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Mit Edgar Allan Poe auf Gut NesselrathDüstere Lesung in der Idylle

Lesezeit 3 Minuten

Auf Gut Nesselrath hat die Stadt ihre neue Reihe „Kultur auf dem Hof“ mit einer musikalischen Poe-Lesung eröffnet.

Leichlingen – Das verräterische Herz pocht unter den Bodenbrettern, pocht und pocht, bis das eigene Herz einem bis zum Hals schlägt. Davon können auch die Schwalben nicht ablenken, die in quietschenden Loopings über der Bühne umherflattern. Die „Ohrenbühne“, das sind Claudia de Boer und Daniel Gebauer, haben vor dem ausverkauften Freiluftsaal ihren ersten Auftritt seit fünf Monaten. „Nachtmaer – ein Edgar-Allan-Poe-Abend“ ist das Programm, das das Duo an diesem Sonntagabend mitbringt. Abgesehen davon, dass „Das verräterische Herz“ und „Die Maske des roten Todes“ zu Poes bekanntesten Erzählungen gehören, scheinen die Texte auch auf diese Zeit zugeschnitten zu sein, durch die wir uns gerade manövrieren.

Claudia de Boer und Daniel Gebauer auf der Hof-Bühne.

Als Veranstaltungsort etabliert werden für die neue städtische Reihe „Kultur auf dem Hof“ die Bauernhöfe auf dem Leichlinger Land. „Das sind zirka 20 ganz besondere Orte, die wir mit ziemlichem Aufwand hergerichtet haben“, erzählt Ute Gerhards, Leiterin des Büro Bürgermeister. In kleinen, geschlossenen Räumen – wie bei „Kultur im Schloss“ auf dem Eicherhof – wird erst mal lange Zeit nichts stattfinden können. Nun sitzt man in Grüppchen auf dem aufgeräumten und gefegten Innenhof des Gut Nesselrath. Es ist idyllisch zwischen den leicht gewellten roten Schindeldächern, den grünen Türen und Fensterläden. Vor dem alten Burgtorbogen schnattern die Gänse, und man wartet nur darauf, dass vielleicht eine Katze um die Klappstühle schleicht.

Ins Schweigen bellen zwei Hunde

Mit „Schweigen – eine Fabel“ beginnt die musikalische Lesung. Die Künstler kommen langsam von hinten geschlichen, Gebauer spielt das Saxofon und lässt sein Instrument die Einleitung erzählen. Mit fast geschlossenen Augen und sanfter Melodie findet er seinen Weg über den Hof. „In diesen ungewöhnlichen Zeiten“, sagt de Boer auf dem kleinen Bühnenaufbau, kommen wir zusammen. Die Angst stamme bei Poe aus der Seele, aus dem Innersten. Vielleicht auch ein Mutzuspruch, sich nicht von Äußerem verunsichern zu lassen.

„Schweigen“ verfasste der englische Sci-Fi- und Horror-Autor bereits mit 28 Jahren: Es ist ein bewegliches Bild, nur ein Sumpf, flüsternde Lilien, ein großer grauer Fels und ein nachdenklicher Mann unter einem düsteren Himmel. „Es ist weder Ruhe noch Schweigen“, liest de Boer, und im Hintergrund bellen zwei Hunde. Das Schweigen ist in dieser ruhigen, poetischen Fabel der eigentliche Fluch – und das Ende des Nachdenkens. Existenzialistischer Horror kennzeichnet den von Cholera und Pest inspirierten Text über den roten Tod. Gebauers schnarrende Schlangenbeschwörer-Flöte untermalt Prinz Prosperos Maskenball, das Saxofon spielt für jeden der farbigen Räume ein eigenes Thema. Ein Pferd schnaubt zur Musik.

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Claudia de Boers leidenschaftliches Schlusswort: „Wir dürfen niemals vergessen in diesen Zeiten: Das, was uns verbindet, ist viel mehr und stärker als das, was uns trennt.“ Alle Teilnehmenden, hinter, vor und auf der Bühne sind dankbar für diese Möglichkeit, die Kultur wieder aufleben zu lassen.

Das nächste Konzert, am 22. August auf dem Müllerhof, ist bereits ausverkauft. Für Sonntag, 20. September, gibt es noch Karten für den Sieferhof, wo um 18 Uhr „Lou’s The Cool Cats“ Musik von den 20ern bis zu den 20ern spielt. Karten unter ☎ 02175/992105 oder per E-Mail an kulturinfo@leichlingen.de