Stadtspaziergang durch LeichlingenHindernis-Parcours für Fußgänger
Leichlingen – Es würde alles besser gehen, wenn man mehr ginge. Das hat einst der Schriftsteller Johann Gottfried Seume behauptet und eine Lanze für Fußgänger gebrochen. Man könnte noch besser gehen, wenn einem nicht so viele Hindernisse in den Weg gelegt würden. Das haben die Teilnehmer der Stadtwanderung mit Klimaschutzmanagerin Monika Meves gemerkt, die als Scouts für das in Arbeit befindliche Leichlinger Mobilitätskonzept jetzt zwei Stunden lang auf Inspektions-Rundgang durchs Zentrum waren.
Sie stießen überall auf Stolperschwellen, Engpässe und andere Gefahrenstellen und Behinderungen. Es fehlen an vielen Stellen sichere Überwege und freie Sichtachsen. In Konkurrenz zum motorisierten Verkehr, das wurde den 40 Bürgerinnen und Bürgern, die an dem Rundgang teilnahmen, deutlich, ziehen die Fußgänger oft den Kürzeren und müssen zurückstecken.
Das gilt auch für Gehbehinderte: Ein Teilnehmer mit Rollator wies unterwegs auf lose Pflastersteine, bei Nässe glatte Metallgitter vor Lichtschächten, Plakatständer vor Geschäften und andere Beschwernisse hin.
Autos verbauen die Sicht
Etliche Benachteiligungen sind den Einwohnerinnen und Einwohnern gar nicht mehr bewusst, weil sie sich schon daran gewöhnt haben. Es war das Verdienst der fünf jungen Verkehrs- und Stadtplaner aus den beiden Ingenieurbüos Via und Isaplan aus Köln und Leverkusen, den Ortskundigen die Augen für Missstände zu öffnen.
Ihnen ist bei ihren Besuchen in Leichlingen sofort aufgefallen, dass viele Straßen am Fahrbahnrand bis weit in die Einmündungsbereiche hinein, auch unzulässig weit, zugeparkt sind. Vor und hinter Kreuzungen und Einmündungen müssen mindestens fünf Meter Abstand von der Schnittkante eingehalten werden, wenn nebenan ein Radweg verläuft sogar acht Meter.
Die Praxis sieht angesichts der Autodichte anders aus, was man sich etwa im Viertel rund um die Katholische Grundschule zwischen Heinrich-Gier-Straße und In der Meffert ansehen kann. Was dazu führt, dass nicht nur Kinder den Verkehr schlecht einsehen können und sich auf dem Schulweg zwischen Blech eine Lücke suchen müssen. Auch für Auto- und Radfahrende ist das Abbiegen an vielen Ecken ein Blindflug, weil man den entgegenkommenden Verkehr nicht einsehen kann.
Wildwechsel
Ein anderes Beispiel, das Alteingesessene schon lange hinnehmen: Zwischen der Adler-Apotheke und dem Blumenpavillon am Stadtpark herrscht ständig reger Fußgängerverkehr. Die Stelle ist eine Hauptachse für die fußläufige Erreichbarkeit des Busbahnhofs. Aber die Überquerung der viel befahrenen Kirchstraße gleicht einem Wildwechsel, weil Passanten hier keinerlei Schutz genießen. Dass es hier keine sicherere Überquerungshilfe gibt, ist ein Unding, finden die auswärtigen Beobachter. Denn der Umweg über den Zebrastreifen am Kreisverkehr ist keine attraktive Alternative. „Wir haben schon überlegt, ob wir hier eine Überquerungshilfe empfehlen werden“, gab Svenja Gest von Isaplan eine Vorschau auf das Verkehrsgutachten.
Das gleiche gilt für die Überquerung der Gartenstraße zwischen Montanus- und Adler-Apotheke: Vor den oft zügig und gerne auch mit „Schneiden“ der Eingangskurve in die Gartenstraße einbiegenden Autos müssen die Menschen schauen, dass sie gut auf die andere Seite kommen. Denn verkehrstechnisch wird ihnen dabei nicht geholfen. Die Experten erwägen hier, am Eingang zur Tempo-30-Zone eine deutlichere Verengung der Fahrbahn anzuregen.
An dem Schauplatz im Zentrum stoppte die Gruppe noch aus einem anderen Grund. An den taktilen Orientierungselementen, die auf dem Bürgersteig zwischen dem Blumenpavillon und der Volksbank mit weißen Steinen im Pflaster angebracht worden sind, gehen die meisten wohl achtlos vorbei. Wer am Rundgang teilgenommen hat, tut es nicht mehr.
In die Irre geführt
Denn Isaplan-Mitarbeiter Elias Droste führte mit dem Blindenstock vor, dass Sehbehinderte hier geradewegs ins Verderben geleitet werden, sollten sie den Wegweisern blind folgen: Die Streifen des Richtungsfeldes, die Sehbehinderte auf dem Boden ertasten sollen, führt nicht auf die andere Straßenseite, sondern mitten auf die gefährliche Kirchstraße. Vor vielen Jahren gut gemeint, aber völlig falsch gemacht, lautete kopfschüttelnd das Urteil.
Nach dem Start auf dem Marktplatz stieß die interessierte Gruppe zunächst auf ein Ärgernis, das allerdings allen Passanten gut vertraut ist: Die langen Wartezeiten an der Ampel von der Brückenstraße hinüber zum Marktplatz. Das Opfer bringen Fußgänger andauernd, damit der Auto- und Busverkehr zwischen Wallgraben und Stadtpark nicht zusammenbricht. Sie werden von der Verkehrsplanung hier benachteiligt. Schon beim Bau des Brückerfeldes in den 80er Jahren war das Problem erkannt, damals eine Unterführung diskutiert, aber verworfen worden. Da die Mobilitätswende den motorisierten Verkehr so schnell nicht dezimieren wird, hilft wohl nur Abwarten und „mal Pause machen, innehalten und sich umschauen“, empfahl eine Teilnehmerin als Mittel gegen die Hetze.
Und man muss wirklich auf den gelben Knopf am Ampelmast drücken, denn sonst springt die Leuchte nie auf Grün. Das vergessen viele und warten unnötig lange, zumal das frühere Zusatzlicht, das die Signalauslösung anzeigte, verschwunden zu sein scheint. Angeregt wurde außerdem, dort eine Countdown-Anzeige anzubringen, die einem die Wartezeit vertreibt.
Kollision mit Lampenmast
Die Mängelliste wurde länger und länger. An der Ampel vor der Sekundarschul-Turnhalle blockieren wartende Fußgänger genau den Radweg. In der Brückenstraße gefährden rückwärts ausparkende Autos Passanten und Radfahrer – Vorschlag zur Abhilfe: Längs- statt Schrägparker. In der Mittelstraße stehen Laternenpfähle mitten auf dem ohnehin schmalen Gehweg. Vor den Ausfahrten der Parkplätze am Pastorat und an der evangelischen Kirche wünschte man sich deutlichere Haltelinien vor dem Überqueren der Geh- und Radwege.
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Die bei dem Stadtrundgang, einem Online-Workshop und der Internet-Umfrage „Wege-Detektiv“ gewonnenen Erkenntnisse fließen nun in die Protokolle und Verbesserungsvorschläge des Mobilitätsgutachtens ein. Gewünscht wurden von den Bürgerinnen und Bürgern ein ähnlicher Spaziergang durch Witzhelden sowie eine Rad-Rundfahrt, um weiteren Mängeln auf die Spur zu kommen.