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Von Overath nach RumänienWas ein Hilfkonvoi verändern kann und was danach kommt

Lesezeit 6 Minuten
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Ein Kind in Sebes zeigt stolz das Spielzeug, das sie von den Helferinnen und Helfern bekam.

Overath/Sebeș – Stolz hält das Mädchen den Jungs auf der Schotterstraße den bunten Kuschelfisch entgegen, den es gerade von Klaus Pilgram von der Humanitären Hilfe Overath bekommen haben. Klar, wollen die Jungen auch so ein Plüschtier. Und die anderen Kinder auf der Straße auch. Schnell leert sich der Transporter. Für alle Kinder hier im Viertel der Ärmsten von Sebeș werden die Stofftiere kaum reichen.

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Fahrer und Lkw beim letzten Stopp auf der zweitägigen Rückfahrt von Sebeș nach Overath im fränkischen Geiselwind.

In den kommenden Wochen wird Pfarrer Victor Suteu, der Kooperationspartner der Humanitären Hilfe vor Ort, mit weiteren Hilfsgütern, die zunächst in einer großen Lagerhalle abgeladen wurden, in die Siedlung kommen und sie verteilen. Trotzdem: Auch wenn wir mit unserem Hilfskonvoi über hundert Tonnen Hilfsgüter in die rumänische Stadt gebracht haben, die mit 27 000 Einwohnern etwa so groß ist wie Overath, so bleibt doch das Gefühl, dass das nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein könnte. Umso wichtiger ist es, dass es weitergeht.

Bürgermeister dankbar für die Hilfe

Beim Abladen eines der letzten Lastzüge dann auch noch eine böse Überraschung: Eine ganze Reihe von Kartons an der Wand ist verschimmelt. Offenbar durch „Schwitzwasser“ in den gepackten Lkw, die wegen der Corona-Pandemie mehr als ein Jahr daheim festsaßen.

Erdbeeren für ein Haus

Eigenes Haus dank Erntehilfe in Deutschland und Humanitärer Hilfe Overath

Corona hat sie „sichtbarer“ gemacht: Wegen der Pandemie war es im vergangenen Jahr zunächst unklar, ob Erntehelfer aus dem Ausland zur Ernte von Spargel, Erdbeeren und Co nach Deutschland einreisen dürften. Da waren die stillen Helfer mal in den Schlagzeilen. Viele kommen aus Rumänien. Einer von ihnen ist Filip Avram. Zuhause in Sebeș ist der 38-jährige Familienvater hauptberuflicher Feuerwehrmann. Seit 14 Jahren jedoch nutzt er seinen gesamten Jahresurlaub, um bei Saarbrücken auf einem Erdbeerhof zu arbeiten.

Nur so habe er sich und seiner Familie das Häuschen am Stadtrand leisten können, erzählt er beim Gespräch auf der Terrasse und ergänzt: „Und weil es die Unterstützung durch die Humanitäre Hilfe gab.“ Die Tischgruppe, der Schrank im Wohnzimmer, das Bett – Filip Avram weiß von jedem Möbelstück noch genau, mit welchem Hilfskonvoi es aus Overath nach Sebeș gekommen ist. So wie das Feuerwehrfahrzeug und die Einsatzkleidung für Avram und seine Feuerwehrkollegen, die die Humanitäre Hilfe Overath bei einer der ersten Touren nach Sebeș mitbrachte.

„Unser altes Feuerwehrauto war total verrostet gewesen“, erinnert sich Filip Avram. Er ist stolz auf sein Haus, auf das, was er sich mit seinen Arbeitseinsätzen in Deutschland aufgebaut hat. Und doch ist er nachdenklich: „In Deutschland verdiene ich eine Menge Geld“, sagt er, „aber alle Ferien bin ich nicht bei meinen Kindern.“ Die neunjährige Tochter hat am 12. Mai Geburtstag. Bei der Geburt war er nicht da, war „auf Arbeit“ in Deutschland – so wie auch jeden weiteren Geburtstag seiner Tochter.

Selbst die zehnjährige Tochter, das älteste der drei Kinder der Avrams, kennt es nicht anders, als dass der Papa während seines Urlaubs nach Deutschland fährt um zu arbeiten. Ihren jüngsten Sohn haben Filip und seine Frau Sași jetzt in der deutschsprachigen Schulklasse angemeldet. Er soll die Sprache vom ersten Schuljahr an lernen. „Dann hat er es später leichter, einen guten Job zu finden“, sagt Filip. „Ich musste Deutsch erst bei der Arbeit lernen. Mein Sohn kann das dann schon, wenn er groß ist.“ (wg)

Wir sortieren die verschimmelten Kartons auf einen Stapel neben der Lagerhalle – bis Pfarrer Victor Suteu einschreitet: „Wegwerfen? Das wird gewaschen, getrocknet und dann geht das noch sehr gut“, sagt der Seelsorger, der nichts verkommen lassen möchte, mit dem er noch jemandem helfen kann.

