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GeschichteBergisch Gladbacher rettet historisches Fachwerkhaus in Overath

Lesezeit 5 Minuten
Ein Handwerker schlägt ein Loch in eine Lehm-Fachwerkwand.

Stück für Stück wird das Gebälk des Fachwerkhauses in Marialinden freigelegt, damit das Gebäude an anderer Stelle wiederaufgebaut werden kann.

Damit die Geschichte und das Wissen, das in den Häusern steckt, nicht verloren geht, werden sie aufwendig ab- und wieder aufgebaut.

Werner Pütz ist 1930 im ältesten Haus von Overath-Krampenhöhe geboren, dort aufgewachsen und hat später nur ein paar hundert Meter weiter ein eigenes Haus gebaut. Sein Leben lang hatte er einen guten Blick auf sein Geburtshaus, „gepflegt habe ich den aber nicht wirklich“, räumt er ein. Dafür ist es jetzt auch zu spät. Denn: Das alte Fachwerkhaus zieht nach Bergisch Gladbach-Sand um.

Das Grundstück, auf dem es bisher steht, hat die Baufirma „Farbe und Design“ gekauft, um dort vier bis fünf seniorengerechte Wohnungen zu bauen. „Gerade hier in der Gegend gibt es kaum mehr bezahlbare Wohnungen. Das wollten wir ändern“, sagt Tobias Kowol, der das Projekt leitet.

In dem kleinen Haus lebten früher drei Familien gleichzeitig

Doch hätten sie sich schwergetan, ein so altes Stück Geschichte des Ortes einfach abzureißen. Das Haus wurde wahrscheinlich zwischen 1680 und 1750 gebaut. Das sei der Zeitraum gewesen, in dem die Familie Bücheler von Büchel nach Krampenhöhe gezogen ist, berichtet Werner Pütz. Darauf deute auch die Dicke der Balken hin. Aus dieser ließe sich auch schließen, dass die Familie, die das Haus baute, Geld gehabt haben müsse.

Ein alter Mann vor einer Fachwerkwand mit Lehmgefache.

Werner Pütz in seinem Geburtshaus in Krampenhöhe, das nun transloziert wird, weil auf dem Grundstück Seniorenwohnungen entstehen sollen.

In dem Haus, das so aussieht, als würde es für eine Familie Platz bieten, lebten früher stets zwischen zwei und drei Familien. Das war auch noch zu Pütz Zeiten so. Unten waren die Wohnräume, Pütz und seine Familie haben im hinteren Teil des Hauses gewohnt. Oben die Schlafräume. „Jede Familie hatte ihr eigenes Schlafzimmer“, erläutert er. Neben dem Hauptgebäude stand ein kleiner Stall, in dem fast durchgängig zwei Kühe lebten.

Es gab nur einen kleinen Laden im Dorf und um 1900 fünf Häuser

Zwischenzeitlich hielten die Eigentümer auch Hühner und ein Schwein. „Wir haben von der Milch der Kühe und ein paar Feldern, auf denen Roggen, Weizen und Kartoffeln angebaut wurden, gelebt. Und jede Familie hat immer ausreichend Kartoffeln bekommen“, sagt Pütz. Damals gab es nur einen kleinen Laden im Dorf und generell kaum Häuser. Um 1900 hätten lediglich fünf Häuser in der Gegend gestanden. Heute könne er sich das gar nicht mehr vorstellen.

Ein altes Fachwerkhaus, davor ein Garten mit Zaun.

In dem Fachwerkhaus Krampenhöhe in Marialinden-Linde, erbaut zwischen 1680 und 1750, wohnten früher drei Familien gleichzeitig.

Begeistert davon, dass sein Geburtshaus abgebaut wird, sei er nicht. Aber wenn ein Grundstück den Besitzer wechselt, könne man nie garantieren, dass ein altes Haus auch darauf stehenbleibt. „Ich schlafe aber trotzdem gut“, beruhigt er Tobias Kowol.

Der Umzug nach Bergisch-Gladbach-Sand rettet das Haus vor dem Abriss

Was sicherlich auch zur Nachtruhe beiträgt ist, dass das Haus nur umzieht und nicht abgerissen wird. Kowol erläutert, dass sein Vater einen Bericht in dieser Zeitung über ein Fachwerkhaus gelesen habe, das Markus Hetzenegger gerettet hat. Der Betreiber mehrerer Edeka-Märkte bewahrt schon seit fast 20 Jahren Fachwerkhäuser vor dem Abriss oder dem Verfall. Damit will er ein Stück Kulturgut der Vergangenheit in die neue Zeit hinüberretten. Hetzenegger baut die Häuser am Ursprungsort ab und an anderer Stelle wieder auf.

„Minna Kasbach war dort für den Haushalt zuständig und hat uns immer Zuckerstückchen gegeben. Und der letzte Bauer hat die Kinder immer mit auf dem Traktor genommen und ist mit ihnen durch die Gegend gefahren. Die Polizei hat dann ein Auge zugedrückt“, erinnert sich Hetzenegger. Diese Zeit sei sehr prägend gewesen und als die Geschwister gestorben waren, habe er die Einrichtung aus dem Fachwerkhaus bekommen. „Dadurch kam meine Idee, eine Art Fachwerk-Museum aufzubauen“, erläutert Hetzenegger.

2007 hat Markus Hetzenegger sein erstes Fachwerkhaus abgebaut

2007 hat er sein erstes Fachwerkhaus abgebaut. „Ich hatte kein Interesse an einem Einfamilienhaus oder Segelboot. Das Geld habe ich lieber in dieses Projekt gesteckt“, sagt er. Mittlerweile hat er 17,5 Häuser ab- und wieder aufgebaut - das halbe sei ein Nebengebäude gewesen, mit separaten Wänden und eigenem Dach. Die meisten von ihnen vermietet Hetzenegger auch.

Und jetzt kommt auch das Pütz‘sche Geburtshaus zu der Sammlung dazu. Denn die Kowols wendeten sich an den Fachwerk-Experten und zusammen bauen sie das alte Gebäude ab. „Es macht unglaublich viel Spaß, mit dem Team zusammenzuarbeiten. Die haben so viel Erfahrung“, findet Kowol.

Nur noch kahle Balken ragen in den Himmel

Das System, wie das Haus abgebaut wird, habe er aber noch nicht verstanden. Mittlerweile ist das Dach schon abgetragen und es ragen nur noch kahle Balken in den Himmel. Auch in der unteren Etage sind viele Wände bereits geöffnet. Auf dem Boden liegt Schutt. Jeder Balken hat eine Nummer bekommen, damit er beim Aufbau richtig zugeordnet werden kann.

Ein Dachstuhl wird von zwei Männern abgebaut.

Balken für Balken wird der alte Dachstuhl des Hauses Krampenhöhe in Marialinden abgebaut.

Zwischen sieben und zehn Tagen dauert es durchschnittlich, ein Fachwerkhaus mit drei Menschen abzubauen. Der Aufbau dauert hingegen wesentlich länger. Ein bis anderthalb Jahre brauche man, bis das Haus wieder steht. Hetzenegger will so viel Original-Material verwenden wie möglich. So bearbeite ein Zimmermann beispielsweise die Balken, bevor sie wieder aufgestellt werden. Denn oft sei das Holz unten angefault.

Mit den Häusern verschwinde ihre Geschichte und viel Wissen

Dann säge der Zimmermann den faulen Teil ab und schraube das neue Eichenholz auf eine bestimmte Weise, die man „blatten“ nennt, wieder an. „Viele Leute haben Angst, dass ihre Fachwerkhäuser morsch oder baufällig sind. In den allermeisten Fällen kann man sie aber retten. Sie sind nämlich sehr zäh“, sagt Hetzenegger. Es sei schade, wenn Häuser abgerissen würden, die man eigentlich noch hätte retten können. Denn mit ihnen verschwinde nicht nur ihre Geschichte, sondern auch Wissen: „Statiker können die Statik von Fachwerkhäusern heute gar nicht mehr berechnen“, so Hetzenegger.

Die Strohdächer seien allerdings nicht mehr zu retten. Die Dächer decke er mit alten Hohlpfannen. „Davon habe ich aber nicht mehr zu viele. Falls ein Bauer welche abzugeben hat, wäre ich sehr dankbar“, sagt er. In rund anderthalb Jahren wird Pütz‘ Geburtshaus also in Sand wiederauferstehen. Besonders wirtschaftlich sei das Verfahren, das Haus zu retten, weder für Hetzenegger noch für Kowol, aber es sei ihnen eine Herzensangelegenheit, das historische Gebäude zu erhalten.


In der Fachwerkhaussiedlung in Sand entsteht momentan ein Museum, in dem Besucher alte Fachwerkhäuser, ein Archiv, eine Bäckerei und ein Lebensmittelladen besichtigen können.