Bevor die Kiesgrube bei Erp erweitert wird, waren wieder die Archäologen vor Ort. Sie fanden uralte Zeugnisse menschlicher Siedlungsgeschichte.
SiedlungsgeschichteFunde an der Kiesgrube in Erftstadt-Erp geben Archäologen Rätsel auf
Die Archäologen kamen aus dem Staunen nicht heraus, als sie abermals in den Bodenschichten vor den Toren von Erp uralte Zeugnisse menschlicher Siedlungsgeschichte ans Tageslicht brachten. Nun ist die inzwischen sechste Grabung abgeschlossen, die Funde stammen aus der neuesten Erweiterungsfläche der Kiesgrube, die das Unternehmen Rhiem & Sohn betreibt.
In dem Grabungsfeld gab es sehr viele Artefakte, alles wurde sorgfältig zusammengetragen und beschriftet von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Amtes für Bodendenkmalpflege des Landschaftsverbands Rheinland. Hunderte kleine und kleinste Teile, ganz überwiegend Überreste von Urnen- und anderen Tongefäßen, werden nun im Magazinraum der LVR-Stelle in Nideggen-Wollersheim gelagert.
Die Leiterin der Außenstelle, Dr. Petra Tutlies, zeigt sich begeistert über die Entdeckungen aus der Kiesgrube. „Die Befunde sind ganz besonders interessante Beispiele für die Entwicklung der Menschen von der späten Bronze- bis zur Eisenzeit im Rheinland, also etwa 1100 bis 500 vor Christus“, erläutert die Fachfrau.
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Warum aber gibt es so viele Funde nahe Erp? Das Areal lag nach Überzeugung der Archäologin an einer Art Verkehrsknotenpunkt der frühen Siedlungszeit. Auf der Reise von Süd nach Nord und von West nach Ost und umgekehrt kamen hier viele Menschen, vor allem auch zahlreiche Händler, vorbei. Noch immer sind hier Spuren eines Weges zu finden.
„Viele von ihnen waren in dieser Zeit naturbelassener Wege, die für Forscher oftmals schwer erkennbar sind“, berichtet Petra Tutlies. Mögliche Wegetrassen ließen sich nur mehr erahnen. Es habe sich nicht um bauliche Straßenkörper gehandelt, wie man sich das im Vergleich mit der heutigen Zeit etwa vorstellen würde. Immer wieder legte das Team der Archäologen im Grabungsgebiet auch Gräber frei.
„Manche Bestattungsorte liegen wie an einer Schnur aufgereiht nebeneinander. Es könnte ein Hinweis auf eine Wegeführung sein“, hält die Forscherin für möglich. Eine gesicherte Erkenntnis sei dies allerdings nicht. Bei Grabungen müsse das Erdreich etwa einen halben Meter abgetragen werden, und durch langjährige Bodenerosion verändere sich das Höhenniveau des Bodens.
„Unsere frühen Vorfahren lebten in einer Landschaft, die sich anders zeigte als heute. Mit Flussniederungen und Hügeln“, erläutert die Außenstellenleiterin. „Überaus ungewöhnlich ist die Entdeckung, dass Siedlungs- und Speichergruben sich mitten im Gräberfeld befanden“, sagt Tutlies.
Bei den Speichergruben, bis zu 1,20 Meter tief und zylinderförmig ausgestaltet, wurden bis zu 15 Hektoliter Getreide oder Saatgut eingelagert – als Vorrat, wie auch als Handelsmasse für vorbeiziehende Käufer. Die Weizenart Emma, Hirse, Leindotter für Ölgewinnung, später auch Dinkel und Gerste wurden in den Gruben bevorratet.
„Der Lössboden ist so fest, dass die Speicher nicht an ihren Seiten verstärkt werden mussten“, erläutert die Expertin für Bodendenkmalpflege. Beim Abtragen der Erdschicht im Grabungsgebiet lassen sich in einer Art Querschnitt anhand der Verfärbungen im Boden noch sehr gut die Ausmaße der Gruben erkennen. Wie aber erklären sich Vorratsgruben mitten im Gräberfeld? „Das ist erstaunlich rücksichtslos gegenüber der sakralen Stätte.
So etwas haben wir Archäologen bislang im Rheinland so noch nicht gesehen. Im 4,5 Hektar großen Grabungsgebiet wurden 53 Speichergruben entdeckt.“ Und was passierte mit den Gruben, wenn sie nicht mehr genutzt wurden? Tutlies Antwort: Sie dienten schlichtweg als Müllbehälter. Genauso selten entdecken Archäologen kreisrund angelegte Grabhügel wie die in Erp.
Grabhügel sind erstaunlich groß
Einer misst sogar 22 Meter im Durchmesser. Das sei schon eine erstaunliche Größe, meint die Expertin. Inzwischen habe die Archäologie eine weitere Tür der Forschungsmöglichkeit aufgestoßen. Das menschliche Erbgut, die DNA, lasse sich mittlerweile auch aus verbrannten Knochen extrahieren, also möglicherweise auch aus dem Inhalt der Urnengefäße.
Die Bodendenkmalpflege hat laut Tutlies große Hoffnung, dass es gelingt, herauszufinden, ob es sich bei den beiden Gräberfeldern der jüngsten Ausgrabungen um ein und dieselbe Population oder verschiedene Völker handelt. Zur weiteren „Befundgattung“, so der Fachbegriff, zählen bei den Grabungen alte Flurgrenzen und Ackergräben mit unterschiedlicher geografischer Ausrichtung.
Kiesunternehmen muss nicht zahlen
Hunderte Artefakte sind im Bodendenkmalamt in Nideggen nun gelagert, allerdings nur vorübergehend. Die Fundstücke gehören dem Land Nordrhein-Westfalen. Noch. Denn alle Teile werden später ins Magazin des Rheinischen Landesmuseums nach Bonn verbracht zur endgültigen Aufbewahrung und gehen damit in den Besitz des Museums über.
Der Eigentümer des Grabungsfelds, das Unternehmen Rhiem und Sohn, wird schon länger nicht mehr für die Kosten der Ausgrabungen herangezogen, denn per Gesetz darf der Eigentümer nur bis zur Grenze des finanziell Zumutbaren belastet werden. Diese Grenze war laut Petra Tutlies bereits 2016 erreicht, seitdem werden die Kosten von der öffentlichen Hand übernommen. Grabungen, wie die in der Erper Kiesgrube, kosten sechsstellige Summen.