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Boxer erschossenLebenslänglich im Mordfall Raaff

Lesezeit 3 Minuten

Im Dezember wird der ehemalige Boxweltmeister Stefan Raaff in Frechen-Königsdorf auf offener Straße erschossen.

Frechen/Köln – Weil er nach Überzeugung des Gerichts den ehemaligen Boxweltmeister Stefan Raaff am Abend des 10. Dezember 2012 in Königsdorf auf offener Straße mit sechs Schüssen getötet hat, verurteilte die 5. Große Strafkammer des Kölner Landgerichts am Freitagnachmittag einen 47-jährigen Kioskbesitzer wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe.

„Die entscheidende Frage war: Ist der Angeklagte der Täter?“, sagte der Vorsitzende Richter Heinz Hemmers in seiner Urteilsbegründung. Obwohl die Tatwaffe und unmittelbare Tatzeugen fehlten, sei das Gericht „bei einer Gesamtschau aller Indizien überzeugt“ von der Täterschaft des Mannes.

Die Kammer stützte sich dabei vor allem auf die Handydaten des Angeklagten, aus denen sich ergebe, dass er zur Tatzeit in Königsdorf gewesen sei. Zwar hätten Experten des Mobilfunkbetreibers erklärt, dass nur der Beginn einer 54-minütigen Datenverbindung zur Tatzeit in der Königsdorfer Funkzelle dokumentiert sei. „Wenn sich das Handy von dort weg bewegt hätte, hätte es aber zu einem Wechsel zwischen dem schnelleren UMTS- und dem langsameren GSM-Netz kommen müssen – so wie es vorher und nachher auf dem Weg nach Königsdorf und zurück nach Köln der Fall war“, argumentierte Hemmer.

Eindeutig fest stehe auch, dass der Angeklagte ein Motiv gehabt habe: die von ihm fälschlicherweise angenommenen Affäre Raaffs mit der seit November 2012 geschiedenen Ex-Frau des 47-Jährigen. Auch wenn die Scheidung letztlich einvernehmlich gewesen sei, dokumentierten vor allem die an die Polizei gerichteten „Video-Testamente“ des Mannes aus dem September, dass ihn die Ehrverletzung immer noch beschäftigte und er auch noch emotional aufgebracht wegen des vermeintlichen Verrates gewesen sei.

„Wir haben keine Anhaltspunkte dafür, dass sich daran bis zum Dezember etwas geändert hat“, sagte Hemmers. Außerdem sei es nach Ansicht des Gerichts „kein Zufall“, dass der 47-Jährige wenige Tage vor der Tat von der Einstellung des Verfahrens wegen seiner Bedrohungsanzeige gegen Raaff erfahren habe.

Auch heimtückisch habe der Angeklagte die Schüsse abgefeuert, so Hemmers: „Wer einen ehemaligen Profi-Kickboxer angehen will, der weiß, dass er sich ihm ohne Waffe nicht auf zwei Meter nähern kann, ohne dass der sich so verteidigt, dass der Angreifer selbst verletzt wird.“ Deshalb habe der Angeklagte Raaff aufgelauert und für diesen überraschend auf ihn geschossen, als er aus dem Auto stieg.

Entgeistert lauschte der 47-Jährige zunächst der Begründung. Immer wieder schüttelte er den Kopf. Als Hemmers seine Ausführungen beendet hatte, wollte sich der Mann, der im Prozess geschwiegen hatte, doch noch zu Wort melden: „Ich habe gedacht, ich bekomme ein faires Urteil. Heute haben Sie ein falsches Urteil gesprochen und ich bin ein Opfer Ihres Fehlers.“

Auch die Verteidiger des Mannes zeigten sich vom Urteil überrascht. „Was auffällt, ist die Tatsache, dass entscheidende Dinge wie die Aussage eines Zeugen, der vor den Schüssen einen Streit gehört haben will, weder von der Staatsanwaltschaft noch von der Kammer angesprochen wurden“, wunderte sich Anwalt Markus Pahlitzsch. Er und sein Kollege Achim Keuter kündigten an, gegen das Urteil Revision einlegen zu wollen.