Wieviele Schäden hat die Stadt davongetragen?Leichlingen zieht Hochwasserbilanz
Leichlingen – 5,5 Millionen Kubikmeter Regen, an die 25 000 Kubikmeter Sperrmüll, Bauschutt und Schrott, mehr als 1000 teils völlig ruinierte Haushalte, 1240 laufende Meter abgesoffene Archivakten, geschätzte zehn Millionen Euro Schäden allein an Gebäuden und Wegen der Stadt – und das ist nur eine vorläufige Bilanz der Hochwasser-Katastrophe in Leichlingen. Die zudem zwei Todesopfer im bei der Flut abgebrannten Haus an der Neukirchener Straße gefordert hat, dessen Ruine als erschreckender Anblick eine klaffende Wunde im Stadtbild bleibt.
Diese Zahlen und Rückblicke stellte die Stadtverwaltung am Mittwochabend dem Stadtrat vor, der sich zu einer Sondersitzung traf, um erstmals über das Geschehen zu sprechen, das die Stadt in der Nacht zum 15. Juli heimgesucht hat. Die Sitzung musste in der kleinen Aula der Grundschule in Witzhelden abgehalten werden, denn auch die Aula Am Hammer, wo der Stadtrat seit der Corona-Pandemie tagt, ist vom Wupperhochwasser zerstört worden. Der größte Saal der Stadt ist komplett überflutet worden und stand nicht nur im Orchestergraben, sondern auch auf der Zuschauerebene 40 Zentimeter im Schlamm.
5,5 Millionen Kubikmeter
Bilder von der braunen Brühe, welche die Stadt von Nesselrath bis Balken überschwemmt hat, illustrierten in der Präsentation die Zahlen, Grafiken und Schadens-Dokumentationen der Verwaltung. Am 14. Juli fielen im Stadtgebiet 150 Liter Regen pro Quadratmeter. „Das sind 15 Zentimeter Wasser pro Quadratmeter, zusammen waren es 5,5 Millionen Kubikmeter“, rechnete Bürgermeister Frank Steffes vor.
Massen, mit denen niemand jemals gerechnet habe und die alle Krisenszenarien übertrafen: „Es gab keine Gefahrenkarte, die das gezeigt hat“, erklärte er. Die aus Bächen, Talsperren, Wupper und Wolken einbrechenden Fluten haben sowohl die Extrem-Hochwasser-Simulationen des Landes für 10 000-jährige Ereignisse als auch die Starkregen-Gefahrenkarte für ein 100-jähriges Unwetter weit übertroffen, weil beide Extreme zusammentrafen. „Kein Kanalsystem kann solche Wassermassen fassen. Es kam zu Überflutungen auch in Bereichen, die nirgends verzeichnet waren“, erklärte Steffes, beispielsweise an der Alten Holzer Straße und am eigentlich etwas höher gelegenen Gelände des Schulzentrums. Die Notfallpläne müssen für den Katastrophenschutz jetzt neu geschrieben werden. Der Klimawandel hat eine neue Ära eingeleitet. Bis Ende August kann die Bürgerschaft sich daran wie berichtet noch beteiligen, indem sie überschwemmt gewesene Bereiche und Wasserstände an den Abwasserbetrieb meldet.
Nach der Dokumentation des Geschehens sind Bürgergespräche, neue Simulationsmodelle und Vorsorge-Maßnahmen wie Objektschutz und die Schaffung weiterer Retentionsflächen vorgesehen, die mit dem Projekt der „Blau-grünen Klimaachse“ wie berichtet ja schon begonnen haben. Auch Überlegungen zur Aufrüstung von Warnsystemen und zur nachhaltigen Stadtentwicklung werden eine Folge der jüngsten Katastrophe sein. Aktuelle Bebauungspläne, die unter dem Licht der dramatischen Ereignisse möglicherweise neu unter die Lupe genommen werden, sind Wohngebiete an der Neukirchener Straße und auf dem Pastoratsparkplatz. Auch der Deichschutz zwischen Unterberg und dem (trocken gebliebenen, weil einst vorausschauend auf erhöhtem Gelände errichteten) Eicherhof wird zur Debatte stehen.
