AboAbonnieren

„Ich töte dich“Wie Frauenhäuser helfen können – Eine ehemalige Bewohnerin aus Rhein-Erft berichtet

Lesezeit 5 Minuten
Eine Frau sitzt in einem Frauenhaus auf einem Bett.

In Frauenhäusern suchen viele Frauen Schutz, auch im Rhein-Erft-Kreis. (Symbolbild)

Eine junge Frau aus Afghanistan ertrug die Gewalt ihres Mannes lange, Hilfe fand sie schließlich im Frauenhaus des Rhein-Erft-Kreises.

Einmal war es so schlimm, dass ihr eine Stunde lang das Blut aus Mund und Nase lief. Ein anderes Mal brach ihr Mann ihr die Hand, als er nach ihr trat. Im Frauenhaus fand sie schließlich Schutz und Hilfe. 2015 kam die damals 24-Jährige mit Mann und Baby aus Afghanistan nach Deutschland. Ihr Mann entschied. „Er wollte hier hin, ich wollte nicht“, beteuert die ehemalige Frauenhaus-Bewohnerin.

Zunächst lebten sie eine Zeit in einem Camp, dann in einer Großstadt. Doch in Deutschland war es für ihren Mann ein leichtes, an Drogen und Alkohol zu kommen. Mit den Drogen und dem Alkoholkonsum entwickelten sich die Anfänge einer Schizophrenie. Eine schwere psychische Erkrankung, die sein Denken stark beeinträchtigte. Er beschuldigte sie, ihm Gift ins Essen zu mischen. „Ich nehme deine Kinder, und ich töte dich“, habe er ihr angedroht.

Ich wollte nur weg mit meinen Kindern
Ehemalige Bewohnerin des Frauenhauses im Rhein-Erft-Kreis

Sie habe so große Angst gehabt. „Ich wollte nur weg mit meinen Kindern“, sagt die heute 32-Jährige. Doch wie? Wenn er das Haus verließ, etwa um ins Fitnessstudio zu gehen, nahm er ihr Handy mit. Ihre Familie war weit weg in Afghanistan. Freunde oder Bekannte hatte sie damals nicht, das verbot ihr Mann. „Wir waren immer allein zu Hause.“

Erinnerungen an die erste Nacht im Frauenhaus

Als er wieder einmal zum Sport ging, fasste sie sich ein Herz. Sie bat ihre Nachbarin um Hilfe, die direkt die Polizei rief. Sie packte alle Kleider und den Schulranzen ihres Älteren ein, „das war das Wichtigste für mich“. Was die Mutter damals nicht wusste: Es gibt Frauenhäuser, die in Situationen wie ihrer helfen.

An die erste Nacht erinnert sie sich noch genau: Es war warm, groß und sie haben Müsli gegessen. Das sei gut für sie gewesen. „Meine Kinder dachten, das wäre ein Urlaub, sie hatten vorher noch keinen“, sagt sie lächelnd.

Später kamen die Frau und ihre Kinder ins Frauenhaus im Rhein-Erft-Kreis. „Sie haben mir mit den Papieren geholfen, den Kindern, Schule, Arztterminen. Sie haben so viel geholfen.“ Margot Ernzerhof vom Vorstand sei in dieser Zeit wie eine Mutter für sie gewesen.

Ehemalige Bewohnerin hilft nun selbst anderen Frauen

Auch wenn sie heute nicht mehr dort wohnt, ist ihr die Hilfe immer noch sicher. Und auch sie selbst hat schon zweimal anderen Frauen geholfen, etwa beim Übersetzen. Einen Deutschkursus hatte ihr Mann ihr verboten. Nun hat sie ihr Zertifikat B1. Auch den Führerschein möchte sie machen und in den nächsten Jahren eine Ausbildung zur Physiotherapeutin.

Mittlerweile ist sie gern in Deutschland. Denn in ihrem Heimatland hätten Frauen keine Rechte. Männer könnten ihnen die Kinder wegnehmen.

