Die Erinnerungen an das Grauen der beiden Weltkriege: Mit dem Roman „Ginsterhöhe“ von Anna-Maria Caspari rückt das Eifel-Dörfchen Wollseifen ins Zentrum der Handlung.
„Ginsterhöhe“Erftstädter Autorin Anna-Maria Caspari präsentiert neuen Eifel-Roman
Bis heute stehen die letzten Häuser von Wollseifen auf der Dreiborner Höhe – zerschossen, zerstört, zerfallen. Oft pfeift ein rauer Wind durch die Ruinen. Doch dieser unwirtliche Ort war mal ein ganz normales Dorf, mit Bauernhöfen, einer Schmiede, einem Gasthof.
Zwei Weltkriege hatte es überstanden, vertrieben wurden die Bewohner erst im Frieden. Wüstung Wollseifen wird der Ort heute genannt. Dem Dorf und seinen Menschen hat Anna-Maria Caspari mit ihrem Roman „Ginsterhöhe“ ein Denkmal gesetzt.
Anna-Maria Caspari fragt sich, was der Verlust der Heimat mit Menschen macht
Anna-Maria Caspari ist das neue Pseudonym der Erftstädterin Theda Krohm-Linke. Die Übersetzerin hat unter dem Namen Maria Linke schon mehrere Romane veröffentlicht. „Himmel und Erde“ hieß der Vorgänger von „Ginsterhöhe“, und auch da ging es um Vertreibung – allerdings nicht durch eine feindliche Nation, sondern durch den Braunkohleabbau.
Es ist nicht nur die Faszination der „Lost Places“, der verlorenen Orte, die Caspari zu diesem Thema zieht. Sondern vor allem die Frage, was der Verlust der Heimat mit Menschen macht. Um dahinterzukommen, wie die Wollseifener den erzwungenen Abschied von ihrem Dorf erlebt haben, habe sie viel recherchiert, erzählt die Autorin.
Unter anderem habe sie lange Gespräche mit Christel Küpper geführt – die Wollseifenerin war gerade elf Jahre alt, als der Befehl kam, den Ort zu räumen. Der Zweite Weltkrieg war vorbei, die Einwohner hatten begonnen wiederaufzubauen, was bei den Angriffen der Alliierten zerbombt worden war. 1946 meldeten die Briten Ansprüche auf das Gelände an.
Drei Wochen hatten die Bewohner Zeit, die Ernte noch einzubringen und ihre Sachen zu packen. Ihre Heimat wurde zum Truppenübungsplatz. Caspari steigt früher in die Geschichte ein, 1919, mit der Heimkehr des Wollseifeners Albert, der im Schützengraben nicht nur seinen besten Freund, sondern auch sein halbes Gesicht verloren hat.
„Ginsterhöhe“ als Teil einer Trilogie weckt Erinnerungen an ersten Weltkrieg
Mit Albert durchleben der Leser und die Leserin die Erinnerungen an den Grauen des Ersten Weltkriegs, aber auch, wie das Leben langsam wieder normal wird. Und wie der Bau der Nazi-Ordensburg Vogelsang zunächst Wohlstand in das kleine Dorf bringt und später den Zweiten Weltkrieg.
Auf manche Facetten sei sie per Zufall gestoßen, erzählt Anna-Maria Caspari. So habe sie einen Artikel über einen jüdischen Arzt gelesen, der an der Berliner Charité nach dem Ersten Weltkrieg viele Opfer operiert und ihre schrecklich entstellten Gesichter rekonstruiert habe. „Den habe ich in meinem Roman nach Bonn verpflanzt“, sagt die Autorin. Denn die Figuren des Buchs seien fiktiv, bis auf Personen der Zeitgeschichte.
„Ginsterhöhe“ ist Teil einer Trilogie – die ungewöhnlicherweise mit dem Mittelteil beginnt. „Die Idee zur Trilogie ist mir erst gekommen, als das Buch schon fast fertig war“, erklärt Caspari die Reihenfolge. Im Spätsommer nächsten Jahres soll der Band erscheinen, der zeitlich vorgelagert ist. „Perlenbach“ spielt in Monschau und in Wollseifen, eine der Hauptfiguren ist Alberts Vater. Der dritte Band soll dann die Zeit von 1950 bis 1985 behandeln und in Köln und der Zülpicher Börde angesiedelt sein.
Anna-Maria Caspari liest am Donnerstag, 26. Januar, 19.30 Uhr, in der Lechenicher Buchhandlung Köhl, Bonner Straße 17, aus ihrem Roman. „Ginsterhöhe“ erscheint bei Ullstein.