AboAbonnieren

ProzessFitness-Trainer muss nach Fahrfehler in Odenthal 1000 Euro an die Tafel zahlen

Lesezeit 3 Minuten
Zwei beschädigte Autos nach einem Auffahrunfall an einer Kreuzung in Frankfurt am Main.

Nach einem Unfall in Odenthal musste ein Fitnesstrainer von der Trainer- auf die Anklagebank wechseln (Symbolfoto).

Nach einem Unfall beim Überholen in Odenthal musste ein dreifacher Vater und Fitnesstrainer in Bergisch Gladbach auf die Anklagebank.

Es ist eine Situation, wie sie vermutlich jeder Autofahrer aus der einen oder anderen Perspektive kennt: Der Vordermann schleicht durch den Ort, während man selbst in Eile ist. Oder umgekehrt: Der Hintermann hängt fast auf der Stoßstange, während man sich selbst um eine regelkonforme Geschwindigkeit bemüht.

Der Klassiker unter den Konflikten im Verkehr spielt sich unabhängig von der Geschlechtsverteilung von Vordermann und Hinterfrau oder umgekehrt oder eingeschlechtlich ab. In dem Fall, um den es jetzt vor dem Strafgericht ging, waren ein Fitnesstrainer mit Sohn im Auto als Hintermann und eine Kommunalbeamtin als Vorderfrau beteiligt.

Flotter Trainer gegen korrekte Beamtin

Einmal quer durch Odenthal ging die für beide Parteien unfreiwillig gemeinsame Fahrt am 25. Januar gegen 18.15 Uhr, der flotte 37-Jährige drängelte und quengelte laut Vorderfrau, setzte die Lichthupe und ließ die akustische Hupe ertönen, während sich die 52-jährige Beamtin um eine korrekte Fahrweise bemühte, die aus ihrer Sicht als Höchstgeschwindigkeit Tempo 30 beinhaltete.

„Mein elfjähriger Sohn saß im Auto und hat irgendwann gesagt: ‚Papa, lass mich aussteigen, da bin ich ja zu Fuß schneller‘“, erzählte Trainer Mehmet K. (Namen geändert) von seiner Bank, der Anklagebank. Weiter ging die winterliche Abendfahrt durch Odenthal-Glöbusch, und schließlich setzte Mehmet K. zum Überholen an, tat es dann auch, scherte wieder ein, touchierte dabei die Vorderseite des Autos seiner gewesenen Vorderfrau Katharina T. – und fuhr einfach weiter.

Versicherung hat Schaden reguliert

Er habe den Unfall echt nicht bemerkt, gab er vor Gericht an, und sein Verteidiger sprach von einem sehr flachen Winkel, mit dem die Autos kollidiert seien. Wenn sein Mandant verurteilt werden sollte, müsse es ein Gutachten zur Wahrnehmbarkeit des Unfalls geben.

Auch sei doch der Schaden, all-inclusive mehr als 10 000 Euro, von der Versicherung reguliert worden. Und schließlich sei K. direkt nach dem Zwischenfall der Führerschein abgenommen worden, sodass er nun schon seit acht Monaten nicht mehr fahren dürfe. Mit anderen Worten: Man sollte vielleicht das Gotteshaus im Dorf lassen.

Tausend Euro für die „Tafel“

Für Katharina T. stellte sich die Lage ganz anders dar. So etwas habe sie in ihrem Leben noch nicht erlebt. Auf der ganzen Strecke gelte Tempo 30, versicherte sie der Richterin, die sich angesichts einer nicht ganz präzisen Beschreibung der Unfallstelle in der Akte via Google Maps in Erberich umgesehen hatte – wobei aber klar war, dass Street-View-Bilder nicht zwingend die komplette und zum Unfallzeitpunkt gültige Beschilderung zeigen.

Wie auch immer: Der dreifache Vater musste nun schon ewig auf seinen Führerschein verzichten und war nicht vorbestraft. Also Einstellung gegen Geldauflage, landläufig Buße? Der Angeklagte erklärte sich mit Freuden einverstanden, und die Staatsanwältin in Ausbildung holte sich grünes Licht von ihrer Behörde. Auch den in Rede stehenden Empfänger der 1000 Euro, die Mehmet K. zahlen sollte, fanden alle gut: Die Tafel, die überzählige Lebensmittel von Supermärkten abholt und sie an Bedürftige verteilt. So geschah es denn auch.

Einzig die geschädigte Kommunalbeamtin goss ein wenig Wasser in den Wein: Sie habe den führerscheinlosen Herrn K. seit dem Zwischenfall drei Mal Auto fahren sehen und das auch mitgeteilt. Darum gehe es jetzt nicht, aber die Staatsanwaltschaft werde sich kümmern, antwortete Richterin Miriam Kuschel. Und Mehmet K. ließ seine Unfallgegnerin wissen: „Sie sollten mal meinen Bruder sehen. Der sieht genauso aus wie ich.“