Extremsport statt PartysAls Paar beim 250km Ultralauf in der Mongolei
Die Zahl der Termine, an denen sich ihr Leben verändert, erhöht, den Takt verdichtet. Tanja Schönenborn hat in den vergangenen knapp drei Jahren so ziemlich alles umgekrempelt, was vorher sicher schien. Nur ihrem Job als Vermögensberaterin bei der Kreissparkasse Köln in Overath ist sie treugeblieben, auch wenn sie jetzt durch Wüsten rennt und nach Hennef gezogen ist. Ihr neuer Partner ist Rafael Fuchsgruber, der wohl erfolgreichste deutsche Wüstenläufer. Sie haben das Zeug zum Traumpaar des Extremsports.
Blick auf die Waage änderte alles
Begonnen hat es wohl mit dem Gang auf die Waage am 27. Dezember 2015. Die heute 37-Jährige zuckte zusammen, als sie das Ergebnis ablas. „Ich wog 83 Kilogramm, bei 1,65 Meter Körpergröße“, erinnert sich die heute zierliche Frau. „Ich war eine richtige Wuchtbrumme. Das ging überhaupt nicht.“ Dabei hatte sie im Alter von zehn Jahren eine Sportkarriere gestartet. In Bergisch Gladbach, wo sie aufwuchs, trainierte sie im Verein Leichtathletik, durchaus erfolgreich. Sie wurde sogar Nordrhein-Meisterin im 50-Meter-Sprint. Doch mit 13 Jahren erkannte sie, dass es auch noch andere Dinge gibt im Leben. Party machen, Freunde treffen war auf einmal viel wichtiger.
Da war erstmal Schluss mit Sport. Die Berufsausbildung folgte, feiern blieb. Noch einmal raffte sie sich auf, als eine Freundin heiraten wollte und erstmal trainierte, um in das Wunschkleid hineinzupassen. Da machte Schönenborn mit. Danach aber lernte sie ihren Mann kennen, acht Jahre lang stand wieder Partymachen an erster Stelle bei der Freizeitgestaltung. Die Folge waren etliche zusätzliche Kilos. Ende Dezember 2015, nach dem erschreckenden Waage-Erlebnis, steuerte die Bergisch Gladbacherin dann dagegen.
Erster Lauf im Dunkeln
„Wenn ich etwas wirklich will, kann ich sehr ehrgeizig sein“, beschreibt sie ihr Naturell. „Am späten Abend, im Dunkeln, damit mich niemand sieht, bin ich die ersten 3000 Meter gelaufen“, erinnert sie sich. „Ich musste stehen bleiben und verschnaufen, am nächsten Tag hatte ich fürchterlichen Muskelkater.“
Aber sie blieb dran, und die Strecken wurden länger. Ihr Mann machte mit, aus dem ersten Zehn-Kilometer-Lauf wurde ein halbes Jahr später ein Halbmarathon, knapp zweieinhalb Stunden brauchten sie. Außerdem stellte sie ihre Ernährung um, aß nur noch vegetarisch. Das ist geblieben. Aber ihrem Gatten lief sie sprichwörtlich davon, der mochte ihre Veränderungen nicht mitgehen. Irgendwann kam die Trennung, sie blieb dem Laufen treu. Über einen neuen Freund fand sie zur „Kölschen Naachschicht“, einem Nachtlauf über 75 Kilometer. Am Start erblickte sie erstmals Fuchsgruber, inmitten einer Traube von Menschen, die ihn umringten. Da wusste sie noch gar nichts von ihm. „Ich dachte nur, was ist das für ein eitler Gockel.“ Irgendwann im Laufe der Nacht blieben sie für zwei Stunden beieinander, unterhielten sich blendend, bis der heute 57-Jährige das Tempo steigerte und in der Dunkelheit verschwand.
Später im Jahr schrieb sie ihn einmal an, eine Antwort blieb aus. „Da habe ich mich geärgert. Wir sind schließlich lange zusammen unterwegs gewesen, da hätte er sich ja ruhig mal melden können.“ Schönenborn ließ es eine Weile auf sich beruhen, startete doch noch einen zweiten Versuch. Und der Hennefer reagierte. Am 7. Januar 2018 besuchte sie ihn in seinem Heimatdorf, sie machten sich für zwei Stunden auf den Weg über die Höhen entlang der Sieg. Nach ihrem zweiten Besuch kurze Zeit später war ihr klar: „Das ist die Liebe meines Lebens.“ Genau so erging es ihm.
Intensives Zusammenleben
Hals über Kopf taten sie sich zusammen. Rafael Fuchsgruber trennte sich von seiner Frau Ute, Schönenborn kündigte ihre Wohnung und zog zu ihm nach Niederhalberg. Ein intensives Zusammenleben prägt seither ihre Zweisamkeit. Gleichwohl fährt die 37-Jährige jeden Tag nach Overath, zu ihrer Arbeit. „Ich mag meine Kunden“, verrät sie. Das nächste einschneidende Erlebnis kam am 3. Juni, ihrem Geburtstag. Sie wusste, dass Rafael den „Gobi March“, einen Wüstenlauf über 250 Kilometer in der Mongolei, mitmachen wollte. Er kam mit einem Kaffee und einem Rucksack an ihr Bett. „Das ist dein Geschenk“, lächelte er sie an. Doch sie fand nichts weiter als einen Zettel am Boden der Tasche. Es war ihre Anmeldung zum „Gobi March“. „Ich habe nur ein knappes Cool hervorgepresst“, erzählt sie. Ihr Ehrgeiz indes war geweckt. Sieben Wochen Training blieben ihr, einen Neun-Kilo-Rucksack musste sie tragen. „Ich bin froh, dass ich das unverletzt überstanden habe.“
Sie ging das Rennen zügig an, bei der ersten Etappe lag sie in ihrer Altersklasse weit vorn. Die drei weiteren Etappen meisterte sie gemeinsam mit Fuchsgruber. Da war absehbar, dass sie auch den Gesamtlauf würde gewinnen können, in ihrer Altersklasse. Und ihr Freund machte sich auf, in seiner Altersklasse zu gewinnen, die letzten beiden Tage liefen sie getrennt. Tatsächlich schafften beide den Spitzenplatz, ein echtes Dream-Team, trotz Strapazen, Unwettern und hoher Berge. Jetzt sind sie zurück, glücklich und mit Ambitionen für die nächsten Ultraläufe.