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65-Tonnen-GebäudeMilchbar von Brühl ins Kommerner Freilichtmuseum gebracht

Lesezeit 4 Minuten
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Im Rückwärtsgang schob sich der Schwertransporter langsam unter das schwebende Haus.

  1. Wie aufwendig die Rettung der Milchbar als Zeitdokument aus dem Nachkriegsdeutschland ist, machte noch einmal der Abtransport in der Nacht deutlich.
  2. Nur dank eines Duetts zweier mächtiger Kräne konnte der Umzug vonstattengehen
  3. Doch wer glaubte, dass das Gebäude am Haken der zwei Kräne bis aufs Mauerwerk geleert war, der täuschte sich.

Brühl – Zum Abschied von der Milchbar am Samstagabend herrschte Volksfeststimmung am Kaufhof. Der Landschaftsverband Rheinland servierte kostenlose Getränke und Häppchen, Musiker Charly Manderscheidt spielte Rock’ n’ Roll, Songs von den Beatles und auch was zum Schunkeln. Herbert Poetes tanzte Jive mit Elke Feuster. Poetes hatte als Vorsitzender der Museumsgesellschaft dem Leiter des Kommerner Freilichtmuseums, Josef Mangold, den Impuls zum Erhalt der Milchbar gegeben, die in der Nacht zum Sonntag mit einem Schwertransporter nach Kommern gebracht wurde.

Zeitzeugen erinnerten sich am Samstag an die Milchbar. Wolfgang Engel erzählte davon, wie er mit 13 oder 14 Jahren nach der Schule dort heimlich die ersten Milchmixgetränke mit alkoholischem Schuss getrunken hat. Der 47-jährige Rocker Köbes Holz fuhr mit seinem Bike vor. Beim letzten, reichlich belesenen Wirt, Mike Smith, hätten er, seine Frau Brigitte und 20 weitere Biker eine „geistige Heimat“ gefunden. Auch Marie Trimborn, die oft Stunden mit Mike Smith in ihrem Garten nebenan verbrachte, dachte an den Wirt, der noch viele Liverock-Konzerte in seiner Milchbar organisieren wollte, so wie sein letztes Ende 2017 mit „Birger Devil“.

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Zeitzeugen berichteten über die Milchbar. Rocker Köbes Holz und seine Frau Brigitte fuhren wie früher mit dem Motorrad vor. 

„Der Volksfestcharakter und die vielen kleinen Geschichten zeigen uns, dass die Leute am Haus hängen. Wir haben in unserem Museum bald etwas, das ihnen wichtig ist“, freute sich Museumsleiter Josef Mangold. Über die Kosten des Umzugs, wollte er nicht reden, nur soviel: die Rücklagen für solche Projekte seien jetzt aufgebraucht.

Die Gäste tranken „blauen Mond“

Die Brühler Milchbar bauten Josef und Gertrud Eich 1955 im Garten ihres Hauses in der Mühlenstraße auf. Die Milchbar folgte ganz dem Trend der Zeit, sie orientierte sich wie andere ihrer Art im Nachkriegsdeutschland an amerikanischen Vorbildern.

Die Kühltheke der Marke Caracciola stand im Mittelpunkt des Gastraumes. Mit ihrer Hilfe wurden kühle Milchmixgetränke serviert, die je nach Rezeptur auch mit Speiseeis oder Likören verfeinert wurden. Zubereitungen wie „Weißer Traum“ oder „Blauer Mond“ gingen neben Flaschenbier über die Theke. In einem integrierten Kiosk wurden Zigaretten, Schokolade, Bier, Bonbons oder „Chewing Gum“ angeboten. Als der Boom in den 1960er-Jahren verebbte, wandelte sich das Familienunternehmen in eine Gaststätte mit gutbürgerlicher Küche und mehr oder weniger prominenten Gästen. Rennfahrer Graf Berghe von Trips soll hier häufiger zu Mittag eingekehrt sein. In den späteren 1960er-Jahren wurde die Gaststätte zum Treffpunkt für die Brühler Rockerbewegung.

Mike Smith, der Enkel der Gründer, betrieb die Milchbar als Gaststätte mit Livemusik bis zu seinem Tod im Januar 2018. Im Freilichtmuseum Kommern erhält das Gebäude jetzt eine neue Heimat auf dem „Marktplatz Rheinland“.

Über die Straße gehoben

Wie aufwendig die Rettung der Milchbar als Zeitdokument aus dem Nachkriegsdeutschland ist, machte noch einmal der Abtransport in der Nacht deutlich. Wer klug war, sicherte sich noch vor der Absperrung einen Logenplatz in der italienischen Gastwirtschaft von Luigi Ottavio gegenüber. Von dort ließ sich der Aufbau zweier mächtiger Kräne, und dann das Duett der beiden Kranführer Hans-Peter Vosen und Karol Matuszak am besten beobachten. Sie hoben das Gebäude auf einem Stahlgerüst über die Fahrbahn der Carl-Schurz-Straße und der Schwerlasttransporter fuhr im Rückwärtsgang unter das schwebende Paket. Ein Vorgang, der sich über Stunden erstreckte. Wirklich spannend waren zwei Fragen: Bleibt die Milchbar beim Anheben vielleicht am Nachbargebäude hängen? Und: Gibt der Mann von der Dekra wirklich den Transport frei?

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Bevor die beiden Kranfahrer das mehr als 60 Tonnen schwere Paket anhoben, wurde noch einmal alles überprüft. 

Wer glaubte, dass das Gebäude am Haken der zwei Kräne bis aufs Mauerwerk geleert war, der täuschte sich. Tische, Stühle und Sessel oder der Billard-Tisch, der im viel später konstruierten Anbau Platz fand, haben die Zimmerleute der schwäbischen Spezialfirma Jako so befestigt, dass selbst bei einer Bergfahrt nichts ins Rutschen kommen kann, etwa beim Anstieg mit 20 Prozent zum Museumstor in Kommern. Überhaupt findet sich im Schankraum alles mögliche, was für eine spätere Rekonstruktion von Wert sein könnte, von der UKW-Dachantenne bis hin zur Reissdorf-Leuchtreklame. „Alles bleibt im Originalzustand“, sagte Vorarbeiter Tobias Rosenstengel.

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Das Mobiliar in der Milchbar wurde fest verzurrt, damit auch bei Anstiegen nichts ins Rutschen geriet. 

Die letzten Handgriffe zum Verladen des Gebäudepakets auf das Schwerlastfahrzeug hatten die vier Zimmerleute der Jako-Baudenkmalpflege aus dem oberschwäbischen Rot an der Rot bei Memmingen schon am Freitag erledigt.

Professionell verpackt

Sie verschraubten die neun Meter langen, stählernen Doppel T-Träger, die das Gebäude in der gesamten Breite auf 7,40 Meter durchziehen. Zwischenräume zwischen Boden und Stahl fütterten die Zimmerleute noch mit Hölzern auf, damit der Estrich beim Anheben nicht doch noch herausfallen konnte. Ansonsten war die Milchbar von einst nicht wiederzuerkennen, denn sie trat die Reise ohne Dach und professionell verpackt an.

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Die Zimmerleute sicherten vor dem Transport den Boden der Milchbar mit eigens zugesägten Balken.

Auf ein Gewicht von 86 Tonnen sei das Transportpaket berechnet worden, erläuterte Rosenstengel. Am Abend maßen die Kranführer aber nur 65 Tonnen. Viel breiter hätte das Gebäude aber nicht sein dürfen, dann wäre ein Transport in einem Stück einfach nicht mehr möglich gewesen, so der Jako-Vorarbeiter.

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Schon jetzt reizte der historische Gebäudekern der Milchbar die eingeschränkten Dimensionen der Carl-Schurz-Straße bis ins Letzte aus. Drei Bäume hatten dem Transport schon weichen müssen. In der engen Kurvenfahrt am Bahnhof ging es am frühen Morgen um Zentimeter. Doch am Sonntagmorgen gegen 10 Uhr kam die Milchbar wohlbehalten im Kommerner Freilichtmuseum an.