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Bilanz Leichlinger Krisenstab500 Keller vollgelaufen - Auf weiteren Regen vorbereitet

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In Diepental baggert das Technische Hilfswerk den Unterwassergraben frei, so kann das Wasser kontrolliert ablaufen.

Leichlingen – Bürgermeister Frank Steffes kennt das Gefühl: „Schon wenn dunkle Wolken aufziehen, bekommt man Panik.“ Wenn das schon bei ihm so sei, der von der Leichlinger Flutkatastrophe 2018 persönlich kaum betroffen war und während jener verhängnisvollen Nacht am vergangenen Mittwoch noch im Urlaub im Schwarzwald weilte – „Da kann man sich kaum vorstelle, wie es Menschen geht, die alles verloren haben.“ Als wichtigste Botschaft aus dem Krisenstabstreffen am Mittwoch, eine Woche nach dem Unwetter, will er deswegen nicht nur zurück gucken, sondern auch eine Botschaft für das kommende Wochenende loswerden: Der Krisenstab tut alles, um die Stadt auf weitere Regenfälle vorzubereiten.

Fachfirmen reinigen die teils verstopften Kanäle.

Der Diepental-Deich wurde erneut überprüft. „Er ist absolut standfest. Nach menschlichem Ermessen kann da nichts mehr passieren.“ Ein zweiter Ablauf der Diepentalsperre wird aktuell von Geröll freigeräumt, dass auch da das Wasser wieder fließen kann. Der Teich am Hasensprung, bei dem am Dienstag ein Problem festgestellt wurde, das zur kurzfristigen, erneuten Evakuierung von Büscherhöfen geführt hatte, ist leergepumpt. „Da haben wir jetzt auch einen großen Puffer für mögliche neue Regenfälle“, sagt Steffes.

Ein Teil des Leichlinger Krisenstabs.

Außerdem wurden Regenwasserkanäle wieder freigeräumt und Pumpwerke in Stand gesetzt. Kurzum: Wenn am Samstag wie vorhergesagt dunkle Wolken aufziehen sollten, soll niemand in Panik verfallen. Zumal die Regenmengen viel geringer ausfallen sollen, als es in der letzten Woche der Fall war. Diese bilanzierte der Krisenstab eine Woche nach dem Starkregen.

Feuerwehr

Von einem 10 000-jährigen Ereignis sprach Stadtbrandinspektor Björn Heitmann im Rückblick. Das ist zwar nur eine statistische Größe, wie ungewöhnlich die Regenfälle tatsächlich waren, zeigt sich aber zum Beispiel auch daran, dass sämtliche Überflutungsberechnungen des Wupperverbandes übertroffen wurden. „Wir haben für die Evakuierung die Karte mit dem Worst-Case-Szenario genommen“, sagt Ingolf Bergerhoff. „Diese wurde noch deutlich übertroffen.“ Insgesamt ist die Feuerwehr in einer Woche 700 Einsätze gefahren, mehr als sonst in einem ganzen Jahr.

Der Keller des Bürgerhauses Am Hammer wird leer gepumpt.

Am dramatischsten in Erinnerung geblieben ist sicherlich der Brand in der Neukirchener Straße mitten im Hochwassergebiet. „Das war eine Harakiri-Aktion unter Einsatz unseres Lebens“, sagt Heitmann. Auf Rettungsbooten der DLRG, die bei der Strömung schon eigentlich schon nicht mehr hätten fahren dürfen, konnten sie zwei Menschen aus dem brennenden Haus retten, eine gehbehinderte Person im Dachgeschoss konnte nicht mehr gerettet werden. Mit einem zum Löschfahrzeug umgebauten Unimog und dem Einsatz eines Polizeihubschraubers konnte der Brand nach vielen Stunden gelöscht werden.

Städtische Gebäude

Am Donnerstagmittag erst wurde dann das ganze Ausmaß der Zerstörung offenkundig. „Rund 500 Keller und teilweise Erdgeschosse waren vollgelaufen und alle Tiefgaragen in der Innenstadt“, sagt Bürgermeister Steffes, der seinen Urlaub direkt abgebrochen hatte und 500 Kilometer mit dem Moped aus dem Schwarzwald angedüst kam. Auch viele städtische Gebäude sind stark in Mitleidenschaft gezogen: Das ehemalige Hauptschulgebäude und die Turnhalle wurden stark beschädigt. Das Gymnasium ist verschont geblieben, an der Realschule hat sich das Grundwasser im Boden der Turnhalle gesammelt. Besonders schwer getroffen ist die Paul-Klee-Schule des LVR – das zweite Mal nach 2018. Auch das Alte Rathaus ist schwer beschädigt, aber noch standsicher.

Das alte Rathaus und das angeschlossene Gebäude sind weniger stark betroffen als befürchtet.

Im aktuellen Rathaus ist der Keller samt Stadtarchiv überflutet worden. Hier wird in diesen Tagen gemeinsam mit dem Archivnetzwerk daran gearbeitet, die Archivalien zu sichern. „Das heißt nicht trocknen, sondern erst einmal mit einer gewissen Restfeuchte einfrieren“, erläutert Steffes. Dann ließen sich die Seiten später besser trennen. Auch das Jugendzentrum und diverse Sportplatzanlagen – alles ist stark sanierungsbedürftig.

Stromversorgung

Noch in der Nacht musste ein Großteil der Stadt vom Stromnetz getrennt werden. „Strom und Wasser ist eine gefährliche Kombination“, erläutert Heitmann. Mittlerweile ist die Stromversorgung von Seiten der EVL wieder hergestellt, allerdings sind weiterhin rund 500 Haushalte ohne Strom. Vermutlich, weil Leitungen, die über die Wupper gehen, irreparabel beschädigt sind.

Müll

Eine Mammutaufgabe nannte Bauhof-Leiter Andreas Pöppel die Entsorgung der riesigen Müllberge. Am Donnerstag war er von 3000 bis 4000 Kubikmetern Sperrmüll ausgegangen. Mittlerweile türmen sich 20 000 Kubikmeter auf dem Sportplatz Balker Aue, der als Notmüllhalde herhalten muss. „Das ist ein vielfaches des Jahreswertes“, berichtet Pöppel. Er ist stolz und dankbar, dass die Entsorgung mit Hilfe vieler Baufirmen und Landwirte so schnell und reibungslos abgelaufen ist. „Das war auch wichtig, es bestand erhebliche Brand- und Seuchengefahr, wenn das länger da liegen geblieben wäre.“

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Überhaupt sind sich alle Beteiligten einig, dass das Lob an alle Helfer nicht überschwänglich genug ausfallen können. Steffes zeigte sich beeindruckt, welche Mengen an Wasser Landwirte mit ihren Güllepumpen abgepumpt haben. „Die waren Gold wert.“