Zweite EröffnungWie eine Overather Kapelle Teil eines Freilichtmuseums werden konnte
- Fast auf den Tag genau, am 22. Juli 1951, wurde die Diasporakapelle in Overath eingeweiht.
- Nun wurde die Kirche zum zweiten Mal feierlich eröffnet – an ihrem neuen Standort im LVR-Freilichtmuseum Kommern.
- Am Marktplatz Rheinland ist das als Notkirche errichtete Gebäude nun als Zeitzeuge für die Museumsbesucher zu besichtigen. Wir erklären die Hintergründe einer außergewöhnlichen Geschichte.
Overath/Kommern – Für einige der rund 300 Gäste, die zu der Feierlichkeit ins Museum gekommen waren, hatte die Veranstaltung eine ganz besondere Bedeutung. Mitglieder der Overather Gemeinde hatten den Aufbau der Kirche Anfang der 50er Jahre miterlebt oder stehen in anderer, persönlicher Beziehung zu dem markanten, im Bauhaus-Stil errichteten Gotteshaus.
Museumsleiter Dr. Josef Mangold freute sich deshalb besonders über die anwesenden Overather, die neugierig waren, was denn aus „ihrer“ Kirche geworden sei. Anders als sein Vor-Vorgänger könne er nicht über Land fahren und sich schöne Fachwerkhäuser für das Museum aussuchen, scherzte Mangold.
Daher sei er über den Tipp von Susanne Bonenkamp, der ehemaligen Kulturreferentin des Rheinisch-Bergischen Kreises, dankbar gewesen. „Sie sagte uns, dass die Kirche einem Neubau weichen muss. Der Abrissantrag war schon gestellt“, so der Museumsleiter. Das Projekt habe man also „schnell auf die Schiene bringen müssen“.
Diasporakapelle steht für das Bild nach dem Zweiten Weltkrieg
Mit den anderen Gebäuden am Marktplatz Rheinland repräsentiere die Diasporakapelle das facettenreiche Bild nach dem Zweiten Weltkrieg, erläuterte Mangold. Zudem füge sie sich in „den roten Faden“ ein, den das Museum mit der Nissenhütte und der Flüchtlingsunterkunft zum Thema „Wohnen in der Not“ verfolge.
Dass Originalgegenstände bei der Ausstattung der Bauwerke, vor allem aber auch die persönlichen Geschichten von Zeitzeugen, eine besondere Rolle spielen, verdeutlichte Dr. Carsten Vorwig. Der Hausforscher des LVR-Freilichtmuseums Kommern berichtete vom „Kirchenbau in 62 Tagen“ im Jahr 1951. Seinen Rückblick auf die Historie spickte er mit Anekdoten rund um die Overather Kirche.
Gespräche mit Overather Bürgern
„Genau diese Geschichte ist es, die ein solches Gebäude für ein Freilichtmuseum so interessant macht“, sagte Vorwig. In den vergangenen zwei Jahren habe man zahlreiche Gespräche mit Overather Bürgern geführt, die dankenswerterweise Einblicke in ihre Erlebnisse gewährten. So wurde den Museumsmitarbeitern etwa erzählt, wie der damalige Pfarrer Kurt Schalaster sich gezwungen sah, sein Motorrad im Vorraum der Kirche zu parken, weil er keine andere Unterbringsungsmöglichkeit hatte.
Bauhaus
Nach 1945 waren Flüchtlinge aus Schlesien in Overath im Rheinisch-Bergischen Kreis angesiedelt worden. Die Gottesdienste der dadurch stark angewachsenen evangelischen Gemeinde mussten zunächst im Kinosaal, in Gasthöfen oder Schulen stattfinden. Denn neben Wohnraum fehlte es auch an Räumlichkeiten für die Gottesdienste.
Anders als in der heute gelebten Ökumene sei eine gemeinsame Nutzung katholischer Kirchen undenkbar gewesen, schilderte Anne Henk-Hollstein, Vorsitzende der Landschaftsversammlung Rheinland. Der Start für viele Protestanten in Overath sei daher hart gewesen.
Die Diasporakapelle sei aus der Not heraus gebaut worden. 1951 wurde sie eingeweiht und 2001 von der Kirchengemeinde umbenannt in „Versöhnungskirche“. 70 Jahre nach Flucht und Vertreibung sei sie ein Beispiel dafür, dass die Integration der damals neuen Mitbürger vollzogen sei, sagte Henk-Hollstein.
Im Gegensatz zu früher finden die Gläubigen bis zur Fertigstellung des Kirchenneubaus, für den die Arbeiten bereits begonnen haben, Unterschlupf bei der katholischen Gemeinde.
Namensgeber für die Diasporakapelle war Architekt Otto Bartning, der damals bereits ein bekannter Kirchenbaumeister war. Entscheidend war er an der Gründungsidee des „Bauhauses“ in Weimar beteiligt. 33 baugleiche Kapellen wurden nach seinen Entwürfen errichtet.
Die Diasporakapelle wurde in großen Teilen im Original-Zustand von 1951 im Freilichtmuseum aufgebaut. Ein kleinerer Teil zeigt den Zustand von 2017, kurz vor dem Abbau. (hab)
Deshalb gehört nun eine baugleiche NSU Quick auch in Kommern zum Inventar des Gotteshauses. Mit dem gestifteten Altar aus Oberpleis, einem Kachelofen, der restaurierten Peter-Orgel und vielen, von der Pfarre geschenkten originalen Gegenständen wurde die Kapelle von den Museumsmitarbeitern detailliert bestückt.
Erinnerungen an eine Hochzeit
„Es war so wie früher in Overath. Beim Abbau habe ich sehr geweint“, sagte Rosemarie Mundil sichtlich gerührt nach der Andacht. 1946 war die 81-Jährige nach Overath-Heiligenhaus geflüchtet und hatte den Aufbau der Kirche miterlebt. In der Diasporakapelle war sie konfirmiert worden und hat ihren Mann Günter geheiratet. „Wir kommen wieder“, so Mundil.
Wiederkommen will auch André Wagner. Der Kommerner hatte in der Andacht eine Fürbitte vorgetragen, denn auch er hat eine Geschichte zur ehemaligen Kirche seines Geburtsorts zu erzählen: „Gestern vor 17 Jahren haben meine Frau und ich in der Kirche geheiratet.“ Er sei dort getauft worden, genau wie seine Kinder Lea und Jan, obwohl die Familie seit 2005 in Kommern wohne. Er sei froh, dass das Gebäude weiter existiere. Wagner: „So viele bekannte Gesichter waren da. Es war sehr bewegend, hier in der Kirche zu sein.“