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Bei Suppe vom Gaskocher: letzte Rast des Hilfskonvois in Ungarn.

Auch dem städtischen Sozialamt greift er mit seinen Hilfsaktionen immer wieder unter die Arme. Das weiß Bürgermeister Dorin Nistor sehr zu schätzen: „Das Sozialamt kann bei uns die Miete zum Beispiel nur zwei Jahre zahlen“, erklärt der Rathauschef, als er beim Abladen der Lastzüge vorbeischaut. „Oh, Victor“, sagt er, als er die Stapel von Möbeln, Kleidungskisten und Haushaltsgeräten sieht: „Jetzt hast du aber wieder viel zu tun.“

Hilfe über Konfessionsgrenzen hinaus

Der Pfarrer lächelt: „Ich mach das doch mit Gottes Hilfe“, sagt der 62-Jährige, der sich vor drei Jahrzehnten ganz bewusst für die Arbeit als Seelsorger entschied. Dabei hatte er vorher einen gut bezahlten Job, wie er erzählt. Doch er habe mehr gewollt, mehr für die Menschen. Mit Gottes Hilfe und zunächst zwölf Erwachsenen habe er in Sebeș die evangelische Gemeinde gegründet. Und die wachse beständig.

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Festessen: Der Bürgermeister (l.) hat die Lkw-Fahrer eingeladen.

Es ist nicht die einzige Kirchengemeinde in der Stadt. Neben einer großen orthodoxen Gemeinschaft gibt es Gemeinden von Katholiken, Lutheranern, Calvinisten, Baptisten und eine Brüdergemeinde. Bei der Hilfe für die Armen spiele das allerdings keine Rolle.

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Gehäkelte Decken aus Lindlar sind in Sebeș sehr begehrt.

„Da geht es nur um die Menschen“, sagt der Seelsorger. Ob Orthodoxe, Katholiken oder Ungetaufte – er helfe allen, die Hilfe bräuchten, sagt er und holt dicke Ordner, in denen er die Empfänger jeder einzelnen Spende erfasst und unterschreiben lässt. Die Unterlagen muss er den Behörden vorlegen, damit diese den Weg aller Hilfsgüter bis zum Empfänger nachvollziehen können.

Ein Hilfskonvoi schweißt zusammen

Ein Handy klingelt: Thomas Ritschel muss rasch etwas mit einem Kunden klären. Daheim in Kürten hat er einen Forstbetrieb. Eine Reihe der Fahrer, die den Konvoi nach Sebeș gesteuert haben, sind selbstständig. „Meine Firma steht still, wenn ich weg bin“, sagt Rainer Steinbach, der in Overath einen Holztransporter fährt. Durch seinen Sohn Thiemo kam er zur Humanitären Hilfe, jetzt fahren beide Lastzüge im Konvoi.

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Schotter unter die Reifen: Ein Lkw hat sich zur Abfahrt festgefahren.

So wie der Tiefbauer im Ruhestand, Wolfgang Leiter, oder Sergej Gerliz, der einen Lastzug im Wechsel mit seinem Onkel Peter Mantler steuert. Rettungsdienstmitarbeiter Kolja Gerlinger ist kurzfristig für einen verhinderten Brummipiloten eingesprungen.

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Nachdenklich: Die Tour bewegt auch Kolja Gerlinger.

„Eigentlich wollte ich diese Woche zum Bergsteigen in die Schweiz“, sagt er grinsend. Dass es stattdessen im Konvoi nach Rumänien ging, hat er trotzdem nicht bereut. So ein Hilfstransport schweißt zusammen. Das ist auch am letzten Abend in Sebeș zu spüren. Neben Selfies mit den Einheimischen wird auch so manche Adresse ausgetauscht.

Junggesellenabschied spendet für Hilfsorganisation

Am nächsten Morgen um sechs geht’s dann schon wieder Richtung Westen, die 1600 Kilometer zurück nach Overath, wo der Konvoi am Abend des folgenden Tages von zahlreichen Verwandten zurückerwartet wird. Getan ist die Arbeit damit aber noch nicht. Am nächsten Tag müssen die geliehenen Zugmaschinen noch geputzt und bis nach Koblenz und Offenbach zurückgebracht werden.

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Und der „Motor“ der Humanitären Hilfe, Norbert Kuhl? Der sitzt am nächsten Abend schon wieder am Lenkrad des historischen amerikanischen Schulbusses der Humanitären Hilfe Overath und kutschiert für eine Spende zugunsten der Hilfsorganisation einen Junggesellenabschied nach Köln.

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Finale: Der letzte Lastzug wird abgeladen.

Während ich noch die Eindrücke aus Sebeș verarbeite, denkt er bereits an den nächsten Konvoi. Wohin der fährt? „Dat gucken wir mal“, sagt der 80-Jährige und lässt doch keinen Zweifel daran, dass sich die Lkw-Auflieger schon bald wieder mit Hilfsgütern füllen werden. „Da tragen ganz viele zu bei“, sagt er – und lächelt.