Overath als „Glockenstadt“?Vortrag von Experte klärt auf
Overath – Seit dem jüngsten Vorstoß, Overath zur „Glocken-“ oder zur „Glockengießerstadt“ zu erheben, streiten in der Stadt die Gelehrten und die Engagierten, ob das geht oder ob damit ein frommer Irrglaube zum amtlichen Geschichts-Fake erhoben würde.
Vortrag von Glocken-Experte
In diesem Zusammenhang hatte der Bergische Geschichtsverein (BGV) Overath den Kölner Glocken-Experten Jan Hendrik Stens, Theologe und Redakteur beim Domradio, zu einem Vortrag eingeladen.
Stens sprach im voll besetzten Saal des Walburga-Hauses über die „Kölner Glockengießer am Ausgang des Mittelalters - die Werkstatt derer ,van Overroide van Coellen’“.
Keine Pro-Contra-Debatte
Bereits zur Begrüßung betonte BGV-Vorsitzende Ulla Gote, dass der Abend nicht der geeignete Rahmen für eine Pro-und-Contra-Debatte sei. Es gehe um eine wissenschaftlich-fundierte Perspektive auf die Historie der Stadt, die allerdings durchaus meinungsbildend sein könne.
Um es vorwegzunehmen: Im Ergebnis bestätigte Stens die These seines früheren Forschungspartners Jörg Pöttgen, dass die Werkstatt derer „van Overroide“, die über ein Jahrhundert den Glockenguss im Kölner Raum prägte, in der Rheinmetropole stand und dass die ersten Gießer Kölner Bürger waren.
Keine Glockengießerei in Overath
In Overath habe es nach dem Stand der Forschung nie eine Glockengießerei gegeben. Dass sich die Kölner Meister im Nachnamen dennoch nach der Siedlung ihrer Vorfahren stammten, sei so ungewöhnlich nicht: Einen Herkunftsnamen habe in Köln etwa die Hälfte der Bürger getragen, nachdem die Stadt in Folge der Pest im Jahre 1365 weitestgehend entvölkert worden war.
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Eine genaue Zuordnung einzelner Personen zu Familien, Glocken oder Werkstätten ist laut Stens relativ kompliziert, da sich Vornamen wiederholen und der Nachname häufig zu „van Cöllen“ geändert wurde. Auf vielen Glocken sei überhaupt kein Gießername oder nur der Werkstattname „van Cöllen“ vermerkt.
Namens-Parallele in der Neuzeit
Ist damit der Traum vom Namenszusatz „Glockengießerstadt Overath“ endgültig ausgeträumt? Stens wollte sich ausdrücklich nicht zum Schiedsrichter machen und berichtete von einer Parallele aus der Neuzeit.
So habe 1846 in Limburg an der Lenne, einem Stadtteil von Hagen, Wilhelm Böing das Licht der Welt erblickt. Er wanderte nach Amerika aus und zeugte dort einen Sohn, Wilhelm Eduard. Dieser gründete später die „Boeing Airplane Company“ die lange Weltmarktführer in der Flugzeugherstellung war.
Hagen ehrt bis heute Boeing-Gründer
Die Stadt Hagen gedenkt bis heute der deutschen Wurzeln des Unternehmers Wilhelm Eduard Böing/William Edward Boeing mit einer Gedenktafel, die am Geburtshaus von Vater Wilhelm angebracht wurde. Doch kommt eine solche Lösung laut Stens im Falle von Overath wegen des ungleich größeren Zeitabstandes wohl eher nicht in Frage.
Mehrere regionale Tonbeispiele und Klanganalysen rundeten den Vortrag des Kölner Glockenkundlers ab; am Ende, quasi als Zugabe, war auch das Läuten der Glocken der Overather Kirchengemeinden zu hören.