Digitale KircheWie die Gemeinde in Heiligenhaus ihr Gotteshaus zukunftsfähig umbaut
Overath – Eigentlich hatten sich ja im Hitzesommer 2020 „nur“ die Fußbodenplatten gehoben, waren zur Stolperfalle geworden und mussten saniert werden. Was Christian Haupts und seine Mitstreiter vom Kirchenvorstand in Overath-Heiligenhaus dann aber aus der katholischen Kirche St. Rochus machten, sucht in der Region doch seinen Vergleich.
Eine riesige LED-Wand prangt hoch oben neben dem Altar an der Kirchenwand, in der Messe zur Rückkehr der Messdienerinnen und Messdiener von der Ministrantenwallfahrt nach Rom haben Kaplan Andrzej Bednarz und Pastoralreferentin Sarah Zurlo darauf während der Predigt ein Video der Tour in die Ewige Stadt eingespielt.
Messdiener streamen Gottesdienste seit Corona-Zeit via Internet
Das war nicht nur in der Kirche zu sehen, auch an Bildschirmen daheim verfolgten eine Reihe von Gemeindemitgliedern die Rückkehrmesse der Ministranten. Schließlich werden die Gottesdienste seit der Corona-Zeit von einem engagierten Messdienerteam per Videostream live via Internet übertragen.
Wegbereiter und treibende Kraft für die Digitalisierung der Heiligenhauser Kirche ist Christian Haupts. Hauptberuflich Kaufmann und Recycling-Unternehmer hat er als Zuständiger für Immobilien im Kirchenvorstand die notwendige Fußbodensanierung nicht nur dafür zu nutzen gewusst, Internet- und Stromanschlüsse für die seit März 2020 eingerichtete Videoeinheit an zahlreichen Stellen im Fußboden einzubauen.
Kameras gegen Vandalismus und für kreativ Video-Übertragungen
Er hat darüber hinaus auch ein leistungsstarkes WLAN in der Kirche verlegen lassen. Auch Induktionsschleifen für Hörgeräte wurden gleich mit eingebaut – und ein ehemaliger Putzraum am Eingang zu einer barrierefreien Toilette umgebaut.
„Wir müssen doch etwas tun, um unsere Kirche zukunftsfähig zu machen“, erklärt der ehrenamtlich im Kirchenvorstand engagierte Vater von fünf Kindern. Dazu gehört für ihn und seine Mitstreiter vom Kirchenvorstand auch, das Gotteshaus offen zu halten – entgegen der landläufigen Tendenz, Kirchenöffnungszeiten aus Sorge vor Vandalismus zu reduzieren.
Für mehr Sicherheit und eine bessere Videoübertragung der Gottesdienste
„Wir haben deshalb vier fernsteuerbare Kameras angeschafft, mit der sich Kirche und Vorräume überwachen lassen“, sagt Haupts.
Der Clou: Diese Kameras zeichnen nicht nur alle Bewegungen an und in der Kirche für die gesetzlich erlaubte Frist auf, bevor die Aufnahmen wieder überspielt werden, sondern sie lassen sich zusammen mit einer weiteren Kamera auf der Orgelbühne auch für die Videoübertragungen aus St. Rochus nutzen.
„Künftig werden wir hier einen Medienplatz haben, an dem die Kameras mit einem Joystick gesteuert, die verschiedenen Kameraperspektiven live zusammengeschnitten und mit dem Ton aus der Lautsprecheranlage gemischt werden können“, sagt Haupts, während Florian Werner vom Streaming-Team der Messdiener bereits die Steuerung der Kameras per Computertablet ausprobiert.
„Smart Home“-Technik in der Kirche
Auch sämtliche Lampen in der Kirche lassen sich mittlerweile darüber steuern, inklusive bestimmter Lichtprogramme für bestimmte Anlässe. Ähnlich der „Smart Home“-Technik, mit der sich in den eigenen vier Wänden Licht, Steckdosen, Rollläden oder andere elektrische Geräte digital per Smartphone oder anderer Fernbedienung steuern lassen, ist auch die Kirche St. Rochus mithilfe des örtlichen Fachunternehmens Lutz weitgehend digitalisiert worden.
