Er hat den Kürtener Bürgermeister übel beleidigt. Dennoch sprach das Bensberger Amtsgericht einen 77-jährigen Rentner frei.
Als „Willi Adolf Heider“ beleidigtKürtener Bürgermeister-Mobber vor Gericht freigesprochen
Ein Kürtener Rentner, der den Bürgermeister seiner Gemeinde als „Willi Adolf Heider“ beleidigt hat, wird dafür nicht bestraft: Der 77-Jährige sei nicht schuldfähig, entschied das Bensberger Amtsgericht am Montag.
Die Staatsanwaltschaft hatte dem früheren Altenpfleger und Taxifahrer zunächst vorgeworfen, den parteilosen Verwaltungschef bewusst geschmäht zu haben, um ihn in der öffentlichen Meinung herabzusetzen — laut Strafgesetzbuch ein eigener Tatbestand (Paragraf 188), der mit bis zu drei Jahren Haft oder Geldstrafe geahndet werden kann, denn Politiker sind kein Freiwild.
Kürten: Pensionierter Polizist bringt Verfahren in Gang
In Kürten zeigte ein pensionierter Polizist an, dass der Rentner am 5. September 2022 an einer stark frequentierten Straße gut lesbare Zettel angebracht habe, auf denen er den Bürgermeister wieder und wieder mit den Nazis in Verbindung gebracht und in der Schmähung auch die Namen der der von den Nationalsozialisten ermordeten jungen Mädchen und Frauen Anne Frank und Sophie Scholl erwähnt hab.
Im Juli 2023 gab es deshalb schon einmal einen Strafprozess, in dem sich aber schnell herausstellte, dass der alte Herr ein psychiatrisches Problem zu haben schien: Der Angeklagte, ein Mann mit erkennbar außereuropäischem Migrationshintergrund, hatte sich einmal auf einem Amt rassistisch abgekanzelt gefühlt. Mittlerweile erkläre er aber jedes Ungemach, das ihm widerfahre, damit. Der damalige Richter Dr. Philipp Stöckle ordnete eine Begutachtung an – die der alte Herr in der Folge aber verweigerte.
Sachverständiger kann nicht ausschließen, dass sich ähnliche Taten wiederholen
Im neuen Strafprozess trug stattdessen ein Gutachter aus einem früheren – gescheiterten – Betreuungsverfahren seine Einschätzung vor. Der Mann, der 1973 nach Deutschland gekommen sei und hier beruflich und familiär Wurzeln geschlagen habe, leide unter einer anhaltend wahnhaften Störung. Er sehe sich ständig in einer Notwehrwehrsituation. Seine Einsichtsfähigkeit sei aufgehoben.
Der Sachverständige konnte nicht ausschließen, dass sich ähnliche Taten wiederholen. Gleichwohl beantragte der Staatsanwalt schließlich Freispruch wegen Schuldunfähigkeit für den nicht vorbestraften Familienvater. Strafverteidiger Ingo Lindemann schloss sich an – und redete zugleich seinem Mandanten mit Blick auf die im Zuschauerraum sitzenden Angehörigen gut zu: „Sie haben zwei tolle Kinder großgezogen und ein gutes Leben geführt. Darauf können Sie stolz sein.“
Danach ging es sehr schnell: Strafrichterin Pauline Willberg, die den Fall geerbt hatte, sprach den Kürtener wegen Schuldunfähigkeit frei. Dessen Unterbringung in einer Klinik hatte bereits der Staatsanwalt als „völlig unverhältnismäßig“ ausgeschlossen. Dem zu Unrecht gescholtenen Kürtener Bürgermeister bleibt jetzt nur, sich für diesen sehr speziellen Fall ein sehr spezielles dickes Fell zuzulegen.