Geldscheine im SchlammKreissparkassenfiliale muss von Grund auf renoviert werden
Leichlingen – Das Selbstbedienungs-Center: Entkernt, eine staubige Baustelle – hier kann man kein Geld mehr aus dem Automaten ziehen und keine Überweisungen senden. Die Schalterhalle: Ein menschenleerer Rohbau aus Beton, in dem es keine Tresen mehr gibt und keine Auszugsdrucker rattern, sondern Bautrockner und Mega-Lüfter rauschen und pusten. Der Aufzug: Zwischen zwei Etagen in einem nassen Schacht steckengeblieben. Der Tresorraum: Ein feuchtes Loch im Keller mit verschlammten Kunden-Schließfächern, die so verrostet und demoliert waren, dass sie teils mit der Brechstange aufgebrochen werden mussten. Die Tiefgarage: Stand bis unter die Decke im dreckigen Wupperschlamm und musste tagelang ausgepumpt werden – zum Glück stand in der Flut-Nacht kein Auto im Keller.
Das Gerücht, dass hier beim Wupper-Hochwasser ein Mensch ertrunken sei, stimmt nicht. Markus Luyven weiß, dass diese Falschnachricht in Leichlingen die Runde machte. Aber sie ist nicht wahr. „Die Rolltore waren zu. Es gab keine Toten und keine Verletzten“, sagt der Leiter der Regionalfiliale der Kreissparkasse Köln (KSK) an der Neukirchener Straße: „Bei allem Unglück, das geschehen ist, hatten wir Glück, dass es nachts passiert ist und keine Kunden da waren.“ Das Unglück ist auch so schlimm genug. Die Bank ist in der Schreckensnacht komplett überflutet worden. 1,20 Meter hoch stand die Schlammbrühe in der ruinierten Schalterhalle. 1,5 Millionen Liter Wasser, hat Luyven ausgerechnet, musste die Feuerwehr aus dem Haus pumpen: „Ich glaube, es war sogar noch ein bisschen mehr“, sagt er.
Schaden in Millionenhöhe
Die Kreissparkasse wird in Leichlingen einige Monate lang nicht öffnen können. Sie steht, nah an der Wupper, vor einem Millionenschaden – einem der größten Sachschäden, die in der Blütenstadt zu verkraften sind. Und Luyven steht seitdem nicht wie sonst im Anzug, sondern mit Stirnlampe und festem Schuhwerk vor der Türe der geschlossenen Bank.
Der 52-Jährige dirigiert Handwerker und beantwortet mit dem Krisenteam, das an Klapptischen mit einem Laptop vor dem Eingang sitzt, Fragen, nimmt von Hand ausgefüllte Formulare entgegen und geleitet Kunden zum Safe-Raum im Keller. Dort bot sich den Inhabern der Schließfächer ein entsetzlicher Anblick. Der Wupperschlamm war durch die dicke rote Tresortüre in alle Ritzen geflossen. Der Sicherheitstrakt ist komplett geflutet worden.
Banknoten, Schmuck, Sparbücher, Goldstücke, Urkunden – sämtliche Schätze, die im begehbaren Safe vermeintlich sicher aufbewahrt waren, konnten nur noch aufgeweicht, schmutzig, verschimmelt und unleserlich geborgen werden. Es dauerte Wochen, bis man den Raum überhaupt betreten konnte. Einzeln wurden alle Kundinnen und Kunden nach und nach mit Taschenlampen in das düstere Verlies begleitet, damit sie ihre Wertsachen bergen konnten. Inzwischen ist auch das letzte nummerierte Türchen, in dem die Schlüssel klemmten, geöffnet worden, manchmal gewaltsam. 1100 Fächer, 1100 um ihre Ersparnisse und Erinnerungsstücke besorgte Kunden, 1100 Telefonanrufe, Terminvereinbarungen und vertrauliche Gespräche. „Das war die größte Herkulesaufgabe, die wir lösen mussten“, gesteht Luyven. Angesichts der vielen Depots halte sich der materielle Schaden aber in Grenzen, zieht er eine erste Bilanz: „Vieles kann man wiederherstellen.“
Banknoten kann man waschen
Die Kundendepots sind versichert. Banknoten, die in zinslosen Zeiten vermutlich vermehrt im Safe verwahrt worden sind, seien recht robust, sie könne man mit klarem Wasser waschen und trocknen, empfiehlt er. Zerstörte Scheine können von der Bundesbank ersetzt werden. Sparbücher werden erneuert. Verschmutzten Schmuck darf man reinigen lassen.
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Alle beschädigten Wertsachen, die vorsichtig aus den Schubladen geholt wurden, sind von KSK-Personal in provisorischen Büros im ersten Stock erfasst, fotografiert und aufgelistet worden. „Der allergrößte Teil der Kunden ist gut mit der Situation umgegangen“, bedankt sich Luyven für das Verständnis: „Es gab keinen, der uns persönlich Vorwürfe gemacht hat.“
Mit einer solchen Wahnsinnsflut, die als Jahrtausend-Ereignis eingestuft wird, hat ja auch niemand gerechnet. Ob der neue Kundentresorraum nach dieser Katastrophe erneut im Keller eingerichtet wird, weiß Luyven nicht. „Darüber wird sich unsere Organisation Gedanken machen“, sagt er: „Wasserdichte Kassetten wären auch ein einfacher Weg.“
Zehn Kilometer nasse Kabel
In den Kellern sind auch Safes und das Archiv der Bank, Personalräume, die komplette Technik, EDV-Server und Alarmanlagen abgesoffen. Sogar massive Stahltüren sind durch den enormen Wasserdruck aufgesprengt worden. 10,5 Kilometer Kabel sind im Erdgeschoss zerstört worden. Wochenlang gab es nur Notstrom für einen PC und einen Kopierer im Haus. Ein Sicherheitsdienst bewacht die Baustelle, auf der sich Trocknungsfirmen, Gebäudereiniger, Statiker und Elektriker tummeln.
Draußen vor der Türe hält eine mobile Filiale den Betrieb aufrecht. Der knallrote Transporter verfügt über einen Geldautomaten, Auszugsdrucker und eine kleine Besprechungs-Ecke. „Wenn die Räume komplett getrocknet sind, werden wir eine Servicetheke einrichten und wieder Beratungsplätze anbieten können“, stellt Filialleiter Luyven in Aussicht. „Bis das letzte Bild wieder hängt, kann es aber bis zu einem Jahr dauern“.
Nachdem Unbekannte den Geldautomaten am Bahnhof gesprengt hatten, können Kundinnen und Kunden an der mobilen Filiale der Kreissparkasse Köln Geld abheben. Die mobile Filiale parkt vor dem Eingang der Geschäftsstelle an der Neukirchener Straße 4. Die Öffnungszeiten sind täglich von 9 bis 16 Uhr.