Ein genervter Odenthaler soll am Schulzentrum einen Jugendlichen geschlagen haben. Das Amtsgericht stellte das Verfahren gegen Auflage ein.
ProzessBensberger Gericht stellt Prügel-Verfahren gegen Odenthaler Schulanlieger ein
Alt gegen Jung war es nicht, was sich am Abend des 12. August 2023 in der Nähe des Odenthaler Schulzentrums abspielte, wohl aber stark gegen halbstark. Jetzt musste sich der Starke, ein 46-jähriger Anwohner, vor dem Bensberger Jugendschutzgericht verantworten, weil er einen 16-jährigen Jugendlichen aus Wermelskirchen geschlagen und bedroht haben soll.
Richterin Pauline Willberg hörte zunächst beide Seiten sehr intensiv an, danach kürzte sie den Prozess in ihrem Hochtemperatur-Gerichtssaal ab: Statt weitere Zeugen aufzurufen, stellte sie das Verfahren ein. Der Odenthaler Familienvater muss 400 Euro an eine von seinem Anwalt Karl Matthias Göbel vorgeschlagene Hilfsorganisation überweisen, danach werden die Aktendeckel endgültig zugeklappt.
Hochsommer im Gerichtssaal und keine Klimaanlage
Es ist ordentlich heiß an diesem Gerichtstag, und der vorangegangene Prozess hat eine ganze Stunde länger gedauert als geplant. Die Strafprozess-Säle im Bensberger Amtsgericht sehen zwar aus wie neu und verfügen über große Bildschirme, auf denen etwa Polizeivideos abgespielt werden können, aber für eine Klimaanlage hat das Steuergeld nicht mehr gereicht – und das, obwohl das Gericht mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet ist und theoretisch Öko-Strom aus eigener Ernte verbrauchen könnte.
Doch was nicht ist, ist nicht, dafür verzichtet die Richterin an diesem heißen Tag (an dem auch noch ein Zeuge regelrecht „gegrillt“ wird) auf den Robenzwang. Staatsanwältin und Verteidiger sitzen in heller Zivilkleidung im Saal, nur Richterin und Protokollführer behalten stoisch die schwarzen Roben an.
Erwachsene stellen Jugendlichen zur Rede
Am Abend des 12. August 2023 soll der bis dahin nicht vorbestrafte Angeklagte Peter P. (Namen geändert) selbst erheblich über die Strenge geschlagen sein, als er den 16-jährige Sven K. unweit des Schulzentrums zur Rede stellte. Vorher hatten P. und seine Partnerin nach einer Tauffeier mit Nachbarn draußen gesessen und Lärm, splitterndes Glas und Gekreische aus Richtung des Schulzentrums gehört. Die Männer gingen rüber und trafen auf Sven, der sich zuvor aus dringenden Gründen von seiner Gruppe entfernt hatte.
Was dann passierte, darüber gibt es widersprüchliche Angaben: Während Zeuge Sven sich als geschlagen und von dem wohl betrunkenen Angeklagten an die Wand gedrängt beschreibt, gibt der Erwachsene an, Sven habe ihm mit einer Flasche vor dem Gesicht herumgefuchtelt, die er daraufhin lediglich zur Seite geschoben habe. Wenig später sei eine etwa zehnköpfige Gruppe auf die Erwachsenen zugekommen und habe ihnen aggressiv vorgeworfen, ein „Kind geschlagen“ zu haben.
Das mittlerweile 17 Jahre alte „Kind“ Sven, das, leicht gelangweilt wirkend, auf seinem Zeugenstuhl hängt und in Begleitung der Mutter gekommen ist, wird im Prozess wieder und wieder gefragt, wer was wann wo gesagt und getan habe. Es geht um Standorte, um eine Brücke, ein Mäuerchen, die Realschul-Mensa und die Bushaltestelle, das eigentliche Ziel des Jugendlichen, der zuvor in Leverkusen drei, vier Bier getrunken hat und nun in den Bus nach Wermelskirchen wechseln wollte. Sven: „Die Männer haben mich verfolgt. Die wollten mich unbedingt bei sich haben. Ich weiß auch nicht, warum.“
Erst nach 25 Minuten wird Zeuge Sven entlassen. Der Verteidiger benennt Schwachstellen der Aussage, die Verfahrensbeteiligten einigen sich auf die Einstellung gegen eine Geldauflage an die „Weiße Villa“ in Hilden, und so kann die Richterin den weiteren vier Zeugen einen „sonnigen Tag“ wünschen. Sie haben die ganze Zeit auf dem Flur gewartet – ohne Wasserspender oder Getränkeautomat.