Rhein-Berg – Gut Ding will Weile haben. Auch in der Elektromobilität. Denn während sich auch in unserem überwiegend ländlichen Rheinisch-Bergischen Kreis die Zahl der E-Autos in den vergangenen Jahren vervielfacht hat, hapert es beim Ladesäulen-Ausbau an Dingen, die so fernliegend sind, dass man erst einmal darauf kommen muss.
Zwar gibt es aktuell in und um Bergisch Gladbach auf dem Papier beziehungsweise auf dem Handy-Display reichlich Möglichkeiten, den Elektrotiger in den Tank zu packen. Aber dann gibt es so absurde Geschichten wie die, dass die wohl zentralste aller zentralen Elektroladesäulen in Gladbach zwar schon mindestens seit dem 7. Januar Strom liefert, sie aber bis heute nur im Ausnahmefall genutzt werden kann.
Ladestation wird als normaler Parkplatz genutzt
Grund: Der Standort An der Gohrsmühle 18, also der Parkplatz an der Ecke Schnabelsmühle/Konrad-Adenauer-Platz, ist so zentral, dass er für jedwede Person unabhängig von Alter, Geschlecht und antriebsmäßiger Orientierung (elektrisch oder Verbrenner) als Parkplatz höchst begehrt ist. Und bislang kein Schild regelt da was.
Für gefrustete Elektromobilisten, die niemals auf die Idee kämen, eine Benzin-Zapfsäule zuzuparken, findet Belkaw-Sprecher Lutz-Peter Eisenhut Worte des Trostes: „Coronabedingt und aufgrund von Lieferschwierigkeiten hat sich die Beschilderung einiger Ladestationen verzögert.“
E-Autos boomen im Rheinisch-Bergischen Kreis
Inzwischen, so der Sprecher weiter, gebe es aber eine Firma, die die fehlenden Schilder schnellstmöglich aufstellen werde. Eisenhut: „So lange die entsprechenden Schilder fehlen, kann das Ordnungsamt auch keine Falschparker (Verbrenner an Ladesäule) belangen“ – und das sinnigerweise an dem städtischen Gebäude, von dem aus morgens die Politessen ausschwärmen. Andere praktische Probleme benennt der Belkaw-Mitbewerber On Charge GmbH, der die Gladbacher Wohngebiete versorgen soll.
Elektromobilität in Rhein-Berg
Nadelöhr Tiefbau
Probleme nicht mit Schildern, aber mit Baggern führt der zweite Anbieter an, der nach dem Willen der Stadt Bergisch Gladbach Ladestationen in Wohngebiete bringen soll: Das Kölner Start-up-Unternehmen On Charge GmbH ist nach eigenen Angaben zwar schon in diversen Städten mit seinem Konzept erfolgreich gewesen und hat mehrere Dutzend Ladestationen aufgestellt, nicht aber in Gladbach. Der Grund laut Sprecherin Alina Rösken: „Das schwerwiegendste Problem bei der Errichtung in BGL ist der Mangel an für den Straßenbau zertifizierten Tiefbauunternehmen in der Stadt.“ Nur ein Subunternehmen sei für die Aufgrabungen auf den Straßen zugelassen. Gleichwohl hoffe On Charge, in diesem Monat die ersten Säulen in Gladbach aufzustellen – wo genau, ließ die Sprecherin allerdings auch auf Nachfrage zunächst offen. (sb)
Die Suche nach der Ladesäule
Zu den Standard „Ja, aber“-Einwänden gegen E-Autos zählten in der Vergangenheit neben der Rohstoff-Knappheit bei Lithium drei Einwände: zu geringe Reichweite, zu große Ladedauer und zu große Unübersichtlichkeit.
Bei der Reichweite gibt es inzwischen Fahrzeuge, die 600 oder mehr Kilometer schaffen, und was die Ladedauer angeht, so gibt es längst viele Modelle, die nicht mehr auf den langsamen Standard-Wechselstrom (AC) angewiesen sind, sondern die auch mit dem deutlich schneller fließenden Gleichstrom (DC) zurechtkommen.Man kann sich das so vorstellen: Wechselstrom fließt wie Wasser durch einen dünnen Gartenschlauch, Gleichstrom dagegen wie Wasser durch das dickste Rohr, das die Feuerwehr zu bieten hat. Dementsprechend geht das „Tanken“ beziehungsweise Laden viel schneller.