Anderen Frauen einen Rat zu geben, fällt ihr schwer. „Die Frauen können nichts machen, außer in Frauenhäusern anrufen, weggehen und sich vom Mann trennen.“ Auch ihr selbst steht noch eine Hürde bevor, das Sorgerecht für ihre Kinder. Und es war für sie lange Zeit sehr schwer, sie konnte nicht essen. Im Frauenhaus bot man ihr eine Therapie an. Da hat sie aber ihren ganz eigenen Weg gefunden. „Eine Wohnung zu finden, war wie Therapie“, versichert sie. Es sei jedoch sehr stressig gewesen.

Wohnungsknappheit verschärft die Situation im Rhein-Erft-Kreis

Insgesamt waren sie und ihre Kinder fast zehn Monate im Frauenhaus. Eine Situation, die für die Frauen auf Dauer anstrengend wird. Das liege nicht an den Mitarbeiterinnen oder am Haus, das sei sauber und gemütlich, und es gebe Regeln, sagt die 32-Jährige. Aber: „Es kommen neue Frauen mit anderen Kulturen und Geschichten.“

Dem stimmt Janin Harig vom Vorstand des Frauenhauses Rhein-Erft-Kreis zu. Es gebe unterschiedliche Vorstellungen von Sauberkeit und Kindererziehung. Im Durchschnitt lebten die Frauen etwa drei bis sechs Monate dort. Der knappe Wohnungsmarkt verschlimmert die Lage.

„Frauen, die fertig sind, belegen Notfallplätze, und das ist nicht ihr Verschulden“, sagt Harig. Dazu kämen Zugangshürden wie Tagessätze in manchen Häusern. Es gehe nur, wenn der Bund Verantwortung übernehme. „Schutz und Sicherheit haben oberste Priorität.“

Um die Situation zu verbessern, wandten sich Petra Dünnwald und Markus Dünnwald-Kemper in einem Schreiben an Landrat Frank Rock. Das Ehepaar regt ein zweites Frauenhaus an. Darüber soll jetzt im Kreisausschuss gesprochen werden.

Dünnwald ist unter anderem Co-Vorsitzende des Frauenbeirats in Erftstadt und hat selbst unter häuslicher Gewalt gelitten. Dünnwald-Kemper hat sowohl mit Opfern als auch mit Tätern gearbeitet und weiß, wie unbefriedigend die Situation bei Opferschutzeinrichtungen sei. Das Ehepaar will daran etwas ändern und mithelfen, die Lage der Frauen zu verbessern.


Aktionen und Hilfetelefon

Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen haben auch einige Städte im Kreis heute Aktionen geplant. Einiges hat auch bereits während Aktionswochen stattgefunden. In Frechen wurde etwa Montag die Fahne „Wir sagen NEIN! zu Gewalt gegen Frauen“ gehisst.

In Wesseling ist heute von 9 bis 18 Uhr die Installation „Broken/Unbroken“ des Wesselinger Künstlers Dennis Josef Meseg auf dem Rathausplatz zu sehen sein, 222 orangene Schaufensterpuppen, die symbolisch jede eine andere Form massiver Gewalt am Frauen anprangern. Dazu laden die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, Nicole Buch, und der Runde Tisch Wesseling für Frauen ein. Um 15 Uhr begrüßen die Akteure und Bürgermeister Ralph Manzke die Gäste im Neuen Rathaus.

In Erftstadt wird die Fahne des Vereins Gleichberechtigung und Vernetzung am Liblarer Rathaus gehisst und das Gebäude der Fahrradabstellanlage am Bahnhof zum „Orange Day“ in oranges Licht getaucht. Zudem wird um 15 Uhr die erste „Outdoor“ Rote Bank auf dem Vorplatz der Kirche St. Alban in Liblar mit Bürgermeisterin Carolin Weitzel, Kirchengemeinde, Politik, Frauenbeirat und Gästen eingeweiht.

Die REVG ruft Fahrgäste über Bildschirme dazu auf, sich gegen Gewalt an Frauen einzusetzen. Digitalisierte Plakate des Hilfetelefons informieren. Das Hilfetelefon ist unter 116/016 rund um die Uhr, kostenfrei, anonym und in 18 Fremdsprachen erreichbar. (eva)