spezielle Hefepilze
Die Tradition und Historie des Brauhandwerks fasziniert die Gastronomin besonders. Zu jeder Hochzeit hätte sich im Mittelalter auch ein Braukessel in der Mitgift befunden, da das Bierbrauen damals Frauensache gewesen sei. Gab es besonders leckere Ergebnisse, sei zu Bierkränzchen eingeladen worden - eine gesellige Zusammenkunft wie die heutigen Kaffeekränzchen. Auch aktuelle Neuigkeiten, wie die Hefejäger, die in alten Höhlen auf der Suche nach speziellen Hefepilzen unterwegs seien, machten das Brauereiwesen so interessant.
Und noch etwas ist für die Brauerin aus Leidenschaft wichtig: „Ich trinke gar keinen Wein mehr, auch Bier passt ganz toll zu vielen Lebensmitteln, auch wenn man es nicht direkt denkt.“ Sie empfiehlt unter anderem die Paarungen Bier und Schokolade oder Bier und Käse.
Der Zusammenhalt in der Bierbranche sei zudem ein besonderer, die Vernetzung mit netten Kollegen wichtig, um die Frechener Biersorten überregional bekannt zu machen. Und auch für die Zukunft gibt es schon Pläne: „Wir sind in Überlegungen für Kooperationen für ein alkoholfreies Bier“, stellt Julia Trunz in Aussicht.
Am Donnerstag, 5. Dezember, stellen wir einen Hufschmied vor.