Einzelhandel in RösrathSo starten Unternehmerinnen nach der Flut neu
Rösrath – Ein warmer Sommertag an der Hauptstraße in Rösrath-Hoffnungsthal. Es ist einiges los. Die Parkplätze füllen sich, die Geschäfte öffnen, viel Durchgangsverkehr und dazwischen erledigen Passanten ihre Einkäufe. Den Stillstand, das lange Warten nach der Hochwasserkatastrophe vor einem Jahr und die zeitaufwendige Sanierung haben viele Geschäftsinhaberinnen und -inhaber überstanden. Anlass genug, einige von ihnen zu besuchen.
Eine frische Torte hat Linda Leidens gerade in die Vitrine gestellt. Schon landen die Eier für den zweiten Kuchen in der Rührmaschine. „Den Schokokuchen möchte ich fertig haben, ehe wir öffnen“, sagt die Inhaberin von „Tante Lille“. „Denn wenn die Gäste kommen, haben wir reichlich zu tun.“ Kleine Rispentomaten, Melone und Mozzarella schneidet derweil Nina Flörske für den Salat des Tages in mundgerechte Stücke.
Mehr Platz im neuen Geschäft
„Ohne die Hilfe meiner Freundin Nina würde ich es nicht mehr schaffen“, erzählt Linda Leidens. Mit ihrem Concept-Store – frische, selbst gemachte Speisen, ein kleiner Gastrobereich sowie Genussartikel und Wohnaccessoires – ist die Geschäftsfrau im Juni ein zweites Mal gestartet. Das frühere Ladenlokal des Blumengeschäftes von Frauke Esser hat sie umgebaut und neu eingerichtet. Leidens: „Ich habe jetzt mehr Platz in der Küche, und ich kann die Ware besser präsentieren. Meine Mittagsgerichte werden zum Mitnehmen geordert, aber im Moment bleiben viele Kunden hier zum Essen.“
Die gelernte Diplom-Kauffrau hatte zuvor ein Hotel geführt und eröffnete in ihrer Wahlheimat im März 2021 ihren Concept-Store „Tante Lille“. Nach nur vier Monaten spülte das Hochwasser ihre Geschäftsidee einfach weg. Wenn Linda Leidens jetzt am neuen Ladenlokal draußen die grünen Tische und Stühle aufbaut, kommen in Minuten die ersten Gäste. Kaffee, Limonade, Kuchen, Baguette, Kichererbsen-Curry – der Laden ist gefragt.
Handwerk der Augenoptiker ist gefragt
Nicht weniger gefragt in Hoffnungsthal ist das Handwerk des Augenoptikers. „In den ersten Wochen nach unserer Wiedereröffnung wurden wir von der Kundschaft überrannt“, erzählt Arlette Becker, Inhaberin des Optikergeschäftes „Die Brillen Villa“. Wenig verwunderlich, denn fast ein Jahr blieb ihr Fachgeschäft wegen der Sanierung geschlossen. Zudem hat Thomas Weindel sein Geschäft „Brillen Thomas“ am Standort Hoffnungsthal aufgegeben. Becker: „Dadurch ist unser Kundenstamm weiter gewachsen, was uns sehr freut.“
Ihre beiden Augenoptikermeister Alexandra Arenz und Christoph Mirbach hat die Unternehmerin durch Kurzarbeit halten können. Eine Elementarversicherung und eine Betriebsausfallversicherung habe sie abgesichert. Das Optikergeschäft habe sie nach dem Hochwasser komplett neu ausstatten müssen. „Bis auf den alten Zahnarztschrank als Kassentheke ist alles neu“, sagt Arlette Becker. Mittelpunkt ist ein langer Tisch mit einer dicken, geschwungenen Platte aus Zirbenholz – drumherum eine Sitzbank und fünf Sessel. Alte Möbelstücke, wie eine Werkbank, fügen sich passend ein.
Anfang des Jahres konnte Arlette Becker die Wiedereröffnung noch nicht absehen. Jetzt sei klar: „Wir werden unsere Stunden aufstocken müssen. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Ich bin zufrieden.“
Auch Tanja Simons ist sich sicher, dass sie richtig entschieden hat. Denn mit der Eröffnung ihres Fachgeschäftes für edle Tischkultur „simons“ habe sie sich einen Herzenswunsch erfüllt. Als das Ladenlokal von „Brillen Thomas“ frei wurde, sah sie ihre Chance. „Ich bin begeistert von schönen Sachen und farbenfroh gedeckten Tischen“, sagt die Inhaberin, die mit ihrer Familie seit etwa zehn Jahren in Hoffnungsthal lebt. Mit ihrer Geschäftsidee stellt sich die Betriebswirtin, mit Erfahrung im Controlling und Personalwesen, beruflich auf neue Füße.
Raritäten zum Anfassen
Raritäten und kostbare Stücke haben es Tanja Simon angetan. „Porzellan wie Versace von Rosenthal, oder Tischdecken nach Maß – Produkte, die man anfassen muss und nicht im Internet bestellt“, sagt sie. Auch müsse man als Geschäftsfrau findig sein, um ausgefallene Schönheiten zu entdecken. Dazu gehören auch Einzelstücke. „Ich bestelle, wenn gewünscht, auch nur eine Tasse oder einen Teller nach. Dieser Service und die Auswahl kommen gut.“
Großes Glück in der Flutkatastrophe hatte das Architektenpaar Ute und Michael Wahn mit seiner Immobilie Hauptstraße 236. Die Mieterinnen Heike Albrecht, Inhaberin von „Marie – Wohnen und Mode“ und Brigitte Steinmetz, sie bietet Designermode an, konnten schon vergangenen Herbst wieder öffnen. „Wir haben schnell saniert“, sagt Ute Wahn. Kürzlich habe noch der Hausflur einen neuen Anstrich bekommen.
„Ich bin froh über jeden Tag hier in Hoffnungsthal“, sagt Brigitte Steinmetz. Und Heike Albrecht bedankt sich für die Unterstützung im Ort: „Die Kundinnen und Kunden sind einmalig hier.“