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„Wahnsinnsidee“Anwohner in Kürten-Höchsten halten geplante Erddeponie für gefährlich

Lesezeit 5 Minuten
Landschaft in Kürten-Höchsten.

Idylle pur: die Landschaft in Kürten-Höchsten. Doch das soll bald zu Ende sein: Der Bergische Abfallwirtschaftsverband plant hier eine Erddeponie.

Besonders die enge und kurvenreiche Zufahrtsstraße ist problematisch. Im Kürtener Ratssaal wurden einige Bürgerinnen und Bürger deutlich.

„Wie viele Unfälle müssen wir in Kauf nehmen, bevor man sieht, dass das eine Wahnsinnsidee war?“ Die Kürtenerin ist sauer und ihr Ärger entlädt sich in der Sondersitzung des Klima-, Umwelt- und Zukunftsausschusses. Der hat an diesem Abend nur einen Tagesordnungspunkt: die geplante Erddeponie in Kürten-Höchsten.

Dieses Vorhaben des Bergischen Abfallwirtschaftsverbandes (BAV) hat noch mehrere Dutzend andere Anwohner in den Ratssaal geführt. Obwohl Zuhörer üblicherweise in Ausschusssitzungen kein Rederecht haben, wird ihnen Gelegenheit für Fragen an die anwesenden Planer, an die Vertreter von BAV und des Rheinisch-Bergischen Kreises eingeräumt.

Die IG Bechen fordert ein Ende der Deponie-Planungen

Der Kreis ist Genehmigungsbehörde für die geplante Deponie und hat im Rahmen des Verfahrens die Gemeinde Kürten zu einer Stellungnahme zum Projekt aufgefordert. Vorab ließen sich die politischen Vertreter noch einmal auf den aktuellen Planungsstand bringen. Besonders glücklich schienen sie über das Vorhaben nicht.

Für die IG Bechen ist der Fall allerdings längst klar: „Der Standort ist nicht geeignet. Die Planungen sind zu beenden“, zitierte Bürgermeister Willi Heider (parteilos) aus einer schriftlichen Stellungnahme der Interessengemeinschaft, die dafür Applaus von den Zuschauerreihen bekommt.

Anwohner befürchten Lärm und Dreck durch die Deponie

Ähnlich sahen das auch die Bürger und Bürgerinnen, die sich zu Wort meldeten. Sie sorgten sich um Lärm- und Staubimmissionen durch die Deponie und um die Sicherheit auf der schmalen Landstraße (K 36), die den Lkw-Verkehr zur Erddeponie aufnehmen müsste.

Trotz der problematischen Zufahrt zum Gelände sieht der BAV keine Alternative zum Standort Höchsten: Anders als in Oberberg verfüge keine Erddeponie im Rheinisch-Bergischen Kreis derzeit noch über Kapazitäten, erklärte BAV-Geschäftsführerin Monika Lichtinghagen-Wirths.

BAV hat 21 Standorte untersucht, hält aber nur den in Kürten für geeignet

„Wir haben 21 Standorte untersucht, aber nur einen gefunden - den in Höchsten“, sagte sie. Die meisten anderen Flächen hätten die Vorgaben nicht erfüllt, insbesondere die gesetzlich vorgeschriebenen Abstände zur Wohnbebauung. Das dünn besiedelte Höchsten bot da eine Alternative.

Zwei Lastwagen kippen Erde auf einer Erddeponie ab.

Die geplante Erddeponie in Kürten-Höchsten soll nur unbedenkliche Stoffe aufnehmen. Es wird mit durchschnittlich 19 Lastwagen täglich gerechnet.

Geplant sei eine Erddeponie der „ungefährlichsten Klasse“, so Lars Helmerichs, Leiter des Amtes für Umweltschutz beim Rheinisch-Bergischen Kreis. Abgekippt werden dürften nur „ungefährliche Stoffe“, etwa Bodenaushub, der beim Hausbau anfalle.

Die Topografie wird sich durch die Aufschüttungen ändern

„Der Taleinschnitt eignet sich als Ablagerungsort“, meinte Dennis Wegkamp, Geschäftsführer der pbo-Ingenieurgesellschaft aus Aachen. Die Deponiestraße werde asphaltiert und eine kleine Betriebsfläche mit Annahme und Kontrolle der Anlieferungen gebaut. Vorgesehen ist auch eine Reifenwaschanlage, damit die Transporter den Dreck nicht auf der Landstraße verteilen.

