Hüter des SchatzesEhrenamtler arbeiten im Odenthaler Rathaus die Archivunterlagen auf
- In zwei Dachkammern des Rathauses lagern unzählige Seiten Archivmaterial.
- Seit sieben Jahren arbeitet das Team akribisch, um die Aktenbestände aufzuarbeiten.
- In dem Material erfahren sie Spannendes über die Stadt, die Gesellschaft und vielleicht sogar über die Zukunft Odenthals.
Odenthal – Der Altenberger Dom – ein historisches Zentrum der Spiritualität im Bergischen Land. Weit weltlicher ging es offenbar in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts rund um die Klosterkirche zu. Immer mehr Gasthäuser lockten hier die Besucher an.
Trinken statt beten – diese offenbar haltlosen Zustände in Altenberg beschäftigten alsbald auch die Verwaltung. Und wo ein preußischer Beamter, da auch eine Akte. Die erhielt den unrühmlichen Titel: „Verunstaltereien durch Wirtshauswesen Altenberg“ und hielt die „Fehlentwicklung“ des Ortes und die Möglichkeiten gegen den Sittenverfall vorzugehen, sorgfältig fest.
Zwei Dachkammern voller Akten
Mit preußischer Akribie arbeitet auch das Archivteam. Seit rund sieben Jahren sichtet, ordnet und erfasst die Archivgruppe, die derzeit aus Norbert Franz, Dietrich Quanz, Marie-Luise Schmitz und Rudolf Zimmer besteht, unermüdlich die historischen Aktenbestände, die in zwei Dachkammern des Rathauses lagern.
Wichtigstes Instrumentarium war dabei zunächst nicht die Lupe und auch nicht der Computer, sondern der Staubsauger. „Wir haben hier ein Chaos vorgefunden“, erinnert sich Norbert Franz an die Anfänge. Rund 2000 Akten, Listen und Dokumente warteten hier – nach oftmals undurchsichtigen Kriterien in Kartons oder zwischen vergilbte Aktendeckel gesteckt, gestapelt, abgelegt ...und anschließend vergessen.
Ein Zustand, der allerdings nicht in jedem Fall nachteilig sein muss. Denn was vergessen wird, das entgeht auch dem Reißwolf und kann nach Jahren wiederentdeckt werden.
Jeden Donnerstag ein Stück Schatz
Diesen versunkenen Schatz heben die Ehrenamtler nun langsam, aber stetig. Jeden Donnerstagvormittag steigen sie die steile Treppe in der alten Schule hinauf, die heute Rathausnebenstelle ist. Hier lagert das reichlich verwirrte Gedächtnis der Gemeinde. „Etwa drei Kartons schaffen wir an einem Vormittag“, sagt Marie-Luise Schmitz.
Eine mühselige Arbeit, für die die Ehrenamtler nach eigenen Angaben mehr Hilfe von der Verwaltung gebrauchen könnten. Zwar steht ihnen mit Dorothea Wissenberg eine Ansprechpartnerin im Rathaus zur Verfügung (siehe Kasten), die sich auch um die Archivbenutzer kümmert, doch sei man darüber hinaus kaum vernetzt. „Hier landen immer irgendwelche Stapel auf dem Tisch und wir wissen nicht, woher sie kommen“, kritisiert Franz. Und das aktuelle Verwaltungsarchiv kenne man gar nicht.
Der Inhalt von knapp 360 Kartons wurde inzwischen registriert und elektronisch erfasst. Dabei wissen die ehrenamtlichen Archivare selten, was sie erwartet, wenn sie den Deckel das erste Mal heben: „Es gibt noch etwa 35 Kartons, in die wir noch nie einen Blick geworfen haben“, so Marie-Luise Schmitz. Im besten Fall gehören die Akten inhaltlich zusammen, „Acta generalia“, also Gesetze und Verordnungen zu einem Thema, neben „Acta specialia“, den konkreten Fällen.
Lose Blattsammlungen in Kartons
Im schlimmsten Fall liegen im Karton lose Blattsammlungen unterschiedlichster Thematik, die Seite für Seite gelesen oder doch wenigsten überflogen werden müssen, um sie in sinnvoller Weise zusammenzufügen.
„Oft ist völlig unklar, nach welcher Grundidee die Akten in den Kartons landeten“, wundert sich Norbert Franz. „Die Zuordnung ist Strafarbeit“, stimmt Dietrich Quanz zu, zumal die damals verwendete deutsche Kurrentschrift nicht immer einfach zu entziffern ist. Die Arbeit der Odenthaler Archivare ist mitunter mühselig.
Die älteste Quelle ist wohl das Schöffensiegel aus dem 16. Jahrhundert, die meisten Akten stammen aber aus dem 19. Jahrhundert und dokumentieren auf beeindruckende Weise den Umbruch von der napoleonischen zur preußischen Ära. Dass die Schriftstücke diesen Epochenwechsel überhaupt so gut überstanden haben, ist wohl hauptsächlich Johann Frizen zu verdanken.
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Der hatte selbst den einschneidenden Herrschaftswechsel unbeschadet überstanden, war in der vor-napoleonischen Zeit Schöffe, in der französischen Epoche Maire (Verwaltungschef) und anschließend in preußischer Zeit wieder Bürgermeister in Odenthal.
Lückenhafte Belege
Wie er selbst überlebten auch die Akten, wenn auch offenbar nur mit einer List. „Er hat französische Schriftstücke aufgehoben und einfach in preußische reingehängt“, erläutert Quanz. Auf diese Weise habe sich die Verwaltungsordnung aus dem Jahre 1809 komplett in den Akten erhalten. Anders als schriftliche Belege aus der NS-Zeit 1933 bis 1945. „Diese Belege sind sehr lückenhaft, Teile aus den Akten fehlen“, sagt er. Sie wurden offenbar vernichtet.
Zeit zur intensiven Lektüre bleibt ohnehin für die ehrenamtlichen Archivare kaum. Sie beschränken sich notgedrungen darauf, die Texte zu überfliegen, um sie thematisch richtig zuordnen und in die elektronische Liste aufnehmen zu können. Diese soll Grundstock für ein später zu erstellendes elektronisches Findbuch sein, das dann problemlos via Internet zugänglich wäre.
Bis dahin muss es bei Stichproben aus dem Gemeindearchiv bleiben, was schade ist, warten doch noch viele nicht erzählte Geschichte in den Akten. Etwa, wie es gelang, die ansteckende Cholera 1884 in Odenthal zu bekämpfen, wie man mit den schweren Schäden des Unwetters am 7. August 1898 umgegangen ist oder auch, wie man mit den anfangs erwähnten bedenklichen Zuständen in Altenbergs Wirtshäusern fertig geworden ist.