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„Das ist nicht einfach“Bergische Gastronomie zwischen Solidarität und Verzweiflung

Lesezeit 4 Minuten

Die Gastronomen argumentieren damit, dass die Hygieneregeln sehr ernst genommen und genau erfüllt werden.

  1. Dass der neuerliche Lockdown die Gastwirte ärgert und entsetzt, versteht sich von selbst.
  2. Auch die Gäste sind wieder betroffen.
  3. Von vielen wird die Maßnahme als ungerecht angesehen.

Rhein-Berg – „Das regt mich wirklich auf,“ sagt Timo Boxberg. Der 41-jährige Uhrmachermeister ist ein- bis zweimal die Woche mit Frau und zwei Kindern im Haus Lüdenbach in Overath zu Gast, seit zehn Jahren, da ist man fast wie zu Hause, und auch die Kinder fühlen sich pudelwohl. „Man sieht doch, dass in der Gastronomie die Hygieneregeln sehr ernst genommen und genau erfüllt werden.“ Wirt Andreas Lüdenbach hat ordentlich investiert. „Und im Sommer ist es auch gut gelaufen“, sagt Lüdenbach. Jetzt heißt es wieder „Essen to go“. Familie Boxberg will auf jeden Fall regelmäßig vor der Tür stehen. So wie im Frühjahr schon.

Als Karin und Werner Degen-Schmidt am Mittwoch davon hörten, dass die Gastronomie im November schließen muss, griffen die beiden Gladbacher umgehend zum Telefonhörer – und riefen im Gronauer Wirtshaus an. Dort gehen sie seit Jahren regelmäßig zum Essen. „Jetzt kommen wir bis zur Schließung am Sonntag jeden Abend“, sagt Karin Degen-Schmidt und schüttelt den Kopf: „Sie sehen ja, wie hier auf die Hygiene, Abstand und alle anderen Corona-Schutzmaßnahmen geachtet wird. Und die sollen jetzt zumachen?!“ Die Gladbacherin kann es nicht fassen. „Jetzt müssen auch wir tun, was geht“, sagt sie. Ab Montag will sie in jedem Fall den Abholservice in ihrem Lieblingsrestaurant nutzen.

Tausende von Euro in Corona-gerechte Gestaltung investiert

Auch Wolfgang Gewiss, regelmäßiger Gast in der Kneipe „Steinis Stübchen“ in Rösrath-Forsbach, findet die Schließung nicht gerechtfertigt. Wirt Bernd Steinbach habe Tausende von Euro in die Corona-gerechte Gestaltung der Gaststätte investiert – vom Plexiglas-Schutz an der Theke bis zu Sitzplätzen im Zelt, an der frischen Luft. Das werde mit dem pauschalen Aus für die Gastronomie nicht gewürdigt: „Es wird alles über einen Kamm geschoren.“

Mit seiner Familie geht Timo Boxberg gern zu Lüdenbach.

Dass Kontakte am Tresen und gemeinsames Fußball-Gucken im November ausfällt, findet Gewiss unerfreulich, er meint aber: „Einen Monat werde ich überstehen.“ Leid tut ihm vor allem der Wirt, dem nach den Einnahmeausfällen im Frühjahr auch das Karnevalsgeschäft fehlen werde. Ähnlich sieht es Christoph Reiher, der gern auf ein Glas oder zum Essen ins „Fachwerk Hoffnungsthal“ geht. Inhaber Ashraf habe in Luftreinigungsanlage und Zelt investiert, nach dem Start der Gaststätte 2019 habe er wohl keine großen Rücklagen: „Das ist nicht einfach.“

„Jetzt wird es für alle richtig schwer“

Die Eheleute Dr. Gerhard und Petra Luttmer aus Bergisch Gladbach sind seit Jahrzehnten Stammgäste des Hotel-Restaurants Zur Post in Odenthal. „Das tut mir wirklich extrem leid, dass das Restaurant geschlossen werden muss“, sagt Gerhard Luttmer. „Das sind tolle Chefs und tolle Mitarbeiter.“ Die Hygieneregeln seien sehr genau eingehalten worden. „Ich würde den Politikern gerne eines sagen: Da kann nichts passieren.“ Das ganze „Post-Team“ um Christopher und Alejandro Wilbrand stehe voll hinter dem Schutz der Gäste. „Jetzt wird es für alle richtig schwer“, meint Luttmer. Er und seine Frau hofften, dass die Gastronomie diese schwere Zeit überstehe.

Stammgäste in der „Post“ sind Petra und Gerhard Luttmer.

Liesel Kohlgrüber ist regelrecht empört über den Schließungsbeschluss. Sie ist Stammgast in der „Alten Ulme“ in Kürten, ein Traditionshaus nahe der Pfarrkirche. „Da fühle ich mich sicherer, als wenn ich mit dem Bus fahre.“ Die Hygieneregeln würden zu 100 Prozent eingehalten. „Ich weiß gar nicht, weshalb die jetzt schließen müssen.“ Nach Umbau und Wiedereröffnung der Gaststätte hätten die Eigentümer Rosemarie und Willi Pütz Koch und Servicekraft eingestellt, das könne nun zu einem Problem werden.

Hygieneregeln würden genau eingehalten

Zehn Stammgäste treffen sich jeden Sonntagmittag im Gronauer Tannenhof. „Es sind überwiegend ältere Leute, Ehepaare und einige alleinstehende Herren“, erzählt Brigitte Klein. „Die haben die Woche überwiegend einfache Kost und freuen sich auf ein schönes Essen.“ Dann gibt es Wildgerichte oder Sauerbraten, so Ehemann Bernd. Ein letztes Mal an diesem Sonntag. „Es ist ja nicht nur der November“, sagt Klein. „Wir haben auch schon Stornierungen für die Weihnachtsfeiern. Wer will sich angesichts des Zickzackkurses schon festlegen? Niemand weiß ja, wie es weitergeht.“

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Der Regen, der sich am Donnerstagnachmittag überall breit macht, stört die Gäste der Gladbacher Gastronomie in der Fußgängerzone wenig.

Mit wärmenden Wolldecken sitzen sie draußen auf Abstand unterm Sonnenschirm des Cafés „Extrablatt“. „Wir machen, was Mutti will“, sagt Karl-Heinz Schuster, mit Ehefrau Anne beim Kaffee und Kuchen. Mit „Mutti“ meint er Bundeskanzlerin Angela Merkel. Dass er seinen Namen in die Besucherliste des Cafés eintrage, sei für ihn selbstverständlich, sagt er. Dass heiße aber nicht, dass er einverstanden sei mit der Schließung der Gastronomie. „Hier im Café kann man sich nicht mit dem Coronavirus anstecken.“ Er sei fast jeden Tag da. Die Hygieneregeln würden genau eingehalten, die Mitarbeiter schauten auf das Verhalten der Gäste. Dass ab Montag erneut geschlossen ist: „Das kann ich nicht nachvollziehen.“