Stolpersteine verunstaltetBrühl wird in aktuellem Antisemitismus-Bericht erwähnt

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Auf dem Foto ist ein Stolperstein zu sehen.

Im Brühler Stadtgebiet erinnern zahlreiche Stolpersteine an die Wohnhäuser von Opfern des NS-Regimes. Einige wurden 2023 mehrfach verunstaltet.

2023 wurden 664 antisemitische Vorfälle in NRW erfasst. Einige davon betrafen die Schlossstadt Brühl. Dort setzen Bürger Zeichen gegen Rechts.

Die Zahl der dokumentierten antisemitischen Vorkommnisse in NRW ist 2023 dramatisch gestiegen. Der Jahresbericht der Recherche- und Informationsstelle Rias liefert bedrückende Beispiele, unter anderem aus Brühl.

Über mehrere Monate hinweg seien in der Schlossstadt Stolpersteine, die an jüdische Opfer des Nationalsozialismus erinnern, beschädigt und beschmiert worden. So sei zunächst am 20. Juli festgestellt worden, dass ein Stolperstein in der Uhlstraße mit dem rechtsextremen Zahlencode „88“ („Heil Hitler“) beschmiert worden war. „Knapp zwei Monate später wurden derselbe und ein weiterer Stolperstein mit schwarzer Lackfarbe übersprüht und damit unleserlich gemacht“, heißt es in dem Bericht.

Am 22. November schließlich seien drei Stolpersteine in der Kölnstraße mit einer roten Flüssigkeit beschmiert worden, bei der es sich offenbar um echtes Blut handelte. Nicht selten seien es gerade diese dezentralen Erinnerungsorte, die immer wieder beschmiert und beschädigt werden, heißt es in dem Bericht.

59 antisemitisch motivierte Sachbeschädigungen in NRW

Diese Fälle werden in dem Jahresbericht unter „gezielter Sachbeschädigung“ geführt. Darunter wird die Beschädigung oder das Beschmieren jüdischen Eigentums mit antisemitischen Symbolen, Plakaten oder Aufklebern verstanden. Dazu zählt auch die Beschädigung oder Beschmutzung von Erinnerungszeichen oder -orten, also etwa Gedenkstätten, Gedenktafeln, Stolpersteinen, aber auch von Geschäftsstellen entsprechender Institutionen.

2023 dokumentierte Rias NRW insgesamt 59 antisemitisch motivierte Sachbeschädigungen im Bundesland. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 664 antisemitische Vorfälle in NRW erfasst, das entspricht einer Steigerung von 152 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (264 Vorfälle).

In der Kategorie „verletzendes Verhalten“ werden für das Jahr 2023 landesweit 561 Vorfälle verzeichnet. Diese Kategorie macht mit fast 85 Prozent den mit Abstand größten Teil der im letzten Jahr dokumentierten Vorfälle aus. Dazu gehört auch eine verunglimpfende Schmiererei an einer Sitzbank an der Bleiche in Brühl.

Im dortigen Stadtrat stand das Thema Rechtsextremismus im vergangenen Herbst auf der Tagesordnung. Aufhänger war die Zerstörung der Hinweistafeln der Initiative Seebrücke, die sich unter anderem für die Rechte von Menschen auf der Flucht einsetzt. Grünen-Fraktionschefin Simone Holderried äußerte ihr Erschrecken: „Das ist kein Zufall oder eine Jugendsünde. Ich finde es sehr besorgniserregend. Ich hoffe, dass es uns gelingt, die Demokratie am Leben zu halten.“

Der Brühler SPD-Ratsherr Michael Weitz forderte auf, laut zu sein, aufzustehen und jenen Menschen entschieden entgegenzutreten, die den gesellschaftlichen Konsens nach rechts verschieben wollten. In diesen Tenor stimmte auch die CDU ein. Bürgermeister Dieter Freytag (SPD) verwies auf die große Schwierigkeit, die Täter auf frischer Tat zu schnappen.

Zu sehen ist Susanne Bourier.

Susanne Bourier setzt sich gegen Antisemitismus ein.

Auch andere Brühler Bürger machen sich Sorgen über rechtsextreme Auswüchse in ihrer Stadt. Die Initiative „Gemeinsam für Brühl“ wird nicht müde, darauf aufmerksam zu machen. Zu den treibenden Kräften der Initiative gehört Susanne Bourier, die dazu aufruft, Beobachtungen, Sachbeschädigungen, Schmierereien oder antisemitische Aufkleber den Behörden zu melden. 

„Dies haben wir uns als Initiative in Brühl fest vorgenommen. Denn nur wenn die Behörden von den Problemen wissen, können sie Sachverhalte untersuchen oder dagegen vorgehen“, sagt sie. Sie selbst habe zwei Anzeigen erstattet. „In einem Fall ging es um verunstaltete Stolpersteine, im anderen um eine demokratiefeindliche Schmiererei“, so Bourier.

Antisemitismus, Rassismus und Demokratiefeindlichkeit gibt es in jeder Stadt, das ist ein bundesweites Problem
Susanne Bourier von der Initiative Gemeinsam für Brühl

Dem Umstand, dass von allen Kommunen des Rhein-Erft-Kreises nur Brühl in dem besagten Bericht auftaucht, will sie nicht zu große Bedeutung beimessen. „Antisemitismus, Rassismus und Demokratiefeindlichkeit gibt es in jeder Stadt, das ist ein bundesweites Problem“, macht sie klar. Vielleicht sei man in Brühl besonders wachsam, „aber das ist nur eine Vermutung“.

Auch der Umkehrschluss, dass in Städten, die keine Erwähnung finden, alles in Ordnung sei, ist ihres Erachtens nicht zulässig. „Wir alle müssen uns klarmachen, dass das Antisemitismus-Problem aktueller ist als in den vergangenen Jahren. Ich hoffe, die Menschen wachen auf, werden sich dessen bewusst und tun etwas dagegen“, sagt Bourier.

Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus unterstützt Betroffene

In NRW nimmt die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) Meldungen über antisemitische Vorfälle auf und unterstützt Betroffene. Sie befindet sich in Trägerschaft des Vereins für Aufklärung und demokratische Bildung, wird vom Landesministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration gefördert und arbeitet eng mit dem Bundesverband Rias zusammen. Auf Grundlage der gemeldeten Fälle und eigener Recherche verfasst Rias NRW regelmäßig landesspezifische Berichte über Antisemitismus.

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