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„Kidical Mass““ Fahrraddemo für mehr Sicherheit in Kürten und Bergisch Gladbach

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Einmal freie Fahrt: Für die erste „Kidical Mass“-Demo in Rhein-Berg war die Allee zwischen Spitze und Herkenrath gesperrt.

Kürten/Bergisch Gladbach – Für die erste Demo ihres Lebens haben sich Maria und Hans-Dieter Unterbörsch in Schale geschmissen, auch wenn die Schale eher ein Pappteller ist. Der stellt ein Verkehrsschild dar und prangt auf einem der beiden Plakate, mit denen sich die Senioren aus Bechen gestern der „Kidical Mass“ anschlossen, einer Fahrraddemonstration, die von der Kreuzung in Spitze zum Gymnasium Herkenrath führte, um auf die Bedeutung eines Radwegs entlang der Strecke aufmerksam zu machen. „Platz da für die nächste Generation“ lautete das Motto, dem sich nach Schätzungen der mitradelnden Eltern fast 300 Menschen aller Altersgruppen anschlossen.

Der Name bezieht sich auf die Aktionsform „Critical Mass“ (kritische Masse), mit der Fahrradfahrer weltweit in spontanen Demonstrationen auf ihre Rolle im Straßenverkehr aufmerksam machen.

Sichere Radwege zu Schulen

In Kürten war das politische Engagement auf Rädern indes geplant. Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub ADFC RheinBerg-Oberberg organisierte die Veranstaltung, die Polizei sperrte die Straße für die Dauer der Durchfahrt. Mit Bannern und Plakaten, zwei Vierbeinern in Lenkradkörben, Luftballons und der Geräuschkulisse einiger hundert Fahrradklingeln zog der Protestzug mit zehn Kilometern pro Stunde über die Allee. Zehntausende Menschen seien an diesem Wochenende bei der bundes- und europaweiten Aktion unterwegs, hatte der hiesige ADFC-Vorsitzende Bernhard Werheid zuvor verkündet, von Oslo bis Wien, von Brüssel bis Bristol, von Bern bis Bergisch Gladbach.

Auch kleine Kinder demonstrierten mit für mehr Sicherheit.

Das Engagement, das fünf Schülerinnen der sechsten Klasse des Gymnasiums Herkenrath im Orgateam an den Tag gelegt hätten, sei sensationell. Sichere Radwege zu den Schulen entlasteten nicht nur die Umwelt, sondern auch die Eltern: „Das vielgescholtene Elterntaxi ist nicht das Mittel der Wahl, sondern eine Notlösung.“ Die Großeltern Oberbörsch sind derweil mächtig stolz auf ihre Enkel. Pia (11), Mitglied des Orgateams, steht daneben und freut sich wie eine Schneekönigin, dass der Einsatz in Geschäften, auf dem Pausenhof und in den Sozialen Medien sichtbar Früchte trägt und immer mehr Teilnehmer aus allen Richtungen auf dem Platz an der Kreuzung in Spitze eintreffen. Gemeinsam mit vier Mitschülerinnen und unterstützt von ihren Eltern hat die Dürscheiderin gleich in doppelter Hinsicht den Stein ins Rollen gebracht. Mehr als 400 Unterschriften haben sie für den seit Jahren geforderten Bau des Radwegs gesammelt, die am Sonntag dem mitradelnden Frank Stein, dem designierten Bürgermeister von Bergisch Gladbach, in Kopie übergeben wurden.

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Die Originale bekommt Kürtens Bürgermeister Willi Heider, der die Kinder, wie Mutter Simone Unterbörsch erklärte, für Donnerstag ins Rathaus eingeladen hat. Die Aktion finde er toll und unterstützenswert, hatte er im Vorfeld bekundet, zugleich jedoch kritisiert, dass die Schülerinnen „vom ADFC instrumentalisiert werden und die gute Aktion damit in ein schlechtes Licht gerückt wird“. Den Stil des ADFC, von dem er weder eine offizielle Anfrage noch eine Einladung erhalten habe, halte er für „äußerst frag- und verbesserungswürdig“ und vermutete dahinter eine „bewusst gesteuerte Kampagne gegen die Gemeinde Kürten“.

Gladbachs künftiger Bürgermeister Frank Stein mit Unterschriften

„Ich war total entgeistert“, kommentierte Werheid das Verhalten des Kürtener Verwaltunsgchefs. Marc Beer, am kommenden Wochenende in der Stichwahl ums Bürgermeisteramt Heiders Herausforderer, radelte auch ohne Einladung mit dem Demonstranten in die Nachbarstadt.

„Das ist ein ganz klarer Wählerauftrag“, meinte auch Frank Stein, der ab 1. November die Amtsgeschäfte im Bergisch Gladbacher Rathaus führt und von einem „nicht mehr länger akzeptablen Zustand“ sprach. Erst kürzlich hat der Leverkusener von seiner Heidkamper Zweitwohnung aus die Allee zwischen Spitze und Herkenrath aus der Sicht eines Läufers erlebt. „Das war echt die Hölle.“