Euphorie und ErnüchterungWie Rhein-Bergs CDU-Delegierte beim Parteitag abstimmten
Rhein-Berg – „Schöner hätte es für mich nicht ausgehen können“, sagt NRW-Innenminister Herbert Reul. Der 68-jährige Ehrenvorsitzende der rheinisch-bergischen CDU war am Wochenende einer der sechs Delegierten des CDU-Kreisverbands, die beim Bundesparteitag mit über den neuen CDU-Bundesvorsitzenden abgestimmt haben.
Reul hatte schon vor der Abstimmung keinen Zweifel daran gelassen, dass er für Armin Laschet stimmen würde. Was ihn neben dessen Sieg im zweiten Wahlgang aber auch freute, war das eigene gute Abschneiden bei der Wahl für den Bundesvorstand der CDU.
Delegierte stimmten für beide Kandidaten
Einmütig war das Votum der Delegierten aus Rhein-Berg bei der Wahl des CDU-Bundesvorsitzenden nicht. „Ja, ich habe Friedrich Merz gewählt. Zwei Mal. Im Ersten und im zweiten Wahlgang“, sagt CDU-Kreisparteichef Uwe Pakendorf und wusste dabei von seinen fünf Parteikollegen aus dem Kreis zumindest noch einen weiteren im zweiten Wahlgang an seiner Seite: Christian Buchen.
Er habe im ersten Wahlgang Norbert Röttgen gewählt, weil er sich keinem der beiden größeren Lager von Merz oder Laschet anschließen wollte, begründet er im Gespräch mit dieser Zeitung. In der Stichwahl habe er dann auf Merz gesetzt, weil er sich „schon ein bisschen mehr Veränderung in der Partei“ wünsche, so Buchen.
Außerdem sei ihm wichtig gewesen, dass das Votum der Delegierten auch die Meinung an der Basis widerspiegele. Diese hatten die Delegierten vergangene Woche auch noch einmal in einer offenen digitalen Runde mit Parteimitgliedern aus der Region ausloten können.
Merz' Verhalten löst Unverständnis aus
„Ihm fehle in der Politik manchmal die klare Auseinandersetzung, sagt Buchen, auch wenn er Merz’ Angebot, Wirtschaftsminister im Kabinett Merkel zu werden, „dämlich“ fand.
„Ich habe noch nie gehört, dass man über Twitter eine ernsthafte Bewerbung abgibt“, schüttelt auch MdL Rainer Deppe den Kopf. Er gehörte der rheinisch-bergischen Delegiertengruppe mit einem klaren Votum für Laschet ebenso an wie die stellvertretende CDU-Kreisvorsitzende Vera Müller aus Kürten. Nach der Wahl müsse sich jeder Christdemokrat fragen: „Will ich nun den Erfolg der CDU?“, sagt Deppe: „Den gibt es jedenfalls nur mit Geschlossenheit.“
Ernüchtert zeigte sich Pakendorf nach dem Wahlergebnis auch von dem Verhalten Friedrich Merz’: „Flehentlich hatte ich gehofft, dass er seine Mitarbeit im Bundesvorstand und für ein Schattenkabinett zur Bundestagswahl anbieten würde.
Enttäuschte sollen eingebunden werden
Aber: Es kam nichts dergleichen.“ Im Nachhinein rechne er es Laschet hoch an, dass er Merz versuchen wollte einzubinden, so Pakendorf. Wichtig sei, dass Armin Laschet nun Profil finde, sagt der Gladbacher Christian Buchen.
Auch in der Partei gelte es nun zusammenzustehen, und auch auf die zuzugehen, die enttäuscht seien, sagt Bundestagsabgeordneter Dr. Hermann-Josef Tebroke, der sich im April selbst darum bewerben möchte, erneut als Kandidat für die CDU in den Bundestagswahlkampf zu ziehen.
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Dass die Vorsitzendenwahl zu einer Spaltung in der CDU führen könnte, hält Reul für nicht nachvollziehbar: „Ich weiß nicht, wo die herkommen soll“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung: „Hinter Friedrich Merz stand doch nicht ein Block: Das waren sicher auch stramme überzeugte Wertkonservative, aber genauso Wirtschaftsleute, Merkel-Gegner oder Junge, die einfach Neues wollten.“ Die meisten könne Laschet gewinnen, so Reul.
CDU-Funktionsträger reagierten unterschiedlich
Unterschiedlich fallen die Reaktionen bei CDU-Funktionsträgern im Kreis aus. Udo Kellmann, Schatzmeister der Gladbacher CDU und Mitglied im Bundesvorstand der Werteunion, sieht die Wahl Laschets sehr kritisch: „Die CDU-Basis hätte Merz gewählt. Laschet wurde von den CDU-Funktionären gewählt.“
Kellmann, der bereits am Sonntag in den Sozialen Netzwerken gegen das Wahlergebnis agitierte, befürchtet, dass nun weitere Konservative der CDU den Rücken kehren.
Gladbachs CDU-Vorsitzender Thomas Hartmann rät seiner Partei unterdessen zu mehr Gelassenheit. „Ich persönlich hätte Laschet nicht gewählt, aber selbverständlich kann ich mit dem Ergebnis leben. Keiner in meiner Partei darf vergessen, es geht immer um unser Land.“
Die teilweise hämischen Kommentare aus den eigenen Reihen in den sozialen Medien verurteilt Hartmann: „Wir alle müssen aufpassen, wie wir miteinander umgehen. Da geht es um Fragen des Anstandes und des Stils.“
Rhein-Berger im CDU-Vorstand
Mit 821 Stimmen ist Herbert Reul aus Leichlingen am Samstag beim Bundesparteitag der CDU als Mitglied in den Bundesvorstand gewählt worden und hat damit nach Christian Baldauf, dem rheinland-pfälzischen Spitzenkandidat bei der dortigen Landtagswahl in diesem Jahr das zweitbeste Ergebnis der weiteren Vorstandsmitglieder geholt.
CDU-Landtagsabgeordneter Rainer Deppe sieht darin auch eine Bestätigung der Arbeit Reuls als NRW-Innenminister und eine entsprechende Anerkennung über Landesgrenzen hinweg. Bereits von 2012 bis 2017 war Reul beratender Teilnehmer des CDU-Bundesvorstands. Damals war er Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament.
Seit 1987 ist Reul Mitglied im Landesvorstand der CDU NRW, von 1991 bis 2003 war er ihr Generalsekretär. 17 Jahre führte der 1985 erstmals in den NRW-Landtag gewählte Leichlinger zudem ab 1990 die CDU Rhein-Berg, ist seit 2003 außerdem Bezirksvorsitzender der CDU im Bergischen Land.
2004 wurde der Studienrat ins Europäische Parlament gewählt – bis Armin Laschet ihn nach der gewonnenen NRW-Landtagswahl 2017 zum Innenminister in Düsseldorf machte.