„Wir blasen kein Trübsal“So trotzen Senioren in Leichlingen der Corona-Krise
- Senioren und Corona - sogleich ist von Einsamkeit, Krise und Tod die Rede. Doch es geht auch anders.
- Im Altenzentrum Hasensprungmühle in Leichlingen wollen die Bewohner nicht als "arme alten Menschen" gesehen werden.
- Wir haben mit Elisabeth Harms, Heinrich Van Ueden und Maria Meis gesprochen. Die Fröhlichkeit und das Singen lässt sich keiner von ihnen nehmen.
Leichlingen – Kuchen und Sekt waren bestellt, ein Raum gemietet, die Gäste eingeladen. Elisabeth Harms hatte alles geplant. Und musste dann alles abbrechen. Die Feier zu ihrem 95. Geburtstag wird nicht stattfinden. „Ich habe das ganze Jahr Geburtstag“, sagt sie stoisch und lacht. Der Ausfall ihres Festes, dass sie jetzt nicht zum Nachbarn kann um ihm zu gratulieren, wenn der seinen Ehrentag hat. Allen Einschränkungen, die Corona ihr abverlangt, begegnet Frau Harms mit Pragmatismus und einer Portion Stursinn. „Wir sitzen alle Mann im selben Boot. Es hilft ja nichts“, sagt sie immer wieder.
Das Altenzentrum Hasensprungmühle in Leichlingen, in dem Frau Harms wohnt, ist komplett umzäunt. Nur in den Garten und in den Vorhof dürfen die Bewohnerinnen und Bewohner. „Hier gibt es keine Leute, die klagen“, sagt Heinrich Van Ueden. Er lebt seit 2016 in der Hasensprungmühle. Der 91-Jährige schaut oft aus dem Fenster, wirkt stiller als Frau Harms und lacht dafür umso mehr. Erlebt habe er so etwas wie gerade noch nie, nein. Es sei ein bisschen ruhiger als sonst. „Aber wir blasen kein Trübsal. Man gewöhnt sich an alles“, sagt Van Ueden.
Bewohner nutzen Skype, um mit der Familie zu sprechen
Beim Essen hat er jetzt mehr Platz, das war vorher manchmal schwierig mit den Rollatoren. Das findet er gut. Jeden Sonntag bekam Heinrich Van Ueden Besuch von seiner Familie. Immer am Sonntag. Bis zur Pandemie. Seit drei Wochen können die Bewohner des Altenzentrums mit ihren Familien skypen. „Ich kann das gar nicht. Aber jetzt kann ich mit meiner Tochter und den Enkeln sprechen, das finde ich toll“, sagt Maria Meis. Vor Corona sei alles etwas freier gewesen. Die ganze Situation beenge einen doch sehr. „Es ist ja nicht nur Leichlingen und Deutschland, sondern die ganze Welt“, so die 93-Jährige über die Pandemie. Auch sie kann sich nicht erinnern, so etwas je erlebt zu haben.
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Montag gemeinsamer Einkauf und Gedächtnistraining. Am Dienstag Rommé spielen. Mitte der Woche eine Sporteinheit, am Donnerstag dann die aktuelle Stunde mit Diskussionen über alles, was in der Welt vor sich geht. Alle 14 Tage in einer Runde Bingo spielen. So sah eine Woche von Elisabeth Harms, Heinrich Van Ueden und Maria Meis vor Corona aus. All die Unternehmungen, zu denen sie sonst in der Gruppe losgezogen sind, fallen im Moment weg. Das Maifest ist abgesagt, die Feier im Sommer liegt erstmal auf Eis. Keiner der drei glaubt, dass dieses Jahr noch ein Fest stattfindet. „Dafür muss ein Wunder geschehen“, sagt Harms.
Mehr Zeit für Einzelgespräche
Die Bewohner der Hasensprungmühle singen trotzdem zusammen. Meist sind alle draußen, im Vorhof, im Garten. Dann legen Sabine Goller und Christiane Schrumpf vom sozialen Dienst Musik auf. Sie haben Spielgruppen gebildet, Halma und Stadt-Land-Fluss. „Ich gehe heiser und mit trockenem Mund nach Hause“, sagt Schrumpf. Der Mundschutz macht es ihr schwer, so laut und deutlich zu sprechen, dass es alle verstehen.
Weil sie nicht mehr in der Gruppe losgehen, bleibt mehr Zeit für Einzelbetreuung. Das können Gespräche sein, ein gemeinsames Spiel oder ein Spaziergang, erklärt Schrumpf. „Die Leute denken, in Altenheimen gibt es nur Trauer, ach diese armen alten Menschen. In unserem Haus ist das nicht so, wir lachen alle viel“, so Sabine Goller. Maria Meis erzählt, wie sich die Bewohner gegenseitig helfen. „Wenn manche noch nicht so weit sind, erklärt man sich die Situation“, sagt die 93-Jährige und meint damit Corona.
"Du hast deine Hände noch nicht desinfiziert"
Christiane Schrumpf beobachtet, wie die Bewohner aufeinander achten. Sich dazu anhalten, die Vorschriften einzuhalten. „Hier, du hast deine Hände noch nicht desinfiziert“, erinnern sie sich gegenseitig. Elisabeth Harms zeigt mit den Armen, wie alle auf Abstand zueinander gehen. Die Angst, sich anzustecken, ist da. Dieser Gedanke, der geht nicht weg. „Toi Toi Toi war hier noch niemand krank. Wir ziehen alle an einem Strang“, sagt Harms noch einmal.
Wenn die Einschränkungen gelockert werden, dann rufen sie zuallererst die Kinder an, damit sie sie besuchen, beteuern alle drei. Frau Harms möchte in der Eisdiele einen Kaffee trinken. Nach dem Gespräch verabreden sich alle, um nach draußen zu gehen. Eine Runde spielen.