AboAbonnieren

„Muss man äußerst ernst nehmen“Islam-Experte Mansour warnt vor Boxschule in Bergheim

Lesezeit 4 Minuten
Auf dem Foto ist der Islamismus-Experte Ahmad Mansour zu sehen.

Ahmad Mansour ist Islamismus-Experte.

Islamexperte Mansour ist besorgt, dass der bekannte Salafist Pierre Vogel mit Kindern in einem „Fight Club“ arbeitet.

Der bekannte islamistische Prediger und Ex-Boxer Pierre Vogel arbeitet offenbar als Boxtrainer in Bergheim. Der gebürtige Frechener übernimmt im „Fight Club Bergheim“ das Training für die jüngeren Kinder von vier bis zehn Jahren, wie er selbst in einem Youtube-Video erklärt. Darüber berichtete unsere Redaktion in dieser Woche.

Ein Sprecher des Verfassungsschutzes bezeichnete aber die Unterweisung von Kindern durch Extremisten als „höchst bedenklich“. Jörn Tüffers sprach darüber mit dem Autor und Psychologen Ahmad Mansour. Er beschäftigt sich mit Projekten und Initiativen gegen Radikalisierung und gilt als Islamexperte.

Waren Sie überrascht, von der mutmaßlichen Tätigkeit als Boxtrainer im Fight Club Bergheim erfahren haben? Der Salafismus schien in den vergangenen Jahren keine große Rolle mehr zu spielen.

MANSOUR: Das stimmt. Der Kampf gegen den Salafismus war äußerst erfolgreich. Viele Strukturen sind zerschlagen worden, viele ihrer Kämpfer sind in Syrien ums Leben gekommen oder sitzen in Gefängnissen, auch hierzulande. Dadurch ist ein gewisses Vakuum entstanden.

Der salafistische Prediger Pierre Vogel spricht am 19.07.2014 in Hamburg auf einer Kundgebung vor Anhängern auf dem Hachmannplatz.

Pierre Vogel soll in Bergheim Kindern Boxtraining geben.

Bedeutet das, dass vom Salafismus keine Gefahr mehr für unsere Gesellschaft ausgeht?

MANSOUR: Im Gegenteil: Wir erfahren einen Islamismus 2.0. Islamisten gehen jetzt anders vor. Sie verteilen nicht mehr den Koran auf der Straße und missionieren nicht mehr dort, sondern nehmen über die sozialen Netzwerke massiven Einfluss vor allem auf junge Leute. Und bedauerlicherweise bedienen sie sich bei den Ereignissen in Folge des 7. Oktober 2023 – dem Kampf Israels gegen die Hamas, der eine Reaktion auf ihre schreckliche Ermordung Hunderter israelischer Bürgerinnen und Bürger ist. Diese Extremisten benutzen die Bilder aus Ghaza als Zündstoff für ihre Radikalisierung.

Und sind offenbar bei den Attentätern von Mannheim und Solingen auf furchtbaren fruchtbaren Boden gefallen.

MANSOUR: Ich gebe zu, ich war von diesen Attentaten leider nicht überrascht. Es hatte sich abgezeichnet, dass diese menschenverachtenden Ideologien verfangen würden.

Wie ist Pierre Vogel in diesem Kontext einzuordnen?

MANSOUR: Er versucht in dieser Zeit, sich zu behaupten. Er sehnt sich nach Aufmerksamkeit und fährt die TikTok-Schiene. Dabei liegt es doch auf der Hand, dass das, was er mit dem Fight Club Bergheim macht, nur am Rande mit Sport und Boxen zu tun hat. Es geht darum, schon kleine Kinder im Alter von vier bis zehn Jahren zu radikalisieren. Das muss man äußerst ernst nehmen.

Auf dem Foto ist der Fight Club Bergheim von außen zu sehen.

Der Fight Club Bergheim in Niederaußem bietet Boxen und Kickboxen an.

Glauben Sie, dass die Eltern, die ihre Kinder dorthin schicken, wissen, wer ihre Kinder trainiert?

MANSOUR: Jeder weiß, wer Pierre Vogel ist. Also werden es auch die Eltern der Kinder wissen, die ihre Kinder in den Fight Club Bergheim schicken. Er selbst glaubt vermutlich, dass er eine Marktlücke aufgetan hat, weil er weiß, dass Muslime ihre Kinder am liebsten dorthin schicken, wo sie unter sich sind und Sport treiben können.

All das geschieht nicht einmal im Verborgenen. Vogel erzählt in einem Youtube-Video selbst, dass er dort Kinder trainiert. Wieso tut er das?

MANSOUR: Er hält sich für einen Helden, der sich von nichts und niemandem einschüchtern lässt. Nicht vom Staat und nicht von den Medien.

Den Behörden sind offenbar die Hände gebunden. Die Stadt Bergheim jedenfalls sagt, sie habe keine Handhabe, weil es sich um einen privaten Gewerbebetrieb handelt. Kapituliert die Gesellschaft vor Extremisten wie Vogel?

MANSOUR: Gewiss nicht. Ich bin davon überzeugt, dass die Sicherheitsbehörden die Geschehnisse in Bergheim sehr genau in den Blick nehmen werden, jetzt da sie wissen, was dort geschieht. Und die Aufgabe einer Kommune kann und muss darin bestehen, ihre Bürger auf die Gefahren durch radikale Islamisten hinzuweisen und Beratungsangebote zu schaffen, um all jene davon abzuhalten, die damit liebäugeln, sich Menschen wie Vogel anzuschließen. Möglicherweise können die Behörden auch an der Stelle ansetzen, wenn sie hinterfragen, ob Vogel die Qualifikationen mitbringt, mit Kindern zu arbeiten. Ich beantworte das mit einem deutlichen Nein.

Worin sehen Sie die größte Gefahr seines Tuns?

MANSOUR: Islamisten versuchen, ihre Ideologie schon den Jüngsten einzuimpfen. Wenn sich das einmal in den Köpfen der Kinder und Jugendlichen verfängt, bringt sie das unweigerlich auf Distanz zu unserer Gesellschaft. Das verhindert jegliche Integration und stellt eine Gefahr für unsere Sicherheit dar.


Ahmad Mansour, geboren 1976, ist arabischer Israeli und lebt seit 2004 in Berlin. Er ist Diplom-Psychologe und arbeitet für Projekte gegen Extremismus, zum Beispiel begleitet er Familien von radikalisierten Jugendlichen, Aussteiger und verurteilte Terroristen. Zudem engagiert er sich unermüdlich gegen Antisemitismus.

Zum Thema Salafismus und Antisemitismus hat er zahlreiche Veröffentlichungen vorgelegt und in vielen Talkshows mitdiskutiert. Anfang 2018 gründete er Mind Prevention (Mansour-Initiative für Demokratieförderung und Extremismusprävention). Für seine Arbeit erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, unteranderem 2022 das Bundesverdienstkreuz am Bande.