Als der Heppendorfer Theater- und Gesangverein „Liederkranz“ die Passion 1924 aufführte, war das halbe Dorf beteiligt.
Theater- und GesangvereinHeppendorfer spielten vor 100 Jahren Leidensgeschichte Jesu nach
In Oberammergau werden seit 1634 nach überstandener Pest die weltweit wohl bekanntesten Passionsspiele aufgeführt. Doch auch in Heppendorf wurde die Leidensgeschichte vor 100 Jahren an den Fastensonntagen mehrfach mit großem Aufwand auf die Bühne gebracht. Heimatforscher Dietmar Kinder hat die Erinnerungen daran vor 40 Jahren zusammengetragen.
Lehrer Heinrich Franken hatte sich 1920 die Passion in der Alpengemeinde nahe dem oberbayerischen Garmisch-Partenkirchen angeschaut und in Heppendorf verkündet: „Wenn wir alle zusammenhalten, können wir das auch“. Und sie hielten zusammen, die damals 520 Einwohner des Ortes. „Besonders Willi Schütz, Matthias Schmitz und Gastwirt Ludwig Schumacher waren sofort von der Idee begeistert.“
Zuschauer kamen aus Köln, Aachen und der Eifel nach Elsdorf
Das hat Kinder von damaligen Mitspielern erfahren. Dennoch dauerte es vier Jahre, bis das hochgesteckte Ziel verwirklicht wurde. An jedem Fastensonntag des Jahres 1924 begann um 14 Uhr die fast fünf Stunden dauernde Aufführung im Saal Schumacher.
Kutschen, Busse und Autos aus dem weiten Umkreis aus Köln, Aachen, der Eifel und vom Niederrhein hatten bis über die Ortsgrenzen hinaus die Straßen zugeparkt. Trotz eng gestellter Stuhlreihen mussten jedes Mal viele Besucherinnen und Besucher, die Karten zum Preis von zwei Mark ergattert hatten, im Stehen ausharren.
Neben dem federführenden Theater- und Gesangverein „Liederkranz“ war nahezu das halbe Dorf beteiligt, allein mehr als 100 als Darstellerinnen und Darsteller. Es wurden Kostüme genäht und wochenlang, oft bis in die Nacht hinein, unter Frankens und Cornelius Cremers Regie geprobt.
Die Bühnenbilder und Requisiten für die Szenen des Einzugs in Jerusalem, der Verurteilung, des letzten Abendmahles, des Kreuzwegs, der Kreuzigung und der Auferstehung fertigten der Dorfschmied und die örtlichen Schreiner an. Geräusch-, Licht- und Bildeffekte besorgten findige Heppendorfer Bastler. Im Saal wurde gar eine Außenwand durchbrochen, damit die Akteure im benachbarten Gärtchen auf ihren Auftritt warten konnten.
Als Engel per Seilzug auf die Bühne geschwebt
Und vor jeder Aufführung kam Friseur Lennings aus Bergheim nach Heppendorf, um Perücken und Bärte für die Darsteller in Form zu bringen. Zum Beginn, nach einem von Ludwig Schumacher vorgetragenen Prolog, stimmte ein Chor mit Solistin Anni Cremer und am Harmonium begleitet von Küster Anton Moll auf die Leidensgeschichte ein.
Beim Einzug in Jerusalem, bei dem Jesus auf einem Esel auf die Bühne reitet, kamen die Komparsen nach raschen Kostümwechseln gleich mehrfach auf die Bühne und imaginierten so eine riesige jubelnde Volksmenge. Maria Inden musste als Engel in der Ölberg-Szene, gehalten von Reiner Dahmen an einem Seilzug, auf die Bühne herabschweben.
„Ich hatte Angst, dass ich fallen könnte“, erinnerte sich die Heppendorferin 60 Jahre später im Gespräch mit Dietmar Kinder. Die schwierigste und tragende Rolle hatte Willi Schütz als Christus zu bewältigen. Unter anderem musste er sich nach der Kreuzigung zehn Minuten lang mit den Fingern in kleinen Krampen am Kreuz festhalten, wie in der Chronik nachzulesen ist.
Der 1941 in Heppendorf geborene Kinder hat die Erinnerungen in seiner Dorfchronik festgehalten. Als der gelernte Maschinenbau-Ingenieur in den 80er-Jahren als freier Mitarbeiter für die Kölnische Rundschau geschrieben hat, wurde Gemeindedirektor Peter Tirlam auf ihn aufmerksam und beauftragte ihn mit dem Aufbau eines Gemeindearchivs, das er bis 2002 leitete.
Die Kühe mussten während der Proben auf das Melken warten
„Von den Passionsspielen wurde im Dorf noch viele Jahre lang oft und begeistert gesprochen“, sagt Kinder, der nahezu alle Schauspieler von damals noch persönlich gekannt hat. Er hat viele Zeitzeugen befragt, Fotos zusammengetragen und 1984 ein Ehemaligentreffen organisiert.
„Viele Dinge, für die man heute tüchtig Geld bezahlen muss, tat man damals für eine Tasse Kaffee oder eine gute Zigarre“, erinnerte sich Katharina Schmitz 1984. Und nicht selten hätten die Kühe auf das Melken oder die Pferde auf das Futter warten müssen, um Proben und Aufführungen zu ermöglichen.
„Es war eben eine Zeit, in der Nachbarschaftshilfe noch großgeschrieben wurde“, zitiert Kinder die Erinnerung von Gertrud Brabender. Eine mehrfach erwogene Wiederholung der Passionsspiele hat es, anders als in Oberammergau, nie gegeben.