Personalnot
Noch aber laufen überall nur Schadensbegrenzungen und Entkernungen. Etliche geplante andere Bauvorhaben müssen wegen der Notlage aufgeschoben werden. „Bei Sanierungsarbeiten sind wir noch lange nicht. So viel Personal habe ich gar nicht,“ erklärte Steffes: „Wir müssen jetzt Projektsteuerer finden, die uns helfen.“ Die größten Baustellen:
■Städtische Gebäude, die überflutet worden sind: Bürgerhaus, Grundschule und OGS Büscherhof, Aula, Hauptschul- und Sekundarschul-Turnhalle, Altes Rathaus, Rathaus samt Stadtarchiv, Jugendzentrum und Sportlerheim in der Balker Aue. Sekundarschule, Gymnasium und Mensa sind glimpflich davon gekommen. Nicht benutzbar sind das Jugendhaus (für vier bis sechs Monate), die Musikschule im Bürgerhaus (mindestens bis Oktober) und das Sozialkaufhaus Globolus. Die Stadtbücherei ist mit Terminanmeldung im Notbetrieb. Schul- und Vereinssport sind nur eingeschränkt möglich. Die Verwaltung arbeitet im Rathaus im Notbetrieb mit provisorischer Stromversorgung und „Corona-Besetzung“.
■Zerstörte Brücken müssen an der Wietscher Mühle, an der Muhrgasse in Diepental und in Unterrüden komplett erneuert werden – für geschätzte 900 000 Euro, die man sich mit Leverkusen und Solingen teilt. Repariert werden Pastorats- und Marly-Brücke und die vom Wasser aus dem Widerlager gehobene „Juckelbrücke“ bei Nesselrath.
■Straßen, Wege und Plätze sind unterspült und verunreinigt, besonders in Balken , Wietsche und Büscherhöfen, aber auch am Bechhauser Weg und in Fähr. Allein im Stadtzentrum rechnet man mit 100 000 Euro Aufwand. Acht Kilometer Wirtschaftswege sind beschädigt (800 000 Euro).
■Der Kunstrasenplatz in der Balker Aue, gerade neu verlegt, ist weggeschwemmt worden: 340 000 Euro Schaden. Weitere 50 000 gehen für den Totalschaden an der Flutlichtanlage drauf.
■Das Hallenbad ist nicht mehr benutzbar und wird wohl vorzeitig abgebrochen. Schwimmunterricht ist nicht mehr möglich. Anfang 2023 sollte ohnehin der Neubau fertig sein. Auch das Physiozentrum Therapieburg im Badgebäude ist zerstört. Es hatte ursprünglich noch einen Mietvertrag bis 2035, was den kompletten Abbruch der Schwimmhalle verzögert hätte. Nun will die Verwaltung mit Inhaber Lars Burgwinkel aber darüber verhandeln, die Räume nicht mehr zu sanieren, sondern das Gebäude aufzugeben.
■Soforthilfen: 1058 Anträge von Privatpersonen sind im Rathaus bearbeitet und an sie bereits 2,3 Millionen Euro ausgezahlt worden. 134 Gewerbebetriebe haben 668 000 Euro Landesmittel erhalten. Die Stadt hat 200 000 Euro Soforthilfe bekommen.
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Die Stadtverwaltung ist mit einer Schadenssumme von insgesamt fünf Millionen für Gebäude und Inventar versichert. Ausgegeben worden sind für Sofortmaßnahmen bereits 80 000, eingeplant 560 000 Euro. Der Rat muss außerplanmäßig Geld bereitstellen. Und man hofft, dass Bund und Land den überfluteten Kommunen wie versprochen aus der Not helfen.