Geblieben ist die Unübersichtlichkeit beim Laden. Die Kommunen und Kreise arbeiten nach den Worten von Gladbachs Sprecherin Marion Linnenbrink aktuell an einem „interkommunalen Ladeinfrastrukturkonzept der Kommunen des Rheinisch-Bergischen-Kreises und der Stadt Leverkusen“. Damit solle eine Grundlage zum „strategischen Aufbau einer bedarfsorientierten Ladeinfrastruktur für Rhein-Berg und die beteiligten Kommunen für die nächsten zwei, fünf und zehn Jahre“ entwickelt werden.
Wer auf praktische Hilfe bei der Suche nach einer Ladesäule sucht, sollte statt auf Stadt oder Kreis besser auf eine oder noch besser mehrere Apps setzen und vor dem Laden gucken, welche Karte er am besten benutzt. (sb)
Dabei boomen die E-Autos in Rhein-Berg. Die Zahl der neu zugelassenen Elektrokutschen hat sich nach den Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes von 2018 bis 2022 von 164 auf 2.763 erhöht. Allein vom 1. Januar 2021 bis 1. Januar 2022 hat sich die Zahl mehr als verdoppelt. Hinzu kommen die Sowohl-als-auch-Autos, die Hybrid-Fahrzeuge. Deren Zulassungszahl ist von 1.085 in 2018 auf 7.256 in 2022 geklettert.
Eigentlich kein Ladenotstand im Kreisgebiet
Dass es trotzdem keinen Ladenotstand gibt, dafür sorgen im Kreis neben den Grundversorgern auch orts- und branchenfremde Anbieter, zum Beispiel „Energie Baden-Württemberg“ oder die Lebensmittel-Kette Aldi. Beide bringen Tempo beim Tanken ins Spiel, und zwar dadurch, dass sie gerne statt Wechselstrom den viel fixeren Gleichstrom verkaufen, was die Ladedauer deutlich senkt. Jedoch ist nur ein Teil der E-Autos dafür geeignet.
Bei den Wechselstrom-Ladesäulen steht die Belkaw in ihrem Gebiet – Bergisch Gladbach, kürten und Odenthal sowie Burscheid, Leichlingen und Lindlar – in der ersten Reihe der Anbieter. Allein in Bergisch Gladbach gibt es laut Belkaw inzwischen 32 Ladepunkte (Stand 11. Mai), an denen Menschen laut Bürgermeister Frank Stein „ihre Elektroautos jederzeit bequem aufladen können“. Im Belkaw-Versorgungsgebiet sind es 56.
Viele Anbieter auf dem Markt
In Rösrath haben die dortigen Stadtwerke im Juni drei neue Ladesäulen für sechs E-Autos am Bahnhof Rösrath, in der Bahnhofstraße in Hoffnungsthal und am Halfenhof in Forsbach eingerichtet. Weitere Lademöglichkeiten gibt es unter anderem an der A 3.
In Overath schließlich tummeln sich gleich zwei Stadtwerke-Anbieter: Die Stadtwerke Overath schenken ihren „O-Saft“ unter anderem am Rathaus und am Bauamt aus, die Aggerenergie betreibt ihre Ladestationen etwa an der Siegburger Straße, am Steinhofplatz und An den Gärten. Beide gehören unterschiedlichen E-Mobilitätsverbünden an: Die Stadtwerke Overath zu „ladenetz.de“, zu dem auch die Rösrather gehören, die Aggerenergie dagegen zum „TankE“-Netz, zu dem auch die Belkaw zählt.
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Für den Kunden ist das übrigens nicht egal: Oft richtet sich der zu zahlende Preis nämlich auch danach, mit welcher Tankkarte oder App man sich an der Säule anmeldet. Aber das kennt ja auch jeder Bankkunde, der sich mit Bargeld am besten am Automaten des eigenen Verbundes (Sparkassen, Genossenschaftsbanken, Privatbanken) versorgt – sofern er nach den vielen kriminellen Sprengungen überhaupt noch einen funktionierenden Automaten findet...