Ein flacher Bildschirm hängt nun in der Sakristei dort, wo früher große Schaltschränke standen. „Die haben auch den Durchgang zur Messdienersakristei eigentlich zu stark eingeengt“, nennt Christian Haupts noch einen Grund, warum die alte analoge Technik schon aus Fluchtwegs-Notwendigkeiten weichen musste.
Geistlicher per Videostream „zuschaltbar“
Dass auch die 3,5 mal zwei Meter große LED-Wand neben dem Altarraum via Tablet aus dem WLAN angesteuert werden kann, lässt ihn auch an ganz neue Formen von Gottesdienstgestaltung denken: „Man kann genauso einen Film im Jugendgottesdienst einspielen, wie Fürbitten hochladen, die Gottesdienstbesucher per Handy geschickt haben“, sagt er.
Selbst wenn sich der Priestermangel noch weiter verschärfe, böte die Videoleinwand neue Möglichkeiten, denkt Haupts noch weiter: „Man könnte den Wortgottesdienst hier vor Ort in der Kirche gestalten und den Geistlichen dann zuschalten, die Wandlung von woanders aus einspielen“, so Haupts. Auch die zunehmende Zahl ausländischer katholischer Gemeinden in der Region könne die Technik nutzen, um sich mit ihrer Heimat von Portugal bis Korea zu verbinden. Wenn die Videowand nicht gebraucht wird, soll sie im Übrigen den Raumeindruck nicht stören. „Da kommt noch eine weiße Rolllade vor“, sagt Haupts.
Auch NRW-Innenminister Herbert Reul lobte die neue Technik in Heiligenhaus
Während einer Trauerfeier in der vergangenen Woche nutzten die Angehörigen die Videowand bereits, um ein Bild der Verstorbenen darauf zu zeigen; und als die Katholische Frauengemeinschaft (kfd) Heiligenhaus jüngst ihr 90-jähriges Bestehen feierte, hatte Haupts den Jubilarinnen dazu eigens eine Präsentation für den Festgottesdienst programmiert.
Das beeindruckte auch NRW-Innenminister Herbert Reul, der die Festmesse besuchte. So etwas habe er auch noch nicht gesehen, habe Reul gesagt, erzählt Haupts und Florian Werner ist schon ein bisschen stolz darauf, dass der Minister auch die Arbeit des Streaming-Teams gewürdigt habe.
Messdiener übernehmen Gottesdienstübertragung
Gemeinsam mit Katharina und Simon Haupts sowie Jonas Wagner überträgt er jeden Sonntag die Heilige Messe aus St. Rochus via Internet auch zu denen, die den Gottesdienst nicht selbst besuchen können. Künftig soll es auch ein Team geben, das interessierten Gemeindemitgliedern dabei hilft, den Youtube-Kanal daheim zu finden und anschauen zu können.
Florian Werner hat auch die Videos von der Romwallfahrt geschnitten und die kfd in den vergangenen beiden Coronajahren bei der Produktion digitaler Ersatzlösungen für ausgefallene Karnevalssitzungen tatkräftig unterstützt. „Ich habe schon in der Grundschule immer Spaß an Medien gehabt, und es ist toll, dass wir das auch so in der Kirche machen können“, sagt der 22-Jährige.
„Gut sechsstelligen Betrag“ in Kirche investiert
Einen „gut sechsstelligen Betrag“ habe man in die neue Technik in St. Rochus investiert, sagt Christian Haupts auf Nachfrage. „Aber das alles wäre nichts, wenn wir nicht Menschen wie Florian Werner hätten, die die Technik auch mit Leben füllen und sich da reinfuchsen.“
Das könnte Sie auch interessieren:
Bis Weihnachten, so planen die beiden, soll die neue Technik auch für die Videoübertragungen der Gottesdienste einsatzfähig sein. „Am besten schon ein paar Tage vorher, dann könnten wir auch schon das Konzert des MGV Sängerchor Heiligenhaus übertragen“, überlegt er laut. „Es gibt noch so viele Möglichkeiten, was man damit alles machen kann.“