Geplant seien „vier verschiedene Schüttphasen“ auf dem Gelände, die sukzessive rekultiviert würden: „Während der erste Abschnitt bereits wieder rekultiviert wird, werden andere noch verfüllt“, erläuterte er den Ablauf. Das Gelände werde später wieder landwirtschaftlich nutzbar sein, die Topografie aber eine andere sein: „Am Ende hat sich die Höhensituation geändert“, schildert Wegkamp die Folgen der Erdablagerungen: „Es wird kein Plateau sein, aber höher als früher.“

Anwohner halten schmale Zufahrtsstraße für ungeeignet

Das alles beruhigte die Bürger nicht. Besonders harsch wurde Verkehrsplaner Klaus Marenbach vom Ingenieurbüro Donner und Marenbach aus Wiehl angegangen.

Seine Ausführungen, die schmale, kurvenreiche K36 könne den Anlieferungsverkehr zur Deponie verkraften, wenn man sechs Ausweichstellen und Tempo 30 einrichte, man werde den Verkehr von und zur Deponie nur über die Bundesstraße 506 zulassen und könne den Schleichweg über Waldmühle verbauen, ernteten Kritik und ungläubiges Gelächter. „Das ist doch ein Witz. Die fahren doch jetzt schon alle da hoch“, rief ein Zuschauer.

Für Fußgänger bleibt kein Platz auf der engen Landstraße

Und so sah ein Anwohner des Hachenberger Weges die Wohn- und Freizeitqualität dort vernichtet: „Wir werden demnächst unsere Grillwürstchen mit Sand essen“, meinte er mit Blick auf eine befürchtete Staubbelastung durch die Deponie.

Auch zu Fuß habe man demnächst auf der K 36 schlechte Karten, meinte eine Nachbarin. „Die Haltebuchten nehmen den letzten Platz weg“, kritisierte sie. „Ich muss ja jetzt schon auf dem Weg zum Bus in die Büsche springen.“ Da musste der Verkehrsexperte passen: „Für Fußgänger ist an der Begegnungsstelle kein Platz“, gab er zu.

Wer haftet für eventuelle Schäden durch den Deponie-Betrieb?

Ein anderer Anwohner des Hachenberger Weges sorgte sich um Erschütterungen an den Häusern durch den LKW-Verkehr: „Wer haftet bei Schäden?“ Auch CDU-Ratsherr Helmut Müller meldete sich zu Wort. Er forderte ein Beweissicherungsverfahren, um den Straßenzustand der K 36 zu dokumentieren, bevor sie einem vermehrten LKW-Verkehr ausgesetzt sei. „Der Betreiber sollte eine Kaution hinterlegen müssen“, riet er. „Für Schäden dürfen nicht die Steuerzahler herangezogen werden.“

Die Gemeinde werde ihre Stellungnahme auch um Erkenntnisse der Sondersitzung erweitern, um sie an den Kreis weiterzuleiten, der dann entscheide, sagte Bürgermeister Heider abschließend. Die Bürger beruhigte das nicht: „Man kann hier reden, das interessiert gar keinen“, sagte eine Frau. „Das ist schon beschlossene Sache.“


Die geplante Erddeponie

Die Deponie soll den Standard DK 0 erfüllen und damit nur für ungefährliche Stoffe zur Verfügung stehen.

Auf sieben Hektar soll innerhalb von rund zehn Jahren abschnittsweise insgesamt 294.000 Kubikmeter Erdreich abgeladen und anschließend wieder renaturiert und als landwirtschaftliche Fläche zur Verfügung stehen.

Die Wasserableitung wird durch ein unterirdisches Regenrückhaltebecken gesteuert.

19 Lastwagen täglich könnten nach der Prognose im statistischen Mittel die Deponie ansteuern. Einzige Zufahrt soll von Norden aus die K 36 sein. Die Deponie soll für alle geöffnet sein, das angelieferte Material von einem Mitarbeiter angenommen und gegebenenfalls kontrolliert werden.

Öffnungszeiten der Deponie sollen montags bis freitags von 7 bis 17 Uhr sein. Die Genehmigung wird für das 2. Quartal 2024 erwartet, mit der Vergabe und dem Beginn erster Arbeiten wird Ende 2024 gerechnet.