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Gezielter helfenSozialbericht zeigt detaillierte Struktur der Orte in Rhein-Berg

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Vertreter von Kreis, Kommunen, Jobcenter und Wohlfahrtsverbänden stellten den Sozialbericht vor.

Rhein-Berg – Die Lebensbedingungen für die Menschen in Rhein-Berg sind gut. Wer aber in den Zentren von Wermelskirchen und Burscheid, in Cremers Weiden (Leichlingen) oder einigen Gladbacher Stadtteilen lebt, der hat im Schnitt schlechtere Bedingungen als im übrigen Kreisgebiet. Das geht aus dem ersten Sozialbericht hervor, den der Kreis zusammen mit den Städten und Gemeinden, den Wohlfahrtsverbänden und dem Jobcenter erstellt hat. Auf seiner Basis sollen nun gezielte Angebote für die Menschen in den betroffenen Wohngebieten konzipiert oder weiterentwickelt werden. „Wir haben eine starke Struktur im Kreis, trotzdem gibt es Menschen, denen droht, abgehängt zu werden“, sagte Landrat Stephan Santelmann gestern bei der Vorstellung des Sozialberichts in Altenberg.

28 Indikatoren zur Beurteilung

Das knapp 100 Seiten starke Papier gibt erstmals einen fundierten Überblick darüber, wo es den Bürgern aktuell gut geht und wo es noch besondere Lebenssituationen oder Herausforderungen gibt. Wie ist die Altersstruktur? Wie viele Menschen erhalten Sozialleistungen? Wie hoch ist der Ausländeranteil? Wie hoch die Betreuungsquote von Kindern? Das sind nur einige der Fragen, denen die Autoren nachgegangen sind.

Insgesamt seien 28 Indikatoren untersucht worden, die zeigten, wie die Lebensbedingungen der Menschen seien, erläuterte Katharina Hörstermann, beim Kreis für die Sozialplanung zuständig. Untersucht wurden die Lebensbedingungen und Bevölkerungsstruktur nicht nur auf kommunaler Ebene, sondern deren Gebiet wurde nochmals in insgesamt 87 sogenannte Wohnplätze eingeteilt. Erstmals biete der Sozialbericht, an dem seit Ende 2015 gearbeitet worden sei, nun vergleichbare Daten für das gesamte Kreisgebiet, zog Landrat Santelmann Bilanz.

Auch wenn sie ausdrücklich keine Rangordnung der Wohnplätze aufstellen wollen, so haben die Beteiligten doch neun Wohnplätze ausgemacht, bei denen die Indikatoren besonders stark oder häufig vom Kreismittelwert abweichen. „Dort möchten wir Schwerpunkte setzen, um die Menschen vor Ort stärker zu unterstützen“, so Landrat Santelmann. Angepasst an die jeweiligen Bedürfnisse der Menschen werden unterschiedliche Projekte auf die Beine gestellt. In Bergisch Gladbach beispielsweise soll in Gronau und Hand ein Stadtteilhaus mit Kita entstehen, um Kindern, Familien und Senioren zu helfen, die von Armut betroffen sind. In der Stadtmitte und Heidkamp wird der Schwerpunkt auf eine „seniorengerechte Stadtmitte“ gelegt. Der Sozialbericht gibt neben einer detaillierten Stärken-Schwächen-Analyse der Wohnplätze bereits Handlungsempfehlungen. So sollen etwa in Gronau und Hand Beratungs-, Bildungs- und Beschäftigungsangebote verbessert werden, und die Nachbarschaft soll gefördert werden, um mehr Menschen eine gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.

Bürgermeister Lutz Urbach sieht die Stadt Bergisch Gladbach mit dem bereits geplanten Stadtteilhaus samt Kita in Gronau auf dem richtigen Weg. „Wir machen ja schon einiges, bisher aber vieles aus dem Gefühl heraus, wo etwas getan werden muss“, sagte Urbach gestern in Altenberg, „durch den Sozialbericht haben wir jetzt eine fundierte Grundlage.“ Positiv wertet er auch, dass die betroffenen Bürger bei der weiteren Planung von Angeboten aktiv beteiligt werden sollen. „Da, wo wir Menschen einbeziehen, sind das alles Unternehmensberater für unsere Stadt.“ In kommunalen Planungskonferenzen wollen Kreis und Kommunen nun mit den Experten unter anderem aus der Jugendhilfeplanung, von Sozialämtern, Gesundheitsamt und Stadtplanung die Angebote planen und die Menschen „zu Mitarbeitern machen“.

Sozialbericht soll jährlich fortgeschrieben werden

Der Sozialbericht soll jährlich fortgeschrieben werden, Veränderungen etwa in der Bevölkerungsstruktur oder Jugendhilfe sollen aktualisiert werden. Voraussichtlich alle drei Jahre werde der Sozialbericht in der gestern vorgestellten Form neu veröffentlicht, so Markus Fischer, Dezernent für Soziales, Gesundheit, Schule, Familie und Jugend beim Kreis.

„Es ist gut, durch die Zusammenarbeit aus der eigenen Perspektive herauszukommen: Weg von der Perspektive »Wir versorgen euch« hin zu einem »Wir sorgen gemeinsam«“, sagte Michael Schulte vom Jobcenter. Der Sozialbericht habe ein „enormes Potenzial“, zur Verbesserung der Lebensqualität im Kreis beizutragen, ergänzte Andreas Reball-Vitt von der Diakonie als Vertreter der beteiligten Wohlfahrtsverbände.

Dabei ist das Potenzial nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. So hätte sich der Odenthaler Sozialdezernent Heinz Bosbach angesichts der Kreiskarte, auf der beim Gesamtindex der Sozialindikatoren ein Großteil Odenthals im Schnitt besser dasteht als der restliche Kreis, eigentlich entspannt zurücklehnen können. Aber: Zwar gebe es in Odenthal weniger Sozialhilfeempfänger, dafür aber Probleme in der Altersstruktur. Der Vorteil des Sozialberichts liege auch in der großen Datentiefe.