Kommunalwahl 2020Offenes Rennen um Bürgermeisteramt in Brühl
- Auch in Brühl wird in diesem Jahr natürlich gewählt.
- Gleich vier Kandidaten bewerben sich um das Amt des Bürgermeisters.
- Ein Überblick
Brühl – Die Chance, dass bereits am Abend der Kommunalwahl der künftige Brühler Bürgermeister Glückwünsche entgegennehmen kann, ist nicht sehr groß. Immerhin buhlen am 13. September gleich vier Kandidaten um die Gunst der rund 36.000 Wahlberechtigten. Bleibt eine absolute Mehrheit aus, dürfen die Brühler zwei Wochen später erneut ein Kreuzchen machen, um das Stadtoberhaupt in einer Stichwahl zu küren. Amtsinhaber Dieter Freytag (SPD) setzte sich 2014 ebenfalls erst – wenn auch deutlich – in der zweiten Runde gegen Dieter Dahmen (CDU) durch.Freytags Kontrahenten heißen Holger Köllejan (CDU), Dr. Matthias Welpmann (Grüne) und Hans Hermann Tirre (FDP). Mit CDU, SPD, FDP, Grünen, Linkspartei und Piraten waren bislang sechs Parteien im Rat vertreten. Die letzteren beiden bildeten eine gemeinsame Fraktion. Zu besetzen sind 22 Wahlbezirke, dazu kommen die Nominierungen für die Reserveliste. Bei der CDU steht Fraktionsvorsitzender Köllejan auf Platz eins vor der Parteivorsitzenden Eva-Maria Reiwer, bei der SPD belegen Fraktionschef Michael Weitz und Ratsfrau Kerstin Richter die ersten Plätze. Die Grünen schicken Simone Holderried und den stellvertretenden Bürgermeister Robert Saß auf den vordersten Plätzen ins Rennen, und die FDP Fraktionschef Jochem Pitz und Tirre. Bei den Linken führt Ratsherr Eckhard Riedel, bei den Piraten Harry Hupp und bei der AfD Jobst Schmidt die Reserveliste an. (wok)
Dieter Freytag, SPD
Der 65-jährige Diplom-Volkswirt übernahm 1991 den Posten des Stadtkämmerers und Beigeordneten in Brühl, ehe er sich im Februar 2014 erfolgreich um das Bürgermeisteramt und damit um die Nachfolge von Michael Kreuzberg bemühte. Freytags kommunalpolitische Karriere begann früh. 1979 zog er als seinerzeit jüngstes Ratsmitglied in das Gremium ein. Freytag, der Jogging und Lesen zu seinen Hobbys zählt, ist in Brühl geboren und hat am dortigen Max-Ernst-Gymnasium Abitur gemacht. Inzwischen lebt der geschiedene Vater von sechs Kindern und Großvater eines Enkelkindes in Brühl-West. In seiner Partei genießt er großen Rückhalt, immerhin 98,5 Prozent stimmten für seine Nominierung. Trotz seiner 65 Jahre betont Freytag, bei einer Wiederwahl sein Amt nicht vorzeitig abgeben zu wollen. Zu den wichtigsten Zielen zählen der Ausbau des Betreuungsangebots in Kitas und Offenen Ganztagseinrichtungen, die intensive Einbindung engagierter Bürger in die politische Entscheidungsfindung sowie die Reaktivierung des sozialen Wohnungsbaus.
Holger Köllejan, CDU
Mit dem 48-jährigen Diplomkaufmann Holger Köllejan tritt noch ein weiterer gebürtiger Brühler bei der Wahl an. Nach dem Abitur am Max-Ernst-Gymnasium absolvierte er eine Ausbildung zum Industriekaufmann bei den Mauser-Werken, ehe er Wirtschaftswissenschaften studierte. Inzwischen leitet er in Köln die Niederlassung eines schwedischen Personalberatungsunternehmens. Köllejan ist verheiratet und hat vier Kinder. Der Pingsdorfer läuft und kocht gerne, ist Fan des 1.FC Köln und Karnevalist. „Mein Traum ist es, etwas für meine Heimatstadt zu erreichen“, sagt er. Köllejan bezeichnet sich als Politiker mit tiefschwarzer Seele, die dank der guten Zusammenarbeit im Rat einige grüne Farbtupfer bekommen habe. Er ist seit 2009 Ratsherr und seit 2017 Fraktionsvorsitzender. Die wichtigsten Handlungsfelder hat er mit der Schaffung von Wohnraum, dem Ausbau von Gewerbeflächen und Schulen sowie der Entwicklung von Wohnquartieren, die Senioren ein selbstbestimmtes Leben im vertrauten Zuhause ermöglichen, abgesteckt. Den Haushalt will er konsolidieren und dabei die Personalkosten in der Verwaltung hinterfragen. Durch das Einrichten eines „Ausschusses für Digitalisierung und Innovation“ sowie den Ausbau des schnellen Internets soll Brühl zukunftsfest werden.
Dr. Matthias Welpmann, Grüne
Der 50-jährige Diplom-Geograf Dr. Matthias Welpmann ist der einzige Kandidat, der nicht in Brühl, sondern mit seiner Frau in der Köln lebt. Der begeisterte Segler und Wanderer hat in den zurückliegenden Wochen aber nach eigenem Bekunden viele Ecken, Probleme und Qualitäten der Stadt kennengelernt. Er halte Brühl für sehr lebenswert und würde nach seiner Wahl gerne in die Stadt ziehen, sagt Welpmann, der seit 2015 als Beigeordneter für Umwelt, Klima und Sport in Neuss tätig ist. Der gebürtige Osnabrücker hat von 2009 bis 2015 für die Grünen im Kölner Stadtrat gesessen. Als Bürgermeister wolle er Brühl enkeltauglich machen, betont er. Daher gelte es, eine langfristige Strategie zu entwerfen, die insbesondere städtebauliche Ziele definiert. Er wolle die Planungshoheit zur Stadt und Politik zurückholen und nicht mehr Investoren die Gestaltung überlassen. Welpmann setzt auf eine stärkere Wohnnutzung der Innenstadt gerade für ältere Menschen und will zum Nachdenken über eine Ausweitung der Fußgängerzone und eine Bebauung des Belvedere-Parkplatzes animieren. Priorität genieße aber der Klimaschutz. Die Stadt soll mit mehr Bäumen, begrünten Fassaden und Dächern auf heißere Sommer vorbereitet werden. Den Heider-Bergsee-Campus lehnt er ab, lieber will er nach einem alternativen Standort in der Innenstadt suchen.
Hans Hermann Tirre, FDP
Der 70-jährige Jurist Hans Hermann Tirre will vor allem mit Erfahrung punkten. 20 Jahre lang war der gebürtige Solinger als Rechts- und Ordnungsdezernent des Rhein-Erft-Kreises tätig. Vor allem aber wisse er, wie man eine Behörde leitet. Bis zu seiner Pensionierung Ende 2015 war der Kierberger acht Jahre lang Polizeipräsident in Mönchengladbach. Tirre, der mit einer Französin verheiratet und Vater zweier erwachsener Söhne ist, lebt seit 1990 in Brühl. Seit drei Jahren engagiert er sich dort als sachkundiger Bürger. Der Oberleutnant der Reserve ist Fan von Borussia Mönchengladbach, spielt gerne Tischtennis oder fährt Rad. Zudem engagiert er sich im Vorstand Drogenhilfe Köln und im Vorstand der Initiative „Lachen - helfen“, die sich für Kinder in Krisengebieten einsetzt. Als Bürgermeister wolle er mit neuen Ideen gegen den Leerstand von Ladenlokalen angehen, sagt er. Es gelte, Start-up-Unternehmen zu fördern und die Digitalisierung von Schulen und Verwaltung voranzutreiben. Tirre spricht sich für die Errichtung des Heider-Bergsee-Campus aus, um die Hochschule des Bundes in Brühl zu halten. (wok)
Die Linke
Auf eine Zusammenarbeit in einer Fraktion mit den Piraten blickt die Linkspartei zurück. „Wir haben uns ergänzt“, findet Ratsherr Eckhard Riedel, der erneut die Reserveliste anführt. Auf Platz zwei und drei folgen Stefan Söhngen und Karsten Peters. Man werde weiterhin die Interessen der weniger betuchten Bürger und Menschen mit Handicap im Blick haben, so Riedel. Die Stadt solle bei der Beauftragung von Firmen auf ordentliche Arbeitsbedingungen achten. Man kämpfe zudem für den vollständigen Erhalt des Villewalds und von Schrebergärten, für eine konsequente Instandsetzung der Radwege sowie einen Ausbau der Photovoltaik und der Car-Sharing-Angebote, so Riedel. „Wir sind gegen den Bau des Heiderberg-See-Campus“, sagt er. Riedel schlägt zudem die Einrichtung attraktiver Treffpunkte in Wohngebieten und die Gründung eines Kinder- und Jugendparlaments vor. (wok)
Piraten
Eine gemeinsame Fraktion bildet die Piraten-Partei bislang mit der Linken. Ratsherr Harry Hupp, der die Reserveliste anführt, kann sich gut vorstellen, die Kooperation fortzusetzen, wenn das Wählervotum dies hergibt. Im Zentrum des Programms stehen umweltpolitische Ziele sowie die Digitalisierung. Den Heider-Bergsee-Campus lehnt man ab. Bürger sollen Anträge und Korrespondenz mit der Verwaltung künftig online erledigen können, Schüler von digitalen Lernkonzepten profitieren, selbst Wahlen am heimischen PC hält Hupp für denkbar. Die Bürgerbeteiligung wollen die Piraten intensivieren. Und Brühl soll fahrradfreundlicher werden. Man kämpfe für eine weitgehend autofreie Innenstadt und Radschnellwege nach Köln und Bonn, kündigt Hupp an. (wok)
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AfD
Im Aufwind sieht sich die AfD. Sprecher Jobst Schmidt sagt, er sei sicher, in den Rat einzuziehen. Seine Partei spricht sich aus Umweltschutzgründen gegen den Bau des Heider-Bergsee-Campus aus. Die Bebauung freier Flächen sehe man kritisch. Man wolle sich für den Erhalt des dreigliedrigen Schulsystems und gegen eine zweite Gesamtschule einsetzen, so Schmidt. Man werde die Personalkostenexplosion in der Verwaltung hinterfragen. Die AfD plädiert für eine Videoüberwachung von Angsträumen wie der Unterführung in Brühl-Mitte. „Zudem streben wir eine Städtepartnerschaft mit einer israelischen Stadt an“, so Schmidt, der die Brühler AfD als wertkonservativ, aber nicht radikal bezeichnet. (wok)