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Erfahrungsbericht zu TelefonmascheWie sich Betrüger die Angst zu nutze machen

Lesezeit 3 Minuten

Unsere Autorin ist fast auf einen Telefonbetrug hereingefallen. Symbolbild.

Rhein-Berg – Zunehmendes Alter zeigt sich nicht nur an Falten, grauen Haaren oder abnehmender Elastizität fast sämtlicher Körperteile. Abzulesen ist es auch daran, für welche Art von kriminellen Delikten man ein attraktives Opfer abgibt.

Wurde ich als Kind eindringlich davor gewarnt, mich von fremden Menschen ansprechen zu lassen, waren es beim ersten Autokauf einige Jahre danach dubiose Schrottwagenhändler, vor denen ich mich in Acht nehmen sollte. Später dann die Jahre der Eigentumsdelikte. Und nun bin ich offensichtlich in die Phase der Enkeltricks eingetreten. Wobei ich noch gar keine Enkelkinder habe, was aber für kreative Kriminelle ganz offensichtlich kein Hinderungsgrund ist.

Die Masche funktioniert nicht nur mit Enkeln

Denn die Masche funktioniert nicht nur mit Enkeln, sondern auch mit Kindern. Und das so gut, dass ich mein bis dato gepflegtes Vorurteil, auf so plumpe Betrügereien fielen nur äußerst arglose oder sehr, sehr alte Menschen herein, schlagartig revidieren musste.

Es ist später Nachmittag, der letzte Arbeitstag vor dem Urlaub fast geschafft, da klingelt das Telefon noch einmal. „Anonym“, zeigt das Display an. Eigentlich ein Warnzeichen, doch seit ich häufig im Homeoffice arbeite, ist die Hemmschwelle gesunken. Aus dem Hörer schrillt mir die panische Stimme meiner Tochter entgegen, von der ich weiß, dass sie in ein paar Minuten mit dem Auto hier eintreffen will. „Mama, Mama, ich hatte einen Unfall“, weint sie – und die vollautomatische Funktion „Mutter rettet ihr Kind“ springt bei mir an.

Endlich fällt der Groschen

Ich versuche, ruhig zu bleiben und den Standort meiner Tochter herauszufinden, aber die wird immer panischer: „Ich habe jemanden angefahren“, heult sie ins Telefon und übergibt an eine Polizistin. Die ist bei ihrer Vorstellung samt Dienstgrad perfekt, professionell und souverän – was man von mir als Mutter in diesem Augenblick nicht mehr sagen kann. Bei Rot eine Ampel überfahren, zwei Frauen verletzt, eine tot…, höre ich und sehe vor meinem geistigen Auge ein Blutbad und ein schwer traumatisiertes Kind, das ich fortan zu Therapien werde begleiten müssen.

Die Polizistin redet unterdessen ungerührt weiter. Und dann sagt sie: „ …. muss ihre Tochter sechs Wochen in Untersuchungshaft.“ Ein Gefühl von Glück überflutet mich. Denn mir fällt es erstens wie Schuppen von den Augen und zweitens ein Stein vom Herzen. Alles Fake, Schwindel, Betrug. Zu viele Polizeimeldungen habe ich im Berufsalltag schon gelesen und geschrieben, in denen genau dieser Satz die übliche Einleitung zur Forderung des Anrufers nach Geld ist, nach einer Kaution für den Unfallverursacher.

Doch nie hätte ich gedacht, wie sprachlich perfekt und psychologisch geschickt diese Anrufe vorbereitet sind. Von der beschämenden Erkenntnis, in Panik noch nicht einmal die Stimme der eigenen Tochter zu erkennen, einmal ganz abgesehen. Meine Erleichterung löst sich in einer hemmungslosen Beschimpfung der falschen Polizistin, die seltsamerweise dafür in der Leitung bleibt, während meine Tochter plötzlich unversehrt in der Tür steht und sich über das ungewohnt derbe Vokabular ihrer Mutter wundert.