AboAbonnieren

Tipps für die AnschaffungIm Tierheim Bergheim warten viele schwer vermittelbare Hunde

Lesezeit 4 Minuten
Ein kleiner Hund trägt einen Maulkorb.

Batman, der Jack-Russel-Terrier hat es faustdick hinter den Ohren, aber Gassigängerin Waltraud Rixen hat ihn im Griff

Nicht jeder Hund passt zu einem potenziellen Besitzer. Das Tierheim Bergheim gibt Tipps für die Hundewahl.

„Judy“ geht's wieder gut! Sie wurde vergangenen Monat mit ihrem schielenden Hundepartner „Clarence“ herrenlos in Bergheim gesichtet. Während Clarence umgehend gesichert werden konnte, irrte Judy eine Woche lang umher, bevor sie verletzt im Gleisbett gefunden wurde. Ihre Schnittwunden wurden versorgt, jedoch war eine Augenverletzung so schlimm, dass das Auge entfernt werden musste.

Doch sie genießt die Zuwendung, die ihr die Mitarbeiterinnen des Tierheims Bergheim zukommen lassen. Bisher hat sich kein Besitzer gemeldet. „Die Liste der Bewerber ist jetzt schon lang“, berichtet Tierheimleiterin Heike Bergmann, „doch wir müssen sie erst ein bisschen besser kennenlernen, dann darf sie in die Vermittlung“.

Tierheim Bergheim wird umgebaut

Das Tierheim wurde 2015 vom „Bund gegen Missbrauch von Tieren (BMT)“ übernommen. Aus ehemaligen RWE-Baracken wurde ein sympathischer Hof, der im Moment komplett umgebaut wird. Der letzte Bauabschnitt wird das Hundehaus. Es werde groß und freundlich mit Innen- und Außenbereich und Platz für viele Hunde haben.

Die kommen nicht nur aus schlechter Haltung und Inobhutnahme durch das Veterinäramt, sondern auch von Privatleuten. „Die Liste ist lang. Viele Menschen wollen ihre Tiere, die unbedacht angeschafft haben, wieder loswerden“, bedauert Bergmann. Die Gründe sind so unterschiedlich wie Tiere und Besitzer. Das niedliche Hündchen macht Arbeit, verträgt sich nicht mit anderen, ist bissig oder der Klassiker: Der Halter entwickelt eine Allergie.

Doch im Tierheim sind die Kapazitäten begrenzt. Zwei Hündinnen haben jedoch aus dem Partnertierheim in Rumänien den Weg nach Bergheim gefunden. „Das war gut überlegt, denn wir wollten etwas Ruhe in unsere Rüden bekommen.“

Das hat mit „Tara“ und „Timea“ geklappt. Groß, schwarz und im Umgang mit Menschen noch etwas unsicher. Aber die beiden entpuppten sich als Clowns, die liebevoll miteinander toben und sich auch mit ihren Artgenossen bestens verstehen. Die Leine macht ihnen noch etwas Angst, aber die beiden Zweijährigen würden sich als Zweithund mit ausreichend Geduld sicherlich hervorragend machen.

Nicht bösartig, nur verfressen

Nicht ganz so unkompliziert sind die Kandidaten, die schon seit Jahren im Tierheim leben. So zum Beispiel „Benji“. Er war bereits in der Vermittlung, kam jedoch nach anderthalb Jahren zurück, weil er immer wieder zuschnappte. „Er ist nicht bösartig, er ist nur verfressen“, versichert Bergmann.

Denn Benji ist ungeduldig. Hat man ein Leckerli in der Hand, wartet der kleine Terrier-Mix nicht unbedingt darauf, bis man es ihm reicht. Seitdem muss der Kleine während der Gassirunden mit den qualifizierten Gassigängern (Mitglied im BMT und Sachkundenachweis) einen Maulkorb tragen. Die Leute würden sich auf der Homepage einen Hund auswählen und hätten bestimmte Bilder im Kopf.

Ein Hund sitzt auf dem Schoß einer Frau.

Buffy, hier mit Tierheimleiterin Heike Bergmann, kommt aus schlechter Haltung. Sie wurde in einer Kiste im Bad gehalten.

So bei dem niedlichen Jack-Russel-Terrier „Batman“. Die sonst so familienfreundliche Rasse ist im Falle Batmans etwas kompliziert. Er lässt sich von Fremden nicht anleinen, und Kinder mag er auch nicht wirklich. „Er braucht unendliche Gelassenheit und Ruhe und lässt sich auch schon mal mit Leckerlis bestechen.“

Sam und Spike sind ebenfalls zwei Vierbeiner, die bei der Wesensprüfung durchgefallen sind. „Zu Menschen verhalten sie sich 1a“, so Bergmann, „aber mit anderen Hunden können sie halt nicht“. Mit Maulkorb werden Hunde schwer vermittelt, deshalb setzt das Tierheim alles daran, die Hunde wieder gesellschaftsfähig zu machen.

Spike ist seit anderthalb Jahren im Tierheim in Niederaußem

Im Fall von Spike könnte das gelingen. Eine Gassigängerin fährt wöchentlich mit dem schwarzen Schäferhund-Mischling zu Hundetrainer Fabian Bayer nach Ostheim. Seit anderthalb Jahren ist der große Hund in Niederaußem. Sein Besitzer hatte ihn bei Ebay-Kleinanzeigen gekauft. Dabei wurde ihm verschwiegen, dass der Hund im Kreis Düren als gefährlich eingestuft wurde.

„Das Ziel ist eine erneute Wesensprüfung. Das läuft ganz entspannt für ihn ab und er macht seine Sache sehr gut“, sagt die Tierheimleiterin. Es gebe bereits eine Interessentin, die nur darauf warte, dass er positiv abschließe.

Man muss Tiere individuell sehen. Verhalten, Rasse, Alter, Prägung.
Heike Bergmann, Tierheim-Leiterin

Den Tierheimen wird oft vorgeworfen, sie wollten ihre Tiere gar nicht vermitteln. Das ist so nicht richtig, aber nur weil man einen Hund hübsch oder niedlich findet, heißt das nicht, dass er zu einem passt. Um zu verhindern, dass er erneut im Tierheim landet, müssen die Tierpfleger viele Entscheidungen treffen.

„Man muss Tiere individuell sehen. Verhalten, Rasse, Alter, Prägung … Viele Faktoren machen den Charakter eines Tieres aus“, so Bergmann. Man müsse sich mehr Zeit als fünf Minuten nehmen und sich selbst fragen, ob man dem Tier, das man ausgewählt hat, gerecht werden kann. „Viele denken, sie retten ein Tier, das sie zu sich nehmen. Das stimmt so nicht. Es wurde bereits durch uns gerettet“, sagt Bergmann.