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SchieflageWarum der Rheinisch-Bergische Kreis die Berufskollegs übernimmt

Lesezeit 6 Minuten
Luftbild aus 300 bis 400 Metern Höhe von den Berufskollegs und der umgebenden Bebauung in Bergisch Gladbach-Heidkamp.

Das kaufmännische Berufskolleg (oben) und das gewerbliche Berufskolleg Bergisch Gladbach liegen beiderseits der Bensberger Straße in Bergisch Gladbach-Heidkamp.

Mit einem Hilferuf haben sich die Kommunen Bergisch Gladbach, Rösrath, Overath, Kürten und Odenthal an den Kreis gewendet.

„Wir freuen uns, dass es losgeht“, begrüßte Thorsten Schmalt (CDU) am Mittwochabend im Schulausschuss des Kreises, dass die Übernahme der Berufskollegs in Bergisch Gladbach durch den Rheinisch-Bergischen Kreis zum 1. Januar des kommenden Jahres nun in die heiße Phase geht. Hintergründe und Eckpunkte der Umstrukturierung im Überblick:

Warum übernimmt der Kreis die Trägerschaft der Berufskollegs?

Bislang war ein gemeinsamer Zweckverband der Städte Bergisch Gladbach, Rösrath und Overath sowie der Gemeinden Kürten und Odenthal Träger der Berufskollegs. Dessen Geschäftsführer Dettlef Rockenberg fasste die Probleme dieser Trägerschaft voriges Jahr so zusammen: „Diese Institution kann weder personell noch fachlich das leisten, was di e Kreisverwaltung mit ihren Ressourcen bewirken kann.“ Tatsächlich fehlte es an wichtigen Fachklassen, gingen die Anmeldezahlen deutlich zurück. Laut Kreis pendelten schließlich 80 Prozent der Auszubildenden aus dem Kreisgebiet aus, weil sie und ihre Arbeitgeber in Bergisch Gladbach kein passendes Angebot für den theoretischen Teil der dualen Ausbildung fanden. Die Bürgermeister der fünf Trägerkommunen sind daher im Herbst vorigen Jahres an den Kreis mit dem Vorschlag herangetreten, die Trägerschaft der beiden Berufskollegs zu übernehmen. Durch den Wechsel zum Kreis erhoffen sich die Beteiligten eine Verbesserung des Angebots.

Warum soll der Kreis die Aufgabe besser stemmen können?

Der Kreis hat bereits die Trägerschaft mehrerer kommunalübergreifender Schulen. So ist er Träger von fünf Förderschulen im Kreis. Das Amt für Bildung und Integration des Kreises hatte auch den Zweckverband der Berufskollegs bereits unterstützt. Unter anderem wurden eine elektronische Anmeldung eingeführt und die Anmeldezahlen von Fachklassen, die wie die der Industriekaufleute oder der Kaufleute für Groß- und Außenhandel von einer Schließung bedroht waren, wieder gesteigert.

„Es ist sinnvoll, dass der Kreis die wichtige Zukunftsaufgabe der Berufskollegs übernimmt, da er das Know-how dafür besitzt und für die gesamte Region das Berufskollegangebot weiterentwickeln kann“, äußerte sich jüngst Gladbachs Bürgermeister Frank Stein.

Der Übergang der Trägerschaft auf den Kreis soll finanzielle Vorteile bringen, weil das Land in dieser Konstellation höhere Zuweisungen für die Schülerinnen und Schüler zahlt als dies bei der Trägerschaft eines Zweckverbands der Fall ist. Zudem steigt die Schulpauschale, die der Kreis vom Land erhält. Nach einer Musterrechnung sollen bereits 2026 rund 1,1 Millionen Euro mehr in das Berufsschulsystem fließen als derzeit.

Ist es außergewöhnlich, dass ein Kreis die Trägerschaft von Berufskollegs übernimmt?

Nein, ganz und gar nicht. In NRW ist es der gesetzliche Regelfall, dass Berufskollegs von kreisfreien Städten und Kreisen getragen werden. „Durch den Berufsschulzweckverband bildete der Rheinisch-Bergische Kreis hier bisher eine Ausnahme“, so die Kreisverwaltung.

Wie wurde die Übernahme der Trägerschaft organisiert?

Nachdem die Stadt- und Gemeinderäte die entsprechenden Grundsatzbeschlüsse gefasst haben, sind die einzelnen Schritte für die Übergabe der Trägerschaft mit den jeweiligen Schulleitungen vereinbart worden und wichtige Fragen etwa zum Personal, zur IT, zu den Gebäuden und den Finanzen geklärt worden. Derzeit fassen die einzelnen Stadt- und Gemeinderäte Beschlüsse für die Übergabe der Trägerschaft zum 1. Januar 2024 an den Kreis. Danach wird der Zweckverband aufgelöst.

Was geschieht mit dem Personal der Schulen?

Die Lehrerinnen und Lehrer sind beim Land angestellt und werden weiterhin von diesem eingesetzt. Die übrigen Angestellten werden im Rahmen eines Betriebsübergangs vom Kreis übernommen. Das bedeutet einen nahtlosen Übergang auf den Kreis als Rechtsnachfolger des Berufsschulzweckverbands. Insgesamt handelt es sich um etwas mehr als zwölf Stellen vom Gebäudemanagement bis zum Sekretariat, für die im Stellenplan 2024 des Kreises ein eigener Posten „Berufskollegs in Bergisch Gladbach“ eingerichtet wird.

Was ist mit den Gebäuden? Ziehen die Berufskollegs dann zum 1. Januar um?

Nein, sie bleiben erstmal in den bisherigen Gebäuden, die der Kreis nun von der Stadt Bergisch Gladbach anmietet. Gleichwohl sind sich alle Beteiligten einig daran, dass auch an der Gebäudesituation dringend etwas getan werden muss, da die Gebäude teils sehr marode, die Ausstattung dringend modernisierungsbedürftig ist. Es handele sich um eine „unstrittig sehr kritische Gebäudesubstanz“ hieß es im Schulausschuss des Kreises. Im Dezember soll der Kreistag einen Mietvertrag mit einem verbindlichen Maßnahmenplan für die baulichen und technischen Mängel vorgelegt bekommen. Im Gespräch war im Vorfeld auch einmal mittelfristig ein kompletter Umzug der Berufskollegs an einen zentraleren Standort, beispielsweise auf dem Zanders-Gelände.

Was ist mit der IT der Berufskollegs?

Das IT-Netz für die Schulverwaltung und das pädagogische Netz sollen laut Kreis getrennt werden. Die Verwaltungsarbeitsplätze sollen voraussichtlich in die Strukturen der Kreisverwaltung integriert werden. Die notwendigen Ersatzbeschaffungen für IT-Ausstattung berücksichtigt der Kreis bei seinen Haushaltsplanungen. In der weiteren Folge soll dann die Hardware kontinuierlich ausgetauscht, modernisiert und „gemäß den gültigen Standards und Richtlinien des Kreises und unter Berücksichtigung des bestehenden Medienentwicklungsplans für die Berufskollegs sichergestellt werden.

Wie wird das Ganze finanziert?

Durch die Übernahme der Trägerschaft durch den Kreis sollen die bisher im Zweckverband organisierten fünf Kommunen nicht höher belastet werden als bisher. Und auf die bislang nicht im Zweckverband organisierten Kommunen im Nordkreis (Leichlingen, Burscheid, Wermelskirchen) soll die Übernahme keine Auswirkungen haben. Der Kreis erhält durch die Übernahme der Trägerschaft höhere schülerbezogene Landeszuweisungen. Da die Berufskollegs nach wie vor vor allem den bisherigen fünf Trägerkommunen dienen, wird für diese Kommunen eine eigene Kreisumlage für die Berufskollegs eingerichtet. Über diese sollen sie nach dem gleichen Verteilungsschlüssel wie bisher im Rahmen des Zweckverbands zur Finanzierung mit herangezogen werden. Vergleichbar ist diese neue Umlage etwa mit der Jugendamtsumlage, die auch lediglich die Kommunen Kürten, Odenthal und Burscheid zu zahlen haben, die über kein eigenes Jugendamt verfügen und für die das Kreisjugendamt diese Aufgabe wahrnimmt.

Mit welchen Kosten rechnet der Kreis?

Für nichtpädagogisches Personal, Miete und Aufwendungen für Ausstattung, Schülerbeförderung, Lehr- und Lernmittel kalkuliert der Rheinisch-Bergische Kreis mit gut 6,3 Millionen Euro. Durch die Umlage der beteiligten Kommunen, Erträge und Zuweisungen des Landes kalkuliert er 4,2 Millionen Euro an Einnahmen. Weitere 2,1 Millionen Euro sollen durch Mehrerträge bei den Schülsselzuweisungen generiert werden.


Das plant der Kreis mit den Berufskollegs

Nach eigenen Angaben plant der Rheinisch-Bergische Kreis, „künftig das derzeit viel zu geringe Angebot an zukunftsweisenden Fachklassen an den beiden Berufskollegs in Bergisch Gladbach auszubauen und damit dem Bedarf der Unternehmen in der Region und dem Arbeitsmarkt Rechnung zu tragen“.

Dies sei von großer Bedeutung, so der Kreis, „da derzeit rund 80 Prozent der Berufseinsteigerinnen und -einsteiger, die eine duale Ausbildung absolvieren, an ein Berufskolleg im Umland auspendeln. Der Grund dafür ist das fehlende Angebot an den hiesigen Berufskollegs. Dies birgt die Gefahr, dass die neuen Fachkräfte nach ihrer Ausbildung nicht im Rheinisch-Bergischen Kreis bleiben und für die regionale Wirtschaft verloren gehen.“ Ebenso steht laut Kreis auf der Agenda, die vorhandenen wichtigen Fachklassen zu sichern. (wg)