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Traditionsgeschäft in BrühlMetzgerei Harf schließt nach 60 Jahren

Lesezeit 4 Minuten
Hans_und_Anita_Harf

Anita Harf übernahm die Metzgerei Mitte der 80er-Jahre mit ihrem damaligen Mann Hans. 

  1. Nach 60 Jahren ist Schluss: Am Samstag gehen in der Brühler Metzgerei Harf die letzten Würstchen über die Theke.
  2. Es ist ein Abschied mit Wehmut: „Hier fließen täglich Tränen“, sagt Anita Harf, „da merkt man, was unser Geschäft den Leuten in Brühl bedeutet.“

Brühl – Es ist nicht viel, was Anita und Hans Harf nach all den Jahren aus ihrem Geschäft mitnehmen werden. Wenn am Samstag die letzten Würste und das letzte Mettbrötchen über die Glastheke gereicht worden sind und die Metzgerei an der Uhlstraße im Herzen von Brühl für immer schließt, werde sie wohl den hölzernen Stuhl einpacken, der seit drei Jahrzehnten Kunden im Verkaufsraum eine Verschnaufpause ermöglicht, sagt die 58-jährige Anita Harf, die das Geschäft 1986 mit ihrem damaligen Mann von ihren Eltern übernahm.

Und der markante, aus drei Würstchen bestehende Buchstabe „H“ aus dem Schriftzug „Metzgerei Harf“ der roten Leuchtreklame über der Tür soll mitkommen und künftig die heimische Terrasse beleuchten. „Ich werde eine hölzerne Presse für die Herstellung von Landjägern mitnehmen“, sagt Hans Harf.

Und den Wetzstahl, den er sich 1979 während seiner Ausbildung in einer Bonner Metzgerei zugelegt hat, behalte er auf jeden Fall, so der 60-Jährige. Alles andere, das Interieur des Verkaufsraums, die modernen Maschinen, mit denen er 80 Sorten Aufschnitt, Grillwürstchen und Gulasch produziert habe, werde andernorts weiterverwendet, verschenkt oder entsorgt, sagt er und hält für einige Minuten mit seiner Arbeit inne.

Solche Pausen hat er sich in den vergangenen Jahrzehnten selten erlaubt. Der Betrieb habe immer Spaß gemacht und sei stets gut gelaufen, aber der Job sei auch eine enorme Herausforderung gewesen. Vor allem in den vergangenen Jahren, nachdem ein Mitarbeiter unerwartet gestorben und eine ähnlich kompetente Fachkraft einfach nicht zu bekommen gewesen sei. 70, 80 Stunden habe er nicht selten wöchentlich absolviert und dabei rund eine Tonne Fleisch verarbeitet, sagt Hans Harf.

Auf Dauer einfach zuviel Arbeit

Auf Dauer ein unmögliches Unterfangen und damit auch der Anlass, nun einen Schlussstrich zu ziehen. „Diese Räume hier waren meine Welt, hier habe ich mehr Zeit als irgendwo anders verbracht“, sagt der 60-Jährige. Bis vor ein paar Tagen habe er noch gar keine Zeit gehabt, über den Abschied nachzudenken, sagt er. Doch jetzt, wo die eigene Metzgerei bald von seiner Gegenwart zu seiner Geschichte wird, schießen ihm solche Gedanken häufiger durch den Kopf.

Metzgerei_Harf_50erJahre

So sah es in den 50er-Jahren in der Metzgerei Harf an der Uhlstraße aus. 

Bei Anita Harf bleibt es nicht bei Gedanken. Sie steht wie eh und je im Verkaufsraum und seit feststeht, dass der Laden bald schließt, sprechen sie die vielen Stammkunden immer wieder darauf an. Sie überreichen Blumen und Süßigkeiten als Dank für gute Qualität und Beratung, aber wohl vor allem für freundliche Worte und den netten Plausch zwischendurch.

„Hier fließen täglich Tränen“, sagt sie, „da merkt man, was unser Geschäft den Leuten in Brühl bedeutet.“ Das erfülle sie mit Stolz. Genau wie die Tatsache, trotz der Trennung von ihrem Mann 1998 das Geschäft zusammen auf Kurs gehalten zu haben. „Wir haben die Metzgerei in tiefer Freundschaft weitergeführt“, sagt sie.

Die Tradition der Metzgerei, die ihre Eltern Peter und Resi Harf 1958 von Paul Wied übernahmen und die gemeinsamen Erinnerungen hätten zusammengeschweißt. „Ich weiß noch, wie die Kunden beim Bau der Fußgängerzone Mitte der 80er-Jahre durch knöcheltiefen Sand zum Geschäft kommen mussten und es einige Monate gar nicht gut lief“, sagt Anita Harf.

„Doch als das Pflaster dann endlich fertig war, kamen mehr Kunden als je zuvor.“ An drei Tagen der offenen Tür seien es seinerzeit sage und schreibe 2500 gewesen.

Sieben Metzgereien im Zentrum

Sieben Metzgereien gab es zu dieser Zeit alleine in der Innenstadt – und ein ungewöhnlich kollegiales Miteinander, sagt Hans Harf. Man habe sich geholfen und einmal im Jahr im Brühler Hof getroffen und den Urlaub abgestimmt, damit die Brühler nicht gänzlich auf frisches Fleisch verzichten mussten.

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Resi und Peter Harf, die Eltern von Anita Harf

Noch immer sind Fleisch und Aufschnitt von Harf gefragt. Doch ein Nachfolger war trotz intensiver Suche nicht zu finden. „Daher haben wir uns dann auch entschlossen, das Haus zu verkaufen“, erklärt Anita Harf. Drei ihrer Mitarbeiterinnen gingen nun in Rente, die übrigen fünf hätten im Handumdrehen eine neue Anstellung gefunden, sagt sie. „Damit war uns die größte Sorge genommen.“

Sie selbst wird sich zunächst einen Traum erfüllen und zu einer Karibik-Kreuzfahrt aufbrechen. „Vielleicht werde ich irgendwann noch mal bei einem befreundeten Metzgerei-Ehepaar tätig werden“, sagt sie. Hans Harf will sich erstmal der Buchhaltung widmen und – für ihn rekordverdächtige – zwei Wochen Urlaub an der Ostsee machen. Dann wird wohl auch die Zeit für den Blick zurück anbrechen, für Erinnerungen, die so intensiv und lebendig sind, dass die zwei kaum materielle Andenken brauchen.