Dagmar Andres (SPD) aus Erftstadt spricht über ihre Zeit im Bundestag und über ihre Pläne für die Zeit nach Berlin.
Dagmar Andres (SPD)„Nur weil man im Bundestag ist, kann man noch nicht über Wasser gehen“
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Dagmar Andres (SPD) aus Erftstadt kehrt Berlin den Rücken und verlässt den Bundestag nach einer Legislaturperiode.
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Der neue Bundestag ist gewählt, Dagmar Andres (SPD) aus Erftstadt wird ihm nicht mehr angehören. Die 55-Jährige scheidet nach einer Legislaturperiode auf eigenen Wunsch aus der Bundespolitik aus. Sie führt private und gesundheitliche Gründe an. Dennis Vlaminck sprach mit ihr.
Beim Blick auf die aufwühlenden welt- und bundespolitischen Geschehnisse: Bedauern Sie es, dem neuen Bundestag nicht mehr anzugehören?
Nein. Der sachlichen Arbeit als solcher habe ich mich mit großer Freude gewidmet. Die Zeit, die man allerdings für (meist sehr unverschämte) Anfragen, Massenmails, das Entgegennehmen von Beleidigungen, Beschimpfungen und Bedrohungen und für das „Reparieren“ einiger anonym erhaltener Repressalien aufwendet, übersteigt die sachliche Arbeit. Wir leben in einer sehr aufwühlenden Zeit und die Herausforderungen für die Politikerinnen und Politikern werden deutlich größer werden.
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Ihre spannendste Aufgabe während Ihrer Abgeordnetenzeit?
Das waren tatsächlich die Wahlbeobachtungen in unterschiedlichen Ländern. Dabei bekommt man eine völlig andere Relation in der Sicht auf Deutschland. Mich haben diese Beobachtungen häufig mit großer Demut erfüllt, zu sehen in welch tollem Land wir leben.
Was konnten Sie selbst bewegen?
Die Fristverlängerung für die Abgabe von Einkommensteuererklärungen auch für private Einkommensteuererklärungen und eben nicht nur für die, die sich der Hilfe eines Steuerberaters bedienen. Dies war mir besonders in der Zeit nach Corona sehr wichtig, da meines Erachtens auch die privaten Haushalte, insbesondere die mit Kindern, massiv unter Corona gelitten haben und sich eben nicht unbedingt einen Steuerberater leisten können.
Was ist der größte Unterschied zwischen Landes- und Bundespolitik?
Die Außen-, Verteidigungs- und Weltpolitik, mit der man im Landtag eher nicht so viel zu tun hat und ethische Fragen wie zum Beispiel bei aktiver Sterbehilfe.
Was geben Sie den künftigen Abgeordneten aus dem Kreis mit – vielleicht gerade den Newcomern?
Wenn man zuhört, kann man was Neues lernen. Wer immer nur redet, kann nur wiedergeben, was er schon weiß. Und: Nur weil man im Bundestag ist, kann man deshalb noch lange nicht über Wasser gehen! Den Charakter eines Menschen kann man oft daran erkennen, wie er mit Putzleuten und Kellnerinnen spricht, auch bei Bundestagsabgeordneten.
Nach Ihrer Wahl in den Bundestag 2021 gewann man schnell den Eindruck, dass es zwischen Ihnen und der heimischen SPD eine Entkopplung gab. Stimmt die Chemie nicht mehr?
Die Genossinnen und Genossen vor Ort waren und sind eine zuverlässige und engagierte Unterstützung während meiner Zeit im Landtag und im Bundestag. Die intensive Arbeit als ordentliches Mitglied in zwei großen Ausschüssen (Finanzen, Europa), als stellvertretendes Mitglied in einem weiteren Ausschuss und meine Mitgliedschaft in den parlamentarischen Versammlungen der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) und der SWKS (Konferenz über Stabilität, wirtschaftspolitische Koordinierung und Steuerung in der EU) hat mich in Berlin und darüber hinaus stark eingebunden. Dies in Kombination mit einem großen Wahlkreis und einem weiteren Betreuungswahlkreis in der Fläche (die Kreise Euskirchen und Rhein-Erft) hat dazu geführt, dass viele Parteitermine und repräsentative Termine hintenübergefallen sind. Das hätte ich sicher vor Ort deutlicher kommunizieren müssen.
Wie politisch wollen Sie künftig noch sein? Werden Sie wieder lokalpolitisch aktiv werden?
Ich werde natürlich immer ein politischer Mensch bleiben und mein Interesse an der Politik ist ja nicht einfach so weg. Ich bemühe mich aber erstmal nicht um ein neues Mandat.
Was werden Sie nicht an Berlin vermissen?
In erster Linie die Abgeordneten der AfD, die wirklich ausschließlich negativ und durch sehr schlechtes Benehmen auffallen. Zweitens freue ich mich sehr dem permanenten Zeitmangel und dem ewigen Zeitdruck, der ständige Terminverschiebungen notwendig machte, nicht mehr unterworfen zu sein und drittens habe ich in Berlin den eisigen Ostwind, der einem regelrecht durch die Knochen fährt, nie gemocht.
Wie sieht Ihr Alltag nach der Wahl als MdB a.D. aus?
Ich werde erstmal alles nachholen, wozu ich auf privater Basis in den letzten Jahren keine Zeit hatte. Dazu gehören besonders Treffen mit Freunden, „richtiges Kochen“ für meine Kinder, ausgiebige Spaziergänge mit unseren Hunden und eine Komplettrenovierung meines Zuhauses.
Zur Person: Dagmar Andres wurde in Köln geboren. Dem Bundestag gehört die 55-Jährige seit 2021 an. Zuvor war sie von 2012 bis 2017 Landtagsabgeordnete in Düsseldorf. Außerhalb ihrer Abgeordnetenzeiten war die Betriebswirtin und Bilanzbuchhalterin als Amtsleiterin der Kämmerei und des Steueramts der Gemeinde Rommerskirchen, als Projektmanagerin eines freien Trägers von Kindertagesstätten und als Referentin für Europaangelegenheiten, Politik und Verbände der NRW.Bank tätig.
In die SPD trat Andres 1986 ein. Dem Rat der Stadt Erftstadt gehörte sie von 2009 bis 2018 an. Mitglied des Kreistags war sie ab 2014, und gemeinsam mit Daniel Dobbelstein bildete sie die Doppelspitze der SPD Rhein-Erft ab 2019. Beide Positionen gab sie nach ihrem Einzug in den Bundestag ab. Andres ist verwitwet und hat zwei Kinder.