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Familie OverlackBesitzer öffnen Tore von Schloss Gymnich

Lesezeit 5 Minuten

Katharina und Gerd Overlack gehören nun auch zur Geschichte des Schlosses.

Erftstadt – Im Spiegeltisch spiegeln sich die Ahnengemälde derer zu Gymnich. Fotografien, auf der Fensterbank abgelegt, zeigen Staatsgäste der Bundesrepublik, sitzend an diesem Tisch. Nun haben Katharina und Gerd Overlack Platz genommen an dem berühmten Möbelstück. Vier Jahre voller Arbeit stehen ihnen bevor. Doch die neuen Besitzer des Schlosses Gymnich strahlen Ruhe und Gelassenheit aus – und Vorfreude.

Vor rund zwei Monaten. Zwangsversteigerung. Besitzer Joey Kelly ist da. Eine schweizer Firma bietet lange mit. Doch bei 3,05 Millionen Euro ist Schluss. Zum Ersten, zum Zweiten zum Dritten. Der Zuschlag geht an das Ehepaar Overlack.

Nun steht ihr Auto in der Auffahrt des Schlosses. Gerade haben sich die Mitarbeiter der Unteren Denkmalbehörde verabschiedet. Eine erste Bestandsaufnahme. Schnelles Handeln tut not. Es ist nicht an allen Ecken und Kanten zum Besten um Schloss Gymnich bestellt. In den vergangenen drei Jahren war das Gebäude unbewohnt. Da wurde kaum Hand angelegt. Auch davor geschah zu wenig.

„Wir müssen jetzt vor allem an zwei Stellen schnell handeln“, sagt Gerd Overlack. „Am Bach- und Wassergrabensystem und am Dach.“ Schloss Gymnich ist auf Eichenpfählen gegründet. Liegen die nicht vollständig im Wasser, kommt also Sauerstoff ans Holz, ist die Standsicherheit des Schlosses in Gefahr. „In den vergangenen Jahrzehnten hat sich der Wasserspiegel gesenkt“, sagt Gerd Overlack. Nun pressiert’s.

Das Dach. Feuchtigkeit ist eingetreten. Die Holzkonstruktion fault. Katharina Overlack zeichnet einen fußballgroßen Kreis in die Luft. „So große Löcher sind da drin.“ Nun hoffen die neuen Besitzer darauf, dass die Denkmalbehörde schnell die Baugenehmigungen erteilt. „Generell wird es wohl bis zum Frühjahr dauern. Aber vielleicht können wir diese beiden Arbeiten vorziehen.“

„Haben Sie mit diesem Zustand gerechnet?“ Katharina Overlack lacht. „Was das Dach betrifft nicht. Aber wir haben uns das Schloss natürlich vor dem Kauf angeschaut. Und im Vergleich zu dem Zustand von Schloss Eberstein ist Schloss Gymnich nahezu bezugsfertig.“ Schloss Eberstein im Landkreis Rastatt, in Baden-Württemberg. Im Jahr 2000 kauften Overlacks das historische Gebäude. Heute beherbergt es ein Sterne-Restaurant und ein Vier-Sterne-Hotel. Eberstein ist Vorbild für Gymnich.

„Wir haben noch keine fertigen Pläne. In diesem Stadium sind wir noch nicht. Aber wir haben Ideen, und nun müssen wir Schritt für Schritt schauen, ob sie umsetzbar sind“, sagt Gerd Overlack. In Schloss Gymnich wieder einen Hotel- und Gastronomiebetrieb zu etablieren, das läge geradezu auf der Hand. Gerd Overlack erläutert auf einem Rundgang, wie er das meint.

Die Küche. Das Edelstahlinterieur sieht gepflegt aus. „In ein denkmalgeschütztes Gebäude eine Küche einzubauen, das ist kein leichtes Unterfangen“, sagt Gerd Overlack. In Schloss Gymnich ist alles schon da. „Nur den Herd müssen wir austauschen. Mit Gas kocht man heute nicht mehr.“ Er geht in den „Roten Salon“. „Hier wollen wir ein Gourmetrestaurant einrichten.“ Geld verdienen könne man damit nicht. „Aber das ist wichtig für den Ruf.“ Gerd Overlack kommt an dem Treppenabgang zur Schlossschenke vorbei. „Die wird es wohl nicht mehr geben“, sagt er. „Wir planen mit einer Außengastronomie.“ Gutbürgerlich. Gut für die Bilanz.

Die Zimmer. Vor allem in den Suiten finden Katharina und Gerd Overlack die Grundsubstanz nicht schlecht. Aber sie wollen sie an den heutigen Standard anpassen – vor allem die Badezimmer. Gerd Overlack tritt an ein Fenster. „Ist der Ausblick nicht fantastisch?“ Sein Blick senkt sich. Er schaut auf die Lüftungsschlitze einer Heizkörperummantelung. Ein Sorgenkind. „Nachtspeicherheizung. Was wir damit machen sollen, weiß ich, ehrlich gesagt, noch nicht. Für das Heizungssystem brauchen wir einen Ingenieur. Einen, der sich mit allen Formen moderner Heizungstechnik auskennt.“

Zerknirscht wirkt der neue Besitzer nicht, wenn er auf solche technischen Herausforderungen zu sprechen kommt. Im Gegenteil. Ein Lächeln geht über Gerd Overlacks Gesicht. Vorfreude. Seine Motivation: „Welches Haus kann schon mit so einer Geschichte aufwarten?“ „Alles, was Tradition hat, liegt uns sehr am Herzen“, ergänzt Katharina Overlack. Sie sagt es nicht zuletzt im Hinblick auf den Gymnicher Ritt. Die Reliquie zu dieser größten Reiterprozession im Rheinland – ein Partikel aus dem Kreuz Jesu Christi – wird wohl wieder nach alter Tradition im Schloss übergeben.

Investitionen von bis zu zehn Millionen Euro

 Gerd Overlack schaut wieder aus dem Fenster in den Schlosspark. Der Anblick ist schön, aber mit ihm tritt eine zweite große Sorge vor seine Augen. 2006 wurde am Rande eines Weihnachtsmarktes ein Kind von einem herunterstürzenden Ast in diesem Park erschlagen. Der einstige Geschäftsführer der Schlossverwaltung wurde dafür zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. „Wir haben von dieser Tragödie erst nach dem Kauf erfahren.“ Das habe seine Herangehensweise an den Park verändert. Ob er jemals wieder für die Öffentlichkeit zugänglich sein wird, zum jetzigen Zeitpunkt könne er das nicht sagen. Es ist das einzige Mal, das Gerd Overlack keinen optimistischen Elan ausstrahlt. Ein kaputtes Dach, ein veraltetes Heizungssystem, ein abgesenkter Wasserspiegel im Burggraben – das alles kann mit Handwerkskunst, Zeit und Geld behoben werden. „Doch nach dem tragischen Tod des Kindes kann der Schlosspark wohl nicht mehr so unbefangen betreten werden wie einst“, sagt Overlack.

Die Zukunft wird es weisen. Katharina und Gerd Overlack haben Zeit für die Entscheidung über den Schlosspark. „Wenn alles sehr schnell funktioniert, können wir vielleicht in vier Jahren eröffnen“, sagen die neuen Besitzer. Zum jetzigen Zeitpunkt eine Investitionssumme zu nennen, sei fast unmöglich. „Doch zwischen fünf und zehn Millionen Euro wird sie wohl liegen“, sagt Gerd Overlack. Und wenn dann alles geschafft sei, das Schloss wieder hergestellt, ein Betreiber gefunden sei, dann könnten sie ihr ganz privates Projekt angehen. „Dann wollen wir die Stallungen für uns herrichten und dort einziehen“, sagen Katharina und Gerd Overlack.