Abschied nach 35 JahrenWolfgang Seifen verlässt die Orgelakademie Altenberg
Altenberg – Ein bisschen Wehmut kommt im Gespräch mit Professor Wolfgang Seifen auf – die 33. Internationale Orgelakademie Altenberg für Orgelimprovisation wird seine letzte sein als Dozent vor dem Übergang in den Ruhestand. Vor 35 Jahren hat er die Akademie mit dem damaligen Domorganisten Paul Wißkirchen ins Leben gerufen. Genau 33 mal wirkte er als Dozent bei der Orgelakademie im Altenberger Dom, die in den beiden letzten Jahren wegen der Corona-Pandemie und den Hochwasserschäden ausfallen musste.
„Eines Tages rief mich Wißkirchen an, schlug einen Orgelwettbewerb vor“, erinnert sich Seifen, der in Kevelaer lebt , dort bis heute als Organist an der Päpstlichen Marienbasilika wirkt und in Berlin als Professor für Improvisation und lithurgisches Orgelspiel tätig ist. „Doch Wettbewerbe gibt es wie Sand am Meer, aber eine Akademie mit den Leuten, die nach dem alten akademischen Gedanken zusammen essen, trinken, arbeiten — Paul, das gibt es nicht“, habe er damals gesagt.
„Sie haben den Wert der Akademie erkannt“
Diese Anfangsüberlegungen seien nicht schriftlich festgehalten: „Aber wenn dem Wißkirchen etwas gefiel, war er spontan und emotional dabei – jawohl, das machen wir.“ In den Anfängen fand die Akademie von Sonntag bis Freitag statt, gefördert von der damaligen Landesregierung wie ein Stipendium an den Hochschulen. „Als 2005 die Finanzierung von der neuen rot-grünen Regierung eingestellt wurde, zahlten die Teilnehmer Meisterkursgebühren“, berichtet Domorganist Rolf Müller. „Doch jetzt bekommen wir wieder Unterstützung von Kultusministerium, aber es wird nicht mehr alles bezahlt.“
Improvisationskonzerte
Das Programm
Die Improvisationskonzerte im Altenberger Dom:
Montag, 1. August, 20 Uhr, Peter Planyavsky
Dienstag, 2. August, 20 Uhr, Karol Mossakowski
Mittwoch, 3. August, 20 Uhr, Wolfgang Seifen, anschließend Empfang der Stiftung Altenberg und Verabschiedung von Seifen
Donnerstag, 4. August, 20 Uhr, Teilnehmerkonzert
Heute schreiben sich Studierende, aber auch fertige Organisten ein, viele sind „Wiederholungstäter“. „Sie haben den Wert der Akademie erkannt und nehmen viel mit“, sagt Seifen, der unter Kollegen und in der Fachpresse als Ausnahmeerscheinung gilt. Doch den Vergleich mit Johann Sebastian Bach und Ludwig van Beethoven mag er überhaupt nicht: „Ich bin ein ausführender Musiker, ein Organist, der auch komponiert – diese Superlative sind vollkommen hirnrissig“, sagt er spontan. „Solchen Ausnahmekomponisten kann man bestenfalls nacheifern, aber sich nicht damit vergleichen. Man bräuchte bestimmte Komponisten auch nicht mehr bewundern, wenn man in der Lage wäre, es besser zu machen.“
Eintauchen in neue Welten
Doch Kritiker und Kollegen schwärmen von seinen Improvisationen, etwa bei einer Bach-Fuge, die in neue überirdische Sphären führt. „Wenn ich anfange zu spielen, bin ich in einer anderen Welt, gebe mich der Kunst hin und reagiere auf nichts anderes mehr – das ist die grundsätzliche Voraussetzung, etwas Besonderes zu machen“, sinniert er über das Eintauchen in das Orgelspiel. Für sein Abschiedskonzert in Berlin hat er eine viersätzige Sinfonie für großes Orchester und Orgel komponiert, die im nächsten Jahr uraufgeführt wird.
„Er kann alle Stile, auch auf dem Gebiet der Improvisation ist er einzigartig“, schwärmt Müller. „Wenn ein Student ihm fünf Minuten vorspielt, kann er auf die Minute genau eine bestimmte Stelle nachspielen und optimieren.“ Müller hat auch eine Erklärung für Seifens Besonderheit: „Er konnte lange Zeit keine Noten lesen, hat sich selbst beigebracht, was schön klingt. Das prägt, wenn man das erst über die Klänge probiert und nicht über die Technik und Organisieren zum Ergebnis kommt – ich glaube, dass er sich das aufbewahrt hat.“
Seifen ist nach wie vor überzeugt vom Konzept der Orgelakademie mit drei Dozenten, die unterschiedliche Ansätze haben und jeweils am Abend ein Improvisationskonzert geben. „Das Hören von Musik ist ein wichtiger Bestandteil der Improvisationsmethodik, denn ohne Erfahrung, ohne die Technik, die andere benutzt haben und benutzen, können wir nichts erfinden – das geht ja nicht aus dem hohlen Bauch heraus“, erklärt Seifen. In dieser Woche stehen ihm Professor Peter Planyavsky, aus Wien und der junge Organist Karol Mossakowski aus Lille zur Seite, geben den Teilnehmern neue